66| Göttliche Bonbons

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Castle
Halsey

Killian

Unruhig setzte ich den Blinker, als er mir sagte, wo wir lang mussten. Ich spähte zu ihm herüber und merkte wie er nervös an seiner Unterlippe kaute. „Sagst du mir jetzt, wen wir besuchen, oder Ende ich gleich in einem True-Crime-Podcast?" Er schnaubte, aber seine Nervosität blieb.

Wir fuhren eine Weile in Stille bevor er sich entschloss zu reden.

„Weißt du eigentlich, dass mein Dad kein geborener Coldwell ist?", begann er und ich richtete mich ein Stück auf. Ich ahnte, dass da mehr dahinter steckte. „Er ist in unser Familienunternehmen eingeheiratet. Das heißt, meine Mutter war die eigentliche Coldwell-Erbin. Sie war das einzige Kind meines Großvaters und sein ganzer Stolz.", er stockte. Er sprach sonst nie über seine Mutter und ich fragte mich, was für eine Art von Person sie war.

„Sie hat ihn geheiratet und sie haben das Unternehmen zusammen geleitet... Bis sie krank wurde." Er fuhr sich müde über das Gesicht. Die Worte schienen ihm schwer zu fallen und ich ahnte das ich der erste wahr dem er das jemals erzählte. „Dad übernahm vorübergehend das Geschäft, aber es wurde immer schlimmer."

Ich ließ ihn erzählen. Selbst wenn, wüsste ich nicht was ich sagen sollte.

„Der Großteil der Welt nimmt an, sie ist gestorben." Ich hielt die Luft an. „Aber das ist sie nicht. Nachdem es immer schlimmer wurde, hat er sie zu Spezialisten gebracht und die Firma endgültig übernommen. Er hat sie abgeschoben, Lee.", seine Augen glühten Hass erfüllt und erinnerte mich an den Ezra, den ich damals im Diner kennengelernt habe. So voll von Abscheu gegenüber seines Vaters.

„Die Welt denkt, dass sie nicht mehr existiert, weil er das so will. Er hat sie praktisch ausradiert. Er hat ihr Lebenswerk, all die Arbeit, als sein Werk dargestellt und sie zum Sterben weggebracht in dem Vorwand, dass es besser für sie wäre. Er hat ihr alles genommen und so getan als wären wir die perfekte kleine Milliardärsfamilie. Jeder Fehler, jede Schwäche wurde einfach verschleiert und versteckt. Dieser-!", er wurde immer lauter bis er abrupt abbrach.

Er wandte den Kopf ab und sah aus dem Fenster.
„Für ihn war der Ruf schon immer wichtiger als die, die er eigentlich lieben sollte." Die Stille, die darauf folgte, war eisig.

„Deine Mom." , atmete ich. „Wir fahren zur ihr?"
Er nickte, während ein Muskel an seinem Kiefer zuckte. „Ich will, dass du sie kennenlernst, bevor wir morgen zu diesem Essen gehen." unruhig tippte ich auf dem Lenkrad herum. Er hatte mich schon seinem Vater vorgestellt, aber der galt nicht. Sein Dad war ein Wichser!

Aber seine Mom hingegen...
Ich sah an mir hinab, ich trug nur eine Jeans und ein T-Shirt mit Ölflecken. „Bist du dir da sicher?" Er wollte mich anfänglich als seinen Freund vorstellen, weil sein Vater vor Wut tot umfallen würde. Und nun wollte er mich zu seiner kranken Mutter bringen?

Er warf mir ein schwaches Lächeln zu. „Ganz sicher." Ich sah mich selbst eine Weile im Rückspiel an. Ich weiß, dass ich nicht gerade aussah wie ein junger freundlicher Mann. Ich hätte mir wenigstens eine Jacke mit nehmen sollen, damit ich meine Tattoos verstecken könnte. Meine Haare sahen auch so aus als hätte ich mich ewig nicht mehr gekämmt. Zudem habe ich nichts dabei. Bei uns galt es als unhöflich, nichts mitzubringen, wenn man jemanden besuchte.

Frustriert atmete ich durch die Nase. Irgendwas in mir wollte unbedingt, dass sie mich mochte. Es wäre schön gewesen eine Vorwarnung zu bekommen, sodass ich mich entsprechend darauf vorbeireiten hätte können.

Es fühlte sich an, als würde ich unbewaffnet in eine Schlacht stürmen.

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Nach 1 Stunde fahrt, erreichten wir einer Art Pflegeheim. Aber es erinnerte eher an ein Resort oder ein Luxushotel. Wir fuhren ewig durch Wald bis wir an einen See kamen. Auf diesem Gelände residierte Ms Coldwell also schon seit dem Ezra 8 war.

Es war ein riesiges Gebäude aus Holz mit moderner Architektur, riesigen Fenstern. Als wir den eleganten Eingangsbereich betraten, roch es wie in einem Krankenhaus mit teurem Lufterfrischer. Ich, erstaunt von diesem seltsam teuer aussehenden Ort, ging ein paar Schritte hinter Ezra, als dieser mit einem freundlichen Lächeln zu der jungen Frau ging, die hinter der Rezeption saß.

Als sie Ezra sah, hellte sich ihr Gesicht auf, „Ah guten Tag, Mister Coldwell!"
Da stand ein Becher voll mit orangen Bonbons, auf den ich zufällig schielte. „Schön sie zu sehen, Marie." Marie? Ich schnappte mir eins der Dinger und steckte sie mir in den Mund während ich die Rezeptionistin eingehend musterte. Sie war etwa in unserem Alter und - verdammt, was waren das bitte für Süßigkeiten? „Schön, dass sie gekommen sind." Ich nahm mir eine Handvoll der Bonbons, als sich ihr Blick plötzlich auf mich richtete. „Und sie haben Besuch mit gebracht." Ich ließ die Bonbons langsam in meiner Tasche verschwinden, ohne den Augenkontakt abzubrechen. Ezra warf mir einen kurzen Blick zu.

„Ja, das ist mein Freund. Killian Green." Ihr Lächeln blieb professionell höflich, und ich begann ebenfalls zu lächeln. „Freut mich Mister Green.", dann wandte sie sich wieder Ezra zu. „Sie wird sich freuen, sie zu sehen. Heute ist ein guter Tag. Sie können gleich durch." Er nickte knapp, bedankte sich und ging in Richtung Aufzüge. Als wir auf diesen warteten, sah er mich scharf an. „Du weißt, ich kann dir Bonbons kaufen, wenn du welche möchtest." Ich drückte die Schultern durch und sah weiter auf die geschlossenen Türen. „Hast du die Dinger mal probiert?"
„Nein." Ich nickte. Das heißt er hatte Zugang zum Nektar der Götter, und das schon seit Jahren, und er hat es nie gekostet. „Sie sind göttlich.", sagte ich und der Aufzug kam bei uns unten an.

Ein leises Ping, als die Türen auseinandergingen.

Gerade, als ich die Kabine betreten wollte, packte er meinen Arm, drehte mich zu sich um und küsste mich. Erst als er sich wieder von mir löste, merkte ich, dass er mir gerade das Bonbon gestohlen hatte. Er strich mir eine Locke hinter die Ohren und legte den Kopf schief. „Hast recht. Echt gut."

Ich sah ihm perplex hinterher, als er Einstieg bevor ich ihm folgte.

Beleidigt packte ich ein weiteres aus, als sich die Aufzugtüren wieder zu schließen begannen. Gott sei Dank, hatte ich noch einen Vorrat.

Bad Influence [BxB]Where stories live. Discover now