Kapitel 16

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Song Empfehlung:
Loud Places von Jamie xx, Romy

Reese

Es fühlt sich wie eine Ewigkeit an, doch es müssten nur fünf Minuten vergangen sein, seit er dort liegt.
Blutend, alleine und leichenblass.
Mein Körper bebt und singt kräftig das Lied in der Hoffnung er findet so schneller zu uns zurück.
Keiner weiß, was auf der anderen Seite auf ihn wartet. Es wird einem nur gesagt, man sollte sich auf seinen Geist verlassen. Plötzlich spüren wir, wie der Wind wieder stärker wird, die Bäume laut zu rascheln anfangen und die Tiere laut umherlaufen. Wir spüren etwas in unserm Urinstinkt, es ist kaum zu beschreiben. Ein Gefühl als würde eine leere Stelle in unserer Seele verschließen. Man fühlt sich wieder so wahrhaftig. Seit mein Dad weg ist, habe ich diese Leere gespürt. Wir alle haben das, doch jetzt spüre ich eine unglaubliche Hitze von innen aus mir hinausströmen, die die Lichtung in eine warme und wohltuende Umgebung verzaubert.
Alle verstummen und schauen erwartend zu meinem Bruder auf. Ruckartig bewegt sich sein Körper nach oben, ein markerschütterndes Brüllen entringt seiner Kehle und wir alle sehen in seine dunkelroten Alpha Augen. Der Boden vibriert und die Vögel steigen hinauf in die Luft. Ich spüre wie es mein Instinkt ist ihm zu gehorchen und ewige Treue zu schwören. Stolz sehe ich zu ihm auf.
Wir alle verwandeln uns in unsere Wolfsgestalt und verneigen uns vor unserem Alpha.
Aus dem Augenwinkel sehe ich wie auch er sich verwandelt und er noch viel größer und mächtiger wirkt. Seine glühenden roten Augen, die mir einen warmen Schauer über den Rücken jagen, finden meine. Schnell senke ich meinen Kopf, denn es fühlt sich falsch an den Kopf zu erheben, während alle anderen ihn neigen. Langsam kommt er auf uns zu. Nervös schlägt mein Herz gegen meine Brust, denn seine plötzliche einnehmende Macht, die er ausstrahlt verunsichert mich zutiefst. Unerwartet spüre ich ein anderes weiches Fell über meins streichen und merke wie Jake seinen Kopf an meinem reibt. Unsicher schaue ich zu ihm hoch. ‚Es hat sich nichts verändert.', höre ich ihn in meinem Kopf sagen. Verstehend nicke ich. Zwar hat sich laut ihm nichts verändert, doch nun ist er neben meinem Bruder auch noch mein Alpha, was mich schier an den Rand des Wahnsinns treibt.

~

Alle sind in guter Stimmung und feiern hinter dem Haupthaus im großen Garten meinen Bruder. Seit er wieder auferstanden ist und er diesen einen Satz gesagt hat, habe ich ihn nicht einmal mehr gesprochen. Ich fühle mich auf dieser großen Feier so alleine und verloren. Da hier nur Werwölfe sind, kann natürlich Willow nicht hier sein. Somit habe ich keinen, der mit mir reden will oder auch nur irgendwas zu mir sagt. Nicht mal eine Entschuldigung bekomme ich, wenn sie mich anrempeln, als wäre ich nicht existent. Genervt lehne ich mich an die Holzwand des Hauses und beobachte die vielen Menschen, wie sie Jake beglückwünschen und beschenken. Das ist so ein kleines Ritual, der neue Alpha bekommt immer ein Geschenkt von seinen Betas. Ich weiß ganz genau wie unangenehm das Jake gerade sein muss und ich grinse breit.
„Na Schwuchtel, keine Freunde oder warum stehst du hier so alleine?", kommt es gehässig von Jace, der sich neben mich stellt. Seufzend drehe ich mich zu ihm und sehe ihn desinteressiert an. „Heute keinen anderen zum Nerven gefunden, Galloway?", frage ich ihn, auch wenn ich weiß, dass ich mich hier auf ganz dünnem Eis bewege. Ruckartig legt er seine Hand um meinen Hals und presst mich an die Wand. Keuchend versuche ich mich aus seinem Griff zu befreien. „Pass bloß auf!", knurrt er zwischen zusammengebissenen Zähnen. „Alter, nicht hier und heute.", sagt jemand hinter Jace und legt ihm eine Hand auf die Schulter. Rico schaut sich alarmierend um, ehe er hektisch an Jace zerrt. „Man! Sein Bruder steht gerade mal hundert Meter von uns entfernt. Lass es gut sein!", flüstert er ängstlich. „Du hast Glück, dass dein Bruder hier ist. In der Schule wird er es aber nicht sein...", haucht er gegen mein Gesicht. Noch einmal stößt er mich gegen die Wand und verschwindet dann mit seinem Freund. Eingeschüchtert ziehe ich meine Jacke enger um mich und vergrabe mein Gesicht in ihr. Ich habe schon jetzt keinen Bock auf Schule.
Später, als alle Leute eine Menge Alkohol intus haben und angeregt zu der Musik im freien Tanzen, gönne ich mir auch heimlich ein bisschen Alkohol.
Über den Köpfen der Leute wurden viele Lichterketten aufgehängt, die das alles in eine schöne Atmosphäre tauchen. Seufzend schütte ich das bittere Getränkt hinunter und hole mir noch einen weitern. Eigentlich wäre ich schon längst gegangen, so wie die Älteren oder die ganz jungen Kinder mit ihren Eltern, aber irgendwie fühlt es sich komisch an, meinen Bruder hier zu lassen, auch wenn er sich prächtig zu amüsieren scheint, wie er da engumschlungen mit Bonnie tanzt. Ja, ich kenne sie. Ich kenne gruseliger Weise viel zu viele Frauen mit denen Jake was hatte. Zu meiner Verteidigung, sein Zimmer liegt meinem gegenüber und die Wände sind auch nicht gerade dick, wenn mir eins in Erinnerung geblieben ist, dann dass Bonnie laut ist. Sehr laut. Deprimiert schlürfe ich nun an meinem dritten Getränk und stelle mir vor an Bonnies Stelle zu sein.
Blöderweise haben diese Gedanken unangenehme Auswirkungen auf Körperstellen, die sich jetzt besser nicht bewegen sollten. Genervt versuche ich ungesehen meinen Schritt zu richten.
Gerade als ich mir mein viertes Getränk hole, fängt es aus allen Eimern an zu schütten. Doch anstatt, dass alle rein rennen, springen die meisten erfreut auf und tanzen im Regen vor sich hin. Wie zum Fick kann es sein, dass Bonnie einfach noch viel schöner aussieht mit nassen Haaren.
Stöhnend stelle ich fest wie Jakes weißes T-Shirt, was er sich vor Stunden drübergezogen hat, jetzt an seiner nassen Haut klebt. Och Mann!
Schnell trinke ich meinen Becher leer und renne in den Regen und breite meine Arme aus. Ups! Ich spüre den Alkohol ganz dezent. Schulter zuckend springe ich zu dem Lied in die Luft und lasse mich davon beflügeln. Mein Herz schlägt im Takt zum Lied und mein Blut gerät in Wallung. Hitze breitet sich von innen in mir aus. Ich spüre einen brennenden Blick auf mir, doch ich schließe die Augen und bewege mich zu der Musik. Erschrocken zucke ich zusammen, als ich eine Hand auf meinem Kopf spüre, die mir das nasse Haar nach hinten streicht. Überrascht schaue ich in die schwarzen Augen von Jake. Seine Augen glänzen und wirken wahrscheinlich durch den Alkohol leicht verschleiert.
„Du bist wunderschön.", flüstert er mir ins Ohr, was mir mehrere angenehme Schauer beschert. Jake fängt an sich wieder zu der Musik zu bewegen, was ich ihm gleichtue, aber ich lasse keinen Moment meine Augen von seinem Gesicht. Seine Augen sind geschlossen und seine kurzen schwarzen Haare hängen ihm in die Stirn. Gott verdammte Scheiße. Ich könnte genau in diesem Moment, nur durch seinen Anblick, kommen. 

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