85| Der leichte Weg raus

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Can't Pretend
Tom Odell

Killian

Ich lehnte vor dem Eingang an der Wand des Krankenhauses. Eine Zigarette wanderte nervös zwischen meinen Fingern hin und her. Ich würde sie nicht anmachen. Nicht, wenn mein kleiner Bruder dort oben kaum atmen konnte.

Dennoch brachte mich dieses Gefühl um, und der Drang irgendetwas zu tun, ließ mich nicht los. Ich hatte die Nachricht bereits abgeschickt und wartete nur auf die Details für das nächste Rennen. Ich hatte ihnen Allen versprochen, es in nächster Zeit erstmal sein zu lassen. Allein schon wegen der Sache mit Moe. Aber wir brauchten Geld. Und das dringend.

Ich war auch noch so dämliche gewesen und hatte Ezra das Notfallgeld gegeben. Ich hatte es monatelang für genau so etwas gespart. Ich würde mehr als ein Rennen fahren müssen. Ich stieß meinen Kopf gegen die kalte Mauer. Fluchte in die kalte Abendluft.

Ich stopfte gerade den Stumpf zurück in meine Schachtel, als mein Telefon klingelte. Ich sah hinab auf das Display und hob die Augenbrauen. Normalerweise schickte mir Nick nur, was ich wissen musste, er rief mich nie an. Ich nahm ab. „Hallo?"

„Green.", erklang es am anderen Ende der Leitung und ich erstarrte. Es war nicht Nick. „Cash", fluchte ich und er lachte leise. Ich hatte nicht erwartet, denn Boss in der Leitung zu haben. „Na, da ist jemand froh, mich zu hören. Aber ich nehme es dir nicht böse. Habe gehört, deine Familie ist gerade in einer schwierigen Lage." Ich erstarrte.
„Woher weißt-"
„Dieser Teil der Stadt gehört mir praktisch, Junge. Das solltest du langsam wissen."

Ich biss mir auf die Lippe und starrte auf den Kies, der unter meinen Sohlen scharrte. „Was willst du?" Ich war wirklich nicht in der Stimmung für seinen Scheiß. „Hab gehört, du bist beim nächsten Rennen wieder dabei. Freut mich, dass dich Moes hübsches Gesicht nicht ganz abgeschreckt hat." Als hätten sie mir nie dasselbe angetan. Ich schnaubte und beobachtete, wie ein älteres Ehepaar das Krankenhaus verließ. „Willst du mir etwa Glück für heute Abend wünschen?", höhnte ich und spürte die Wut in meiner Magengrube.

Ich hatte mit Nick noch eine Rechnung offen. Also wenn er vorhatte, mir wieder eine Warnung zu geben, würde er sich auf einen Kampf gefasst machen müssen. Ich hörte sein rauchiges Lachen. „Glück könntest du brauchen, nicht wahr? Sieht gerade eng bei euch aus. Übrigens, mein Geld wird auch bald fällig." Ich legte meine Hand auf die Mauer. Versuchte nicht zuzuschlagen.

„Du weißt, was du tun musst, wenn ich dir helfen soll, Killian.", erklang er ernst. Ich kniff die Augen zusammen, zwang mich, ihn nicht zur Hölle zu schicken. „Ich könnte eure kleine Krankenrechnung bezahlen." Meine Atmung stoppte. Mein Kopf schwirrte.

Es war ein einfacher Ausweg. Dennoch... Ich hatte es ihnen Allen versprochen. Es war immer noch Cash. Ich würde ihm nicht mein Leben verkaufen. Ich war nicht Dad.

„Damit ich für den Rest deines Lebens deine kleine Trophäe bin? Damit du mit mir angegeben kannst?", zischte ich. Ich wusste, dass ich sein bester Fahrer war. Ich verlor nie ein Rennen. Und dass ich nicht einer von ihnen war, dass er keine Kontrolle über mich hatte, machte ihn wahnsinnig.

Ich beobachtete, wie der ältere Herr seiner Frau in den Wagen half. „Es muss nicht für immer sein." Er drückte ihr einen Kuss auf den Scheitel, bevor er die Autotür schloss. Ich wandte den Blick ab.

„So wie du Moe gehen lassen wolltest? Er hat seine Schulden abgearbeitet.", warf ich wutentbrannt ein. Moe hatte alles getan, was man von ihm verlangte. Er hatte immer brav den Laufboten gespielt. War einer der besten Dealer. Musste zusehen, wie sich junge Menschen vor seinen Augen zu tote dosierten. Nahm die Schuld ihrer Sucht auf sich. Tag für Tag.

Hasste sich für jede Plastiktüte ein Stückchen mehr.

Cash lachte lauthals auf und meine Faust landete auf der Mauer. Schmerz fuhr durch meine Knöchel, aber das war mir egal. Ich würde ihm das Lachen aus dem Gesicht schlagen. „Natürlich. Dieser sture Junge.", sagte er mehr zu sich selbst und ich wurde hellhörig. „Er hat's dir echt nicht gesagt? Tsk."

Ich blinzelte. Ahnte, was jetzt kam.
„Ich hätte ihn gehen lassen. Hätte dem Kleinen sogar die Tür auf dem Weg nach draußen aufgehalten. Es gab nur eine kleine Bedingung." Ich schloss die Augen. Schüttelte den Kopf.

Fuck, Moe! Du scheiß Drecksack.

„Wenn er dich ins Team holt, wäre er frei. Ich dachte eigentlich, es wäre eine Leichtigkeit für ihn, so wie nahe ihr euch doch zu stehen scheint. Ich dachte, er würde sofort zu dir rennen und dich anbetteln. Aber du kannst dir ja anhand seines Gesichts denken, was passiert ist." So wie ich Moe kenne, hat er Nick wahrscheinlich ins Gesicht gespuckt.

Er war ja so verflucht dämlich. Er hätte es tun sollen. Er hätte meine Antwort gewusst.

Meine Faust rutschte an der kalten Mauer hinab. Ich war auf einmal schrecklich müde. „Aber vielleicht hätte ich die Sache anders angehen sollen", fuhr Cash fort. „Weißt du, ich hab heute einen guten Tag, Green."

Ich stieß mich ab, ging ein paar Schritte, wartete.
„Also... Morgen Abend findet ein Rennen statt. Gewinn das Ding und finde mich danach. Wenn du auftauchst, zahl ich die Behandlung für den jüngsten Green und dein kleiner Freund kann gehen, wohin er will. Wenn du erscheinst, bist du drin, Killian. Klingt das nicht verlockend?", säuselte er und wartete auf meine Antwort.

Ich schwieg, mein Herz klopfte viel zu laut, als dass ich meine eigenen Gedanken noch würde hören können.

Moe wäre frei. Silas wäre sicher. Alle wären glücklich.

Cash seufzte ergeben. „Ich hoffe, du weißt meine Großzügigkeit zu schätzen. Wir sehen uns." Das Tuten der Leitung riss mich aus meiner Schockstarre.

Ich ließ mein Handy zurück in meine Jackentasche gleiten. Ich starrte eine Weile einfach nur über den Parkplatz, beobachtete wie die Sonne den Himmel orange färbte.

Tausende Male hatte ich seinen Deal ausgeschlagen. Hunderte Male, musste ich Sadie versprechen niemals so weit zu gehen, egal wie misslich die Lage gerade aussah.

Aber... Ich sah nach oben, versuchte das Zimmer zu Silas Zimmer zu finden. Moe und Lizzy waren gerade zurückgekommen mit einer großen Tüte Fast Food. Weiße Rauchwolken verließen meinen Mund, als ich in die kalte Luft ausatmete. Ich kannte meine Antwort bereits.

Es ging um Silas, um Moe, um alle anderen. Was war mein Leben, meine Zukunft, schon im Vergleich zu ihren? Ich war für sie verantwortlich, für sie alle. Ich würde sie beschützen, was auch immer es kosten mag.

Ich betrat das Krankenhaus, ging zurück zu den anderen. Ihre Stimmen schlugen mir bereits auf dem Flur entgegen. „Magst du meine Gurken?"
„Seh ich so aus?"
„Reid, magst du meine Gurken?" Ein ergebenes Seufzen. „Gib schon her."
Ich lehnte mich gegen den Türrahmen und beobachtete sie alle.

Silas lag mit einem schwachen Lächeln und halb geschlossenen Augen in dem viel zu großen Krankenbett. Der Rest hatte sich im Raum verteilt. Moe, seine Backen voll mit Pommes, saß am Boden und sah Lizzy wütend an, die sich gerade ein paar seiner Pommes klauen wollte. „Nimm dein eigenes Essen, Zwerg."
„Theoretisch ist das Reid's Essen.", entgegnete sie und klaute sich noch zwei. Mein Bruder nickte zustimmend. „Schließlich hat er es gezahlt!"

Schließlich hat er es gezahlt.", äffte Moe nach und warf Reid einen bösen Blick zu. „Wenn du uns schon Essen kaufst, könntest du uns auch was Hochwertiges holen, Phil Dunphy!"
Reid schüttelte nur den Kopf. Er saß auf dem Stuhl neben Silas und hatte seine Beine übereinander geschlagen. „Du weißt, dass du nicht jede freie Minute reden musst. Es gibt sowas wie Stille." Sadie lachte leise in ihren Burger.

„Aber dann wäre es doch langweilig.", lachte Moe und sein Blick fiel auf mich. „Wo warst du so lange? Dein kalter Burger ist noch kälter geworden." Ich betrat den Raum und setzte mich zu den anderen, als hätte ich nicht gerade eine Entscheidung getroffen, die mein Leben für immer verändern würde.

Ich lachte mit ihnen, bis die Krankenschwester uns ermahnte. Und während ich sie so beobachtete, war mir klar, dass ich noch mehr für diese Familie aufgeben würde, als nur meine Freiheit.

Ich ließ meinen Blick durch den Raum wandern und realisierte erst 3 Sekunden später, dass ich nach einem blonden Haarschopf Ausschau gehalten hatte.

Bad Influence [BxB]Where stories live. Discover now