Kapitel 45

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Song Empfehlung:
Skinny Love von Bon Iver
und
Hearing von Sleeping At Last

Jake

Es fühlt sich an wie Jahrhunderte.
Ein jahrhundertlanger Schlaf.
Nicht erholend, nein. Eher als würde man nach einem Krieg aufwachen. Du bist unverwundet, sagen sie, doch innerlich bist du gestorben. Am liebsten würde ich weiterschlafen, schlafen bis alles wieder gut ist. Schlafen bis Reese wieder bei mir ist. Innerlich ist eine große klaffende Wunde und dieser Schmerz, die sie anrichtet, ist so allgegenwärtig, dass kein Morphin der Welt helfen würde.
Nicht einmal trauern kann ich, denn er ist nicht tot. Nein, sie sagten er liegt in einem komatösen Schlaf. Es ist seine Entscheidung, sein Kampf auf zu wachen.
Also sag mir Reese, warum wachst du nicht auf? Wieso kommst du nicht mehr zu mir zurück? Ich habe dich gerettet, haben sie gesagt. Ich habe dich gerettet. Und trotzdem bist du nicht hier. Nein, du liegst hinter dieser großen grauen Tür und schläfst friedlich und das schon seit fast zwei Wochen. Als ich aufgewacht bin, ist alles was mich interessiert hat, du gewesen, doch sie wollten mich nicht zu dir lassen. Sie sagten, ich sollte mich beruhigen, doch wie könnte ich?
Du bist mein Leben Reese, nicht an deiner Seite zu sein, ist so unfassbar schmerzhaft. Sie haben mir gesagt, dass meine Liebe so groß war, dass ich dich retten konnte. Durch Liebe. Kannst du dir das vorstellen? Es ist lächerlich in meinen Augen und doch weiß ich, dass du es schön finden würdest. Weil du eben du bist.
Gott Reese, ich halte es keinen Moment mehr ohne dich aus. Ich vermisse so sehr deine liebliche Stimme. Vermisse deine warme Haut. Wie sehr wünsche ich mir dein Lachen zu hören. Dich nur noch einmal beim Essen zu beobachten. So oft denke ich an die Nächte, als du neben mir lagst und friedlich schliefst.
Weißt du eigentlich, wie oft ich dich dabei beobachtet habe? Es war für mich so unfassbar beruhigend. Dein ruhiger Atem, oder dein süßer Schmollmund.
Ich bin niemand der weint, das war ich nie. Und doch sitze ich jede Nacht auf deinem Bett und weine. Still und heimlich. Nicht mal bei dem Tot unseres Vaters kam auch nur eine Träne, ich war derjenige, der dich getröstet hat, wenn du geweint hast. Jedes Mal hat es mir das Herz gebrochen. Ich hätte dir so gerne den Schmerz genommen. Jeglichen den du jäh hattest. Sei es, als du mit fünf vom Fahrrad gefallen bist oder als unsere Mutter gestorben ist. Dein Schmerz hat mich jedes Mal so tief getroffen. Mehr als mein eigener. Zu sagen, dass ich dich liebe Reese, würde nicht im Ansatz beschreiben, was ich für dich empfinde. Es kommt nicht ansatzweise an die Geschichten ran, die du immer gelesen hast, noch an die Liebe in diesen schnulzigen Filmen, die du immer so gerne gesehen hast. Nein. Es ist so viel intensiver, so viel mehr. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass jemals ein Mensch so sehr geliebt wurde, wie ich dich liebe. ‚Ich würde für dich sterben.', würde es nicht mal annähernd definieren. Gott Reese, ich würde für dich durch die Hölle gehen, nur um dich wieder bei mir zu haben. Alles würde ich tun, einfach alles. Seit ein paar Tagen stelle ich mir vor, wie es sein würde, wenn du den Kampf aufgibst. Was ich machen würde, wenn ich irgendwann vor deinem Grab stehe und du neben unseren Eltern liegen würdest. Ich weiß nicht ob ich es ertragen könnte. Zwar habe ich meinem Rudel ewige Treue geschworen und, das ich sie bis auf den Tod beschütze, doch, wenn mein Herz geht, wie könnte ich sie dann noch schützen? Sagt man nicht, ein wahrer Krieger kämpft mit dem ganzen Herzen, aber Reese, du bist mein Herz. Schon seit ich dich das erste Mal gesehen habe. Du bist der Grund warum ich jeden Atemzug genieße. Du bist meine Vergangenheit, meine Gegenwart und meine Zukunft. Das habe ich nie anders gewollt. Nie. Ich fühle mich so leer ohne dich Reese. Das Haus ist so still. Der Wald leuchtet nicht mehr in diesen wunderschönen Farben und selbst der Himmel weint jeden Tag. Momentan mache ich ein heftiges auf und ab an Gefühlen durch. Früh bin ich still und hänge in Erinnerungen fest. Nachmittags bin ich rasend vor Wut und zerstöre ab und zu Dinge aus dem Haus. Nachts überfällt mich die Einsamkeit. Sie zieht mich mit und ich breche zusammen. Überall im Haus haftet dein Duft. Gott dieser Duft... Alleine dafür würde ich töten. Trotzdem ist es nicht so, dass ich nur alleine bin. Meistens sind meine Freunde da oder, wenn ich mich ums Rudel kümmere, eben diese. Sie lenken mich ab. Lenken mich ab, dass du in diesem Krankenzimmer liegst und einfach schläfst. Könnte ich doch nur irgendwas tun. Nur irgendwas. Doch ich weiß nicht einmal was diesen Anfall verursacht hat. Die Heiler sind ratlos. Sie schieben es auf dein Herz, aber ich glaube das nicht. Einer der Heiler, hat mich vor zwei Tagen um Erlaubnis gebeten, eine Blutprobe von dir, an einen Freund zu schicken. Er soll diese analysieren und hoffentlich findet er raus, was mit dir passiert ist. Dich dort liegen zu sehen, blass, blaue Lippen, ohne jegliches Lebenszeichen, hat mir das Herz herausgerissen. Noch immer laufen mir eiskalte Schauer über den Rücken, wenn ich auch nur daran denke. Was würde ich nur alles dafür geben, um dich in meine Arme ziehen zu können und dir zu versichern, dass alles gut wird. Aber die Heiler haben gesagt, dass ich deinem Körper die Möglichkeit lassen soll, sich zu heilen und möglichst nicht zu kräftig zu berühren. Eindringlich hat mich der Mann angesehen. Die ersten Tage, als ich endlich zu dir durfte, bin ich dir kein Stück von der Seite gewichen. Nun bereue ich es, dass ich es irgendwann, nach dem eindringlichen auf mich einreden meiner Freunde gegangen bin, denn nun schaffe ich es nicht mehr diese Tür zu betreten. Zu sehen, wie du... du dort liegst... Gott, nicht einmal denken kann ich das. Kannst du dir das vorstellen? Im Land gefürchtet und schaffe es trotzdem nicht einmal eine Tür zu öffnen. Lächerlich, nicht? Wie jeden Tag schwebt meine Hand über dem Türgriff und wie jeden Tag gebe ich seufzend auf. Müde lege ich meinen Kopf an diese, lausche deinem Herzschlag. So schwach und doch hörbar. Besser als jedes Lied, von den besten Pianisten. Es klingt nach Leben, selbst deine leisen, schwachen Atemzüge sind so beruhigend und doch wachst du nicht auf.
Reese, bitte. Ich würde all meine Kraft geben, all meine Macht, all mein Geld, all mein Besitz, um dich wieder bei mir zu wissen. Lebend und glücklich. Mein Herz, meine Liebe. Bitte Reese, wach auf.
Wach auf...


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Hey
Das hier ist mein Lieblingskapitel und wollte euch damit danke sagen, für die Votes und die lieben Kommentare.
Wenn du bis hier hin gelesen hast und das Buch dir gefällt, würde ich mich unheimlich darüber freuen, wenn du ein paar Votes dalässt und falls du magst auch ein Kommentar.
Reese und Jake sind mir so ans Herz gewachsen, dass es mich bereits jetzt davor graut, dieses Buch zu beenden.
Ob Reese es schafft ist ungewiss, aber natürlich hoffen wir es, jedoch ist manchmal die Realität grausam und schmerzhaft. Ob dies Jake auch erfahren wird, werden wir sehen...
Bis dahin.
LG

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