Kapitel 10

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Reese

Müde streiche ich mir durchs Gesicht, als ich das Zelt verlasse und laut gähne. Ohne groß darüber nachzudenken laufe ich Richtung Wasser. So wie ich bin, nur in Boxershorts bekleidet, schmeiße ich mich ins Meer. Mein ganzer Körper fühlt sich total verschwitzt an, also tut das kühle Wasser auf meiner Haut extrem gut. Mit meinem Kopf voran tauche ich unter und schwimme ein bisschen unter Wasser, ehe ich wieder auftauche und mein Haar aus dem Gesicht streiche. Ich fühle mich irgendwie so entspannt und ausgeschlafen, was sonst eigentlich nicht der Fall ist.
Abgekühlt laufe ich wieder Richtung Zelt. Als ich aufgewacht bin, war die andere Betthälfte leer. Eigentlich dachte ich Jake hier im Wasser anzutreffen, aber da lag ich wohl falsch. Frierend greife ich nach dem Handtuch von Jake und wickle es mir um die Schultern, ehe ich mich nach drinnen begebe, um mir frische Klamotten anzuziehen.
Eine schwarze Stoffhose und ein grauer Pulli müssen ausreichen. Besorgt, dass Jake immer noch nicht zurück ist, wollte ich mich gerade auf den Weg machen, um ihn zu suchen, doch gerade als ich das Zelt wieder schließe, steht ein großer schwarzer angsteinflößender Wolf vor mir. Seine Augen sind so tief schwarz wie Jakes, bloß, dass um ihnen noch ein türkiser Kreis ist. Wüsste ich nicht, dass das vor mir Jake ist, hätte ich mir vor Angst schon längst in die Hose gemacht.
„Hey Jake.", ich hebe meine Hand leicht an, in die er sofort seinen flauschigen Kopf presst. Sachte kraule ich seine Ohren und wandere weiter runter unter seine Schnauze. Mit seinem Kopf deutet er Richtung Wald, der hinter den Dünen ist. Eine stille Aufforderung mit ihm zu gehen.
„Ich weiß nicht... ich komm doch nicht hinter dir her.", sage ich unsicher, doch er sieht mich nur vielsagend an. Er will, dass ich mich verwandle, doch das tue ich nur extrem selten.
Ich schäme mich ein wenig für meine Wolfsgestalt. Mein Wolf ist vielleicht halb so groß wie Jake und ich bin komplett weiß, nur um mein rechtes Auge ist ein schwarzer Fleck. Im Gegensatz zu den anderen Wölfen im Rudel bin ich der Kleinste und dafür schäme ich mich. Wieder haben meine Eltern das auf meinen Herzfehler geschoben, doch ich weiß nicht so recht ob das auch zutrifft. Auffordernd stößt Jake seinen Kopf gegen mein Bein. „Na gut...", seufze ich ergebend und ziehe mich komplett aus. Das Jake versucht überall hinzusehen nur nicht zu mir, fällt mir sofort auf.
Was hat er denn?
Er hat mich schon oft nackt gesehen, alleine, wenn wir uns zurück verwandeln sind wir immer nackt. Kopfschüttelnd konzentriere ich mich auf meinen inneren Wolf, den ich sogleich loslasse und ich spüre wie ich mich langsam verwandle.
Toll ist das Gefühl nicht unbedingt, aber wenn man es schon etliche Jahre gemacht hat, gewöhnt man sich daran. Erwartungsvoll sehe ich Jake an, ehe wir losrennen.
Ich habe keine Ahnung wo er mich hinführt, doch irgendwie fühlt es sich toll an endlich mal wieder so durch den Wald zu rennen.

~

Gefühlte Stunden später kommen wir auf einer Lichtung an, weit oben in den Bergen, von wo man das Meer sehen kann. Überwältigt von diesem traumhaften Ausblick, setze ich mich hin und sauge das Bild in mein Gedächtnis. Nur schwach bekomme ich mit, wie Jake seine Pfoten neben mich stellt und direkt hinter mir Platz nimmt. ‚Gefällt es dir?', fragt er mich mit seinen Gedanken.
Es ist extrem anstrengend für uns so zu kommunizieren, nur die Besten beherrschen das problemlos. Am besten funktioniert es, wenn man eine gute und innige Verbindung mit dem anderen Wolf hegt. Somit klappt es bei uns eigentlich sehr gut. ‚Ja!', antworte ich ihm und hoffe, dass er es gut verstehen konnte. Zur Bestätigung reibt er seinen Kopf an meinen und leckt über mein Fell.
Ich hasse es, wenn er das macht.
Es fühlt sich dann immer an als wäre ich noch ein Welpe, den man sauber machen muss. Knurrend drehe ich meinen Kopf zu ihm herum, doch er schaut mich nur unschuldig an. Augenverdrehend drehe ich mich wieder Richtung Aussicht, doch keine Minute später fühle ich, wie er wieder anfängt über mein Fell zu lecken. Gott, er macht mich noch verrückt. Ich lege mich nach vorne auf meine Vorderpfoten und lasse mich weiter von ihm putzen. Wenn es ihm so großen Spaß macht, soll er es machen. Jake legt sich halb über mich und leckt seelenruhig weiter. Er weiß ganz genau, dass ich es hasse, wenn er das macht, also kann er sich auf etwas gefasst machen.
Vielleicht nicht heute, aber bald! Innerlich grinse ich fies vor mich hin.

Jake

Es freut mich extrem, dass er es zulässt. Es beschert mir eine extreme innerliche Befriedigung und irgendwie will sich mein innerer Wolf bei ihm entschuldigen. Alleine der Gedanke an letzte Nacht jagt mir ein Schauer über den Rücken.
Ich bin so unglaublich froh, dass er wirklich den Anschein macht, nichts mitbekommen zu haben. Entspannend lecke ich über seinen Kopf und stelle zufrieden fest, dass es ihm anscheinend doch nicht so entsagt, denn er hat seine Augen geschlossen und sein Atem geht ruhig und gleichmäßig. Unbewusst streift meine Nase durch sein Fell und ich erwische mich schon wieder, wie ich seinen Duft in mir aufsauge.
Gott verdammt, das ist nicht mehr normal.
Plötzlich ertönt ein leises Knacken hinter uns und ich bin sofort im Kampfmodus. Wie auf Knopfdruck habe ich mich umgedreht und baue mich vor Reese auf.
Drei Werwölfe laufen langsam auf die Lichtung zu, direkt in unsere Richtung. Reese tritt neben mich und sofort schiebe ich ihn mit einer meiner Pfoten unter mich. Ich weiß nicht was die Wölfe wollen, doch meine oberste Priorität ist jetzt Reese zu beschützen und das signalisiere ich auch ganz klar.
Etwa vier Meter vor uns bleiben sie stehen und mustern uns genau.
‚Du bist kein Alpha.', höre ich es plötzlich in meinem Kopf und ich weiß sofort, dass es der mittlere war. ‚Nein, noch nicht.', antworte ich schlicht, nicht ganz schlüssig auf was er hinauswill. ‚Wieso strahlst du dann die Macht eines Alphas aus?', fragt er mich hörbar verwirrt. ‚Was wollt ihr?', ich muss auf keiner seiner Fragen antworten. Alle drei sind Betas, das erkenn ich an ihren Geruch. ‚Keine Sorge, wir tuen dir und deinem Mate nichts.', sagt er und macht einen Schritt auf uns zu. Sofort fange ich an zu knurren und schiebe Reese mit meiner Pfote näher zu mir.
Er ist sichtlich verwirrt, denn das Gespräch kann nur ich und der andere Kerl mir gegenüber hören.
‚Er ist nicht mein Mate.', versuche ich ihm klar zu machen und hoffe, dass man mir nicht anhört wie sehr mich seine Aussauge aus dem Konzept gebracht hat.
Überrascht sieht er mich an.
‚Oh, das tut mir leid. Ihr habt auf uns so ein vertrauten Eindruck gemacht.'
‚Er ist mein Bruder.', ich weiß gar nicht warum ich mich rechtfertige, aber es erscheint mir nicht so, als wollten sie etwas Böses.
‚Bruder? Hm... Naja, wie dem auch sei, wir wollten euch nur mitteilen, dass hier viele Wilderer unterwegs sind und ihr aufpassen müsst.', erklärt er mir.
‚Danke und werden wir.'
Langsam gehe ich mit Reese nach hinten, ehe wir auch schon wieder in den Wald rennen Richtung Meer. Mein Mate?!
Wie zum Teufel kommt er darauf?

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