Kapitel 28

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Reese

Leise löse ich mich von Jake, darauf bedacht ihn nicht zu wecken.
Verdammt!
Ich weiß nicht mal mehr so wirklich wieso ich hier bin. Eigentlich bin ich doch wütend auf ihn. Genervt gehe ich ins Bad und mache mich fertig. Überraschenderweise geht es mir gut. Mir ist nicht schlecht oder schwindelig, so wie erwartet. Tatsächlich fühle ich mich richtig gut, fit und motiviert wie schon lange nicht mehr, auch wenn ich noch immer diese geballte Wut für Jake empfinde. Es macht die Sache nicht leichter neben ihm im Bett aufzuwachen. Unten in der Küche mache ich mir was kleines zu essen und wollte gerade raus gehen.
„Hey! Wo willst du hin?", kommt es plötzlich von der Treppe. Abrupt bleibe ich stehen und drehe mich langsam um. Jake hat sich einen grauen Pulli und eine schwarze Hose angezogen. Sein Blick ist überrascht, aber auch tadelnd auf mich gerichtet. „In die Schule?", antworte ich fast schon etwas bockig. „Du setzt dich jetzt sofort in die Küche.", schluckend sehe ich zu ihm. Shit, er ist wütend. Seufzend lasse ich mich auf den Stuhl fallen und sehe ihn erwartend an. „Was hast du gestern genommen?" Ich zucke mit den Schultern und sehe an ihm vorbei. „Also weißt du es nicht mal genau?!", knurrt er. Wieder zucke ich nur mit den Schultern. „Warum hast du das genommen?", und wieder zucke ich nur mit den Schultern. Wütend schlägt Jake auf den Tisch, so dass ich erschrocken zu ihm sehe. Sowas hat er noch nie getan. „Antworte mir, wenn ich dir eine Frage stelle!", fordert er laut.
„I-Ich weiß nicht.", krächze ich und sehe ängstlich zu ihm. Noch nie war er so wütend auf mich. „Von wem hast du es bekommen?", unterbewusst zucke ich wieder mit den Schultern, doch als ich Jakes Gesichtsausdruck sehe, schüttle ich schnell mit dem Kopf. „Ich... Ich weiß es nicht."
„Du warst schon immer schlecht im Lügen, Reese.", müde streicht er über seine Augen und ich kann nicht verhindern, dass mein Herzchen kurz schneller schlägt als seine Augen jetzt noch dunkler wirken. „Kann ich gehen?", versuche ich emotionslos zu sagen. „Und dein Frühstück?", mit großen Augen sieht er zu mir. „Habe ich mir selber gemacht. Bis dann.", und damit stehe ich auf und verlasse das Haus. Sein Blick hat mir einen Stich versetzt. Pure Verzweiflung.

~

Erfreut stelle ich fest, dass Floyd vor der Schule auf mich wartet. „Hey Mann!", kommt er auf mich zu und schlägt auf meine Schuler. „Hey.", lächle ich ihn an und zusammen laufen wir nach drinnen. „War cool gestern. Bock auf Runde zwei?", grinst er und hält mir ein Tütchen vor die Nase, als ich meinen Spind schließe. „Runde zwei?"
„Ja!"
„Hier?", grinsend sieht er sich um und schmeißt eine Pille ein. „Klar. Sonst überstehe ich die Scheiße hier nicht.", unsicher sehe ich ihn an.
„Ich weiß nicht..."
„Komm, gestern fandst du es doch auch geil, oder?", zögernd nehme ich die Pille an mich und sehe in das erwartungsvolle Gesicht von Floyd.
„O-Okay.", eigentlich will ich es nicht, aber wenn er es auch macht, ist doch nichts dabei, nicht wahr?
Ungesehen schlucke ich eine runter und sehe ihn an. Was dann passiert ist anders als gestern. Mein Gehirn fühlt sich frei an, wirkt aber so fokussiert und trotzdem umgibt mich so eine ungemeine Zufriedenheit. Grinsend sehe ich ihn mit leuchtenden Augen an.
„Geil?", fragt er lachend.
„Ja!", lache ich. „Hast du eigentlich Bock auf Schule?", fragt er mich. „Nein, nie, aber ich will aufs Collage, also...", sage ich schulterzuckend und irgendwie weicht keine Sekunde das Lächeln von meinen Lippen. „Lass uns schwänzen."
„Was?!", ungläubig sehe ich ihn an.
„Na komm Mann, das wird mega!", hoch motiviert zieht er mich am Arm Richtung Ausgang. „Mein Bruder würde das ganz und gar nicht gut finden.", sage ich. „Scheiß drauf. Lass dir von anderen das Leben nicht bestimmen!", als wir die Schule verlassen, sehe ich ihn an.
„Weißt du was, du hast Recht.", lachend rennen wir vom Gelände. Floyd ist mit seinem Motorrad da, auf das wir uns kurzerhand setzen und losfahren. Wo er mich hinfährt weiß ich nicht, doch es ist mir so egal. Befreiend strecke ich meine Arme aus und genieße den Fahrtwind, der meine Jacke flattern lässt.
Irgendwann hält er vor einem Mast an und sieht nach oben, ehe er absteigt. „Was hast du vor?", verwirrt sehe ich zu ihm. „Na da hochklettern, was sonst!", grinst er und zieht die Leiter runter. Der ist doch verrückt. Doch warum auch immer will ich ihm folgen. Also laufe ich zu ihm und klettere mit ihm die schier unendliche Leiter hoch. Alles ist egal, sowie die Tatsache, dass ich eigentlich extreme Höhenangst habe. „Komm Kleiner, wir sind gleich oben!", ruft er.
Schluckend lege ich einen Zahn zu. Als ich oben ankomme, sehe ich über die vielen Wälder, über die mein Bruder herrscht. Strahlend hell steht die Sonne am Himmel und scheint auf uns hinab. „Wow.", ist alles was mir über die Lippen kommt. „Nicht wahr.", er klingt verträumt. Er greift in seine Innentasche und zieht einen kleinen Flachmann hervor. „Willst du auch?", dankend lehne ich ab. Schulterzuckend nimmt er ein Paar Schlucke und setzt sich dann hin. Zusammen lassen wir unsere Beine in die Tiefen hängen. Von der Seite betrachte ich Floyds Gesicht.
Er ist nicht unbedingt wunderschön und doch wirkt er in diesem Moment so vollkommen. So zufrieden und ruhig. Ohne darüber nach zu denken presse ich meine Lippen auf seine, doch er zieht sich abrupt zurück. „Ruhig Brauner, das ist die Droge okay? Ich stehe nicht auf Kerle, sorry.", sagt er und hält mich auf Abstand. Die Droge? W-Warum habe ich das gerade getan? Ich empfinde nicht mal annähernd etwas in die Richtung für ihn. „Du willst es trotzdem, nicht wahr?", grinsend mustert er mich. Verwirrt nicke ich. Was ist mit mir los?
„Na gut, aber nur einmal, klar?", nickend sehe ich zu ihm und er löst seine Arme von mir, die mich auf Abstand gehalten haben. Sofort presse ich meine Lippen wieder auf seine und er erwidert den Kuss sogar. Er schmeckt nicht so gut wie Jake, geht mir plötzlich durch den Kopf. Er küsst auch irgendwie nicht so gut und riechen tut er schon gar nicht wie Jake und trotzdem küsse ich ihn weiter.
Ich will das nicht, warum tue ich das? Seufzend drücke ich mich an ihn und seine Zunge gleitet in meinen Mund. Warum fühlt sich das alles so an, als wäre das nicht ich? Keuchend mache ich weiter. Doch dann löst sich Floyd von mir und lehnt sich entspannt zurück. „Genug für heute.", murmelt er und hält sein Gesicht in die Sonne. Schnaufend richte ich mich auf und fahr mir über meine kurzen Haare.
Was war das gerade?

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