41| Spritztour

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Ezra

Ich warf ihm eine Tüte tiefgefroren Erbsen auf den Schoß, bevor ich mich neben ihm auf die Motorhaube des Lamborghinis schwang. Aus den Augenwinkeln beobachtete ich, wie er sie sich stöhnend auf die Nase legte. „Weißt du, wenn ich ein paar Minuten später gekommen wäre, hätten dich Sams Bodyguards wahrscheinlich gevierteilt.", scherzte ich und wartete darauf, dass er mit einstieg. Er schwieg.

Als ich das Büro meines Vaters verließ, hätte ich niemals damit gerechnet, was Lee in meiner Anwesenheit angestellt hatte. Statt, wie er mir versprochen hatte, an der Bar zu warten, hatte er Samuel eine verpasste und das nicht nur einmal. Das Sicherheitspersonal war gerade dabei, Lee aus dem Raum zu schleifen, als ich eingriff. Sie sagten mir, er wäre plötzlich ohne jegliche Vorahnung auf Sam losgegangen. Ich sah auf das Blut, das über sein Hemd gelaufen war. Ich glaubte ihnen kein Wort.

Audrey, die dabei gewesen war, Sam, der völlig verprügelt am Boden hockte, zu beruhigen, versprach mir mit knappen Worten, dass sie dafür sorgen würde, dass Sam, Lee nicht verklagen würde. Ich hoffte, sie schaffte es. Um dem ganzen Drama zu entkommen, war ich zu dem Raum gegangen, für den man ein Passwort brauchte, um ihn zu betreten. Gott sei Dank, wusste der Coldwell Erbe das Passwort für die Tiefgarage. Ich hatte schließlich schon oft genug die teuren Autos meines Vaters für eine Spritztour geklaut.

Ich beobachtete besorgt wie Lee seine Nase kühlte und schwieg. Es war alles so gut gelaufen. Natürlich war der Vorfall keines Wegs zu meinem Nachteil. Lee war nun in alle munde und ich konnte Sam noch nie leiden. Aber was hat er sich nur dabei gedacht? Ich erinnerte mich, an unser erstes Treffen. Er konnte wirklich gut zu schlagen, aber in so einer Situation war er nur im Nachteil. Hier waren Leute anwesend, mit denen man sich lieber nicht anlegen sollte.

„Warum hast du das nur getan?", flüsterte ich und starrte auf einen roten Sportwagen, den ich schon mal geklaut hatte, um zum Strand zu fahren. Dad war ausgeflippt, weil ich noch keinen Führerschein hatte. Als er nicht antwortete, sah ich zu ihm hinüber. Er hatte sich die Krawatte um die Schultern gelegt, sein blutverschmiertes Hemd war ein paar Knöpfe geöffnet und sein ursprünglich nach hinten gekämmtes Haar war nun total verwuschelt.

Mir wurde seltsam warm in meiner Brust. Fuck, was war nur falsch mit mir?
„Tut mir leid.", murmelte er und ich erstarrte, die seltsamen Gefühle in meiner Brust vergessen.

Killian Green hatte sich gerade entschuldigt. Ich wusste nicht mal, dass er dazu in der Lage war. Er vermied meinen Blick, als er tief durchatmete. Was zum Teufel war nur passiert? Hatte die Security ihm am Kopf erwischt? „Mach dir keinen Kopf", winkte ich ab und hoffte, diese seltsame Atmosphäre würde bald verschwinden. „Das können wir zu unserem Vorteil nutzen." Er schnaubte.

„Ich hätte nur nicht gedacht, dass du so lebensmüde bist.", murmelte ich und ließ mich auf meine Ellenbogen sinken. Ich starrte auf seinen Rücken und malte mir die unterschiedlichsten Szenarien aus. Es war klar, dass Sam angefangen hatte. Er hatte eine große Klappe und wusste nie, wann man sie hält. Und Lee reagierte nur, wenn er herausgefordert wird.

Er wird nur brutal, wenn jemand eine Grenze überschreitet. Ich konnte mich noch gut an die Wut in seinen Augen erinnern, als er dachte, ich hätte Sadie belästigt. Er war bereit mich in Stücke zu reißen, nur, um seine Leute zu beschützen. Lee Schultern sanken zusammen. „Ich weiß, du glaubst mir nicht, aber das war wirklich nicht geplant."

Ich glaubte ihm aufs Wort.

„Was ist passiert?", fragte ich, weil ich beim besten Willen nicht wusste, was ihn so aus der Fassung gebracht hat. „Hat er deine Familie beleidigt?" Seine Schultern verspannten sich, als die entfernten Geräusche der Party unsere Stille untermalten. Ich dachte nicht mehr, dass er mir antworten würde, als er es schließlich doch tat. „So etwas in der Art.", nuschelte er, kaum verständlich.

„Ist ja auch egal", ich richtete mich auf und klopfte auf die Motorhaube, auf der wir saßen. „Lust auf ne Spritztour?"

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Ich streckte meine Hand aus dem Fenster und sprühte den Fahrtwind, wie er meine Haut umstreicht. Die Musik aus dem Radio dröhnte laut in meinen Ohren, während der Motor des Lamborghini brummte. Es war 2 Uhr morgens, vor uns eine verlassene Straße und keiner der irgendwas von uns erwartete. Wir waren frei. Ich beobachtete, wie die Lichter der Stadt vor meinen Augen verschwammen, als würde selbst die Realität, in dieser Nacht ihre Pflichten ablegen.

Ein tiefes Lachen lenkte meine Aufmerksamkeit zu ihm.

Mein Kopf war von der Geschwindigkeit tief in den Sitz gedrückt und meine Haare peitschten durch mein Blickfeld und doch war sein Bild klar vor mir. Das einzig konstante in diesem Rausch von Farben. Der Wind ließ seine Locken tanzen und gab den Blick auf sein Gesicht frei.

Während er den Wagen lenkte, erlaubte ich mir ihn zu betrachten. Ich studierte den leichten Schwung seiner Nase und die Art, wie seine Lippen aussahen, wenn er lächelte. Denn das tat er. Er hatte ein breites Grinsen im Gesicht, welches mich nicht mehr loszulassen schien. Seine scharfen Wangen-Knochen und die dunklen Augen. Alles an ihm war mir mittlerweile so vertraut. Aber heute Nacht ...

War er schon immer so verdammt wunderschön gewesen?

Irgendwas stach in meiner Brust, als ich mich zwang den Blick abzuwenden. Was zum Teufel tat ich hier eigentlich? Ich beobachtete wie meine Finger durch die Luft geleiteten und entschied mich es auf diese Nacht zu schieben. Alles war anders, aber morgen würde es wieder sein wie immer. So war es einfacher.

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Ich stopfte mir noch mal eine Handvoll Pommes in den Mund und hielt mein Handy über Lee, sodass er ebenfalls das Bild sehen konnte. Wir waren auf einem verlassenen Raststätten-Parkplatz außerhalb der Stadt. Ich wusste nicht, wie lange wir gefahren waren, bevor wir uns ein paar Fast-Food-Burger geholt und dann auf der Motorhaube des Wagens ein kleines Picknick veranstaltet hatten. Der Motor war jedenfalls noch warm unter unseren Rücken.

Lee drehte den Kopf, um zu sehen, was ich ihm zeigte. Er schnaubte. „Naja, wenigstens haben sie einen schönen Abend." Seine Schwester hatte auf Instagram ein Bild von ihnen gepostet. Zu sehen war eine grinsende Sadie mit Moe, der einen Arm um sie gelegt hatte. Lily drückte einen Kuss auf seine Wange. Im Hintergrund konnte man tanzende Leute in teuren Kleidern sehen. Wir hätten definitiv zu dieser Spendengala gehen sollen.

Ich stieß ihm in die Seite. „Hey, so schlimm war es doch gar nicht."
Er sah zu mir und hob skeptisch eine Augenbraue. „Ich wurde heute von zwei verschiedenen Leuten als Spielzeug bezeichnet. Wurde vor geführt wie ein Tier im Zirkus und von nem Bodyguard verprügelt, der nach Senf gerochen hat." Ich stieß ein kurzes Lachen aus. „Ok, hast gewonnen."
Er drehte den Kopf zu mir und plötzlich war alles, was uns trennte wenige Zentimeter kühle Nachtluft.

„Aber sonst war es gar nicht so übel."

Bad Influence [BxB]Where stories live. Discover now