74| Beziehungen spielen lassen

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Ezra

„Was, wenn sie mich wirklich rausschmeißen? Was soll ich dann machen? Keiner wird jemanden einstellen, der wegen Drogenbesitzes von der Schule geflogen ist!", brabbelte Sadie. Wir hatten sie in die Bibliothek gebracht, in eine abgelegene Abteilung wo wir unsere Ruhe hatten. Nach dem Sadie ihre Probe abgeben hatte, war sie ein einziges nervöses Wrack.

Sie saß am Boden, ihre Hände zitternden. Ich ging auf und ab, die Szenen spielten immer wieder in meinem Kopf. Mein Vater der auf dem Gelände herumschlich und ein paar Stunden später wird Sadie Drogenbesitz vorgeworfen? Das konnte kein Zufall sein!

Aber warum sollte er so was tun? Das ergab keinen Sinn. Sadie hatte nichts hier mitzutun, abgesehen das sie uns beide kannte. Aber ihr Leben zu zerstören hatte keinen Vorteil für ihn. „Hast du eine Ahnung, wer diesen anonymen Tipp abgegeben haben könnte?", fragte Moe und reichte ihr eine Wasserflasche.

Sadie lehnte ihren Kopf an die Bücherregale und schien nachzudenken. „Bestimmt war es Susan Hold! Seit dem einen Vorfall am Gang hat sie es auf mich abgesehen! Sie hat mir sogar mal gedroht, sie würde mich fertig machen. Außerdem zieht sie ständig Lines auf dem Mädchenklo." Moe knackte mit den Knöcheln. „Die Schlampe mach ich fertig." Annie drückte Moe wieder auf den Boden, bevor er aufstehen konnte und eine Dummheit begang.

Sadie schloss gequält die Augen. „Ich fass es nicht, dass das wirklich passiert. Und sogar so knapp vor dem Abschluss." Annie strich ihr aufmunternd über den Arm. „Wir sind für dich da, das weißt du, oder?" Sie ließ ihren Kopf auf ihre Schulter sinken. „Mr Lorrington meinte, er würde mich anrufen, sobald der Elternbeirat eine angemessene Bestrafung beschlossen hat. Sie soll erst heute Abend stattfinden, deswegen darf ich wahrscheinlich den halben Tag zittern."

Wir schwiegen betreten. Plötzlich schien ihr ein Gedanke zu kommen. „Kein Wort zu Lee!"
„Was?"
„Ich meine es ernst!", sie griff nach meiner Hand und sah flehend zu mir auf. „Zu keinem aus meiner Familie." Ich schüttelte sanft den Kopf. „Sadie, sie-"

„Sie können sowieso nichts tun! Und Lee würde ausflippen, wenn er davon erfährt! Und ... er ist gerade so glücklich." sie atmete tief durch bevor sie wieder zu mir aufsah. „Heute Abend wird es sich entscheiden. Vielleicht kann ich einfach weiter machen wie zuvor, aber wenn nicht, reicht es auch, wenn ich es ihnen dann sage. Erst wenn ich Gewissheit habe wie es weiter geht, okay?" Verstehend nickte ich und sie ließ meine Hand los. Dann deutete sie auf Moe. „Du auch!", forderte sie ihn auf und er verzog das Gesicht.

„Du weißt, dass ich nichts vor ihm geheim halten kann! Der Mann knackt mich binnen Minuten."
„Versprich es, Moe! Kein Wort zu Lee.", forderte sie streng und er ließ den Kopf hängen. „Gut.", er ergab sich. „Ich verspreche es."

Ihre Schultern sackten nach unten, als wäre eine ihr eine Last von den Schultern genommen worden.

Ich musste unbedingt mit Dad reden bevor diese Veranstaltung heute Abend stattfand. Er war nämlich der Vorstand dieses beschissenen Beirats und ich hatte das ungute Gefühl, dass er seine Finger irgendwie im Spiel hatte.

Ich sah zu Sadie, die ihre Hände zwischen dir Beine klemmte, damit sie aufhörte zu zittern. Mir war mein Stolz egal, ich würde vor ihm auf die Knie fallen und betteln, wenn es sein muss.

„Gott, was mach ich nur, wenn sie mich wirklich rausschmeißen?", hauchte sie und irgendwas in mir brach. Ich kniete mich vor ihr nieder und nahm sanft ihre Schultern. Sie hob den Kopf und ich sah in ihre blutunterlaufenen Augen. „Du wirst nicht rausgeschmissen, ist das klar!"
„Das kannst du nicht-"
„Meine Familie hat diese Schule praktisch gekauft. Ich werde einfach ein paar Kontakte spielen lassen. Für irgendwas muss der Coldwell Name ja gut sein.", versprach ich und ihre Augen wurden erneut nass.

„Ich werde das nicht zulassen, okay? Da müssen sie erst an mir vorbei.", versprach ich und sie schlang ihre Arme um meinen Hals. Sie zog mich in eine feste Umarmung. „Und an mir!", unterstützte Moe. „Auch wenn ich wahrscheinlich nicht so viel ausrichten kann wie Ezra."

„Danke Leute wirklich. Ich wüsste nicht, was ich ohne euch tun würde."

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Ich fand meinen Vater in seinem Büro. Er stand am Fenster, die Hände hinter seinem Rücken verschränkt. „Warum warst du heute in der Schule?" Die Tür fiel donnernd ins Schloss.

„Begrüßt man so seinen Vater?" Er drehte sich nicht um. Sein Rücken war gerade, aufrecht, und hielt die Autorität eines Generals, bereit einen Untergebenen seinen Platz zu zeigen. Ich spannte mich an. Lauerte. „Warum warst du heute in der Schule?", fragte ich erneut.

Er drehte sich um und setzte sich. Als hätte er alle Zeit der Welt, sah er mich an. „Ich bin der Vorstand des Elternbeirats, Ezra. Außerdem interessiere ich mich für die Bildung meines Sohnes." Meine Fäuste landeten auf seiner Tischplatte bevor er das letzte Wort ausgesprochen hatte.

„Hör auf mit dem Schwachsinn!", knurrte ich wütend. Sadie stand kurz vor einer Panikattacke. Ihre komplette Zukunft stand auf dem Spiel, und er saß hier vor mir, als hätte er keine Ahnung, wovon ich redete. „Natürlich", begann er und tippte auf die Tischplatte. „Habe ich von dem Skandal gehört," Tipp. Tipp. „Den deine kleinen Freunde fabriziert haben." Tipp.

Ich versuchte ruhig zu bleiben. Es würde nichts bringen, wenn ich vor ihm die Fassung verlor. „Sie ist unschuldig.", sagte ich und er sah mich wissend an. „Ist sie das?"

Ich richtete mich auf. Atmete, als mich die Gewissheit bis auf die Knochen flutete. Er war es. Er hat das getan. „Wieso?", fragte ich, weil das alles für mich keinen Sinn ergab.

Es war doch nur Sadie. Das Mädchen, dem Schule wichtiger war als jedem von uns. Die alles bis auf den letzten Moment plante, damit auch ja nichts schiefging. Die ihre Familie vom Boden aufkratzte, zusammen nähte, sich kümmerte und wieder aufbaute. Ein Kind, das sich Sorgen machte. Es war doch nur Sadie.

„Ich glaube sie kann etwas Großes werden, du nicht auch? Sie ist ein anständiges Mädchen und ich denke, die anderen Eltern werden das auch so sehen.", er seufzte tief und ich wusste was jetzt kam.

Der Grund warum ich hier war, viel mir nun wie Schuppen von den Augen. „Es wäre eine Schande. Schließlich hat sie nichts Falsches getan, was meinst du, Ezra?"

Ich war bereit zu betteln, wenn es das gewesen wäre, was er wollte. Ich war bereit vor ihm auf die Knie zu fallen und jeglichen Stolz, jeglichen Hass, runterzuschlucken.

Für meine Familie. Für meine wirkliche Familie.

Der einzige Fehler, den Sadie jemals in ihrem Leben gemacht hatte, war mich zu akzeptieren. Es war meine Schuld. Allein meine.

Meine Hände rutschten von der Tischplatte, als ich meinen Rücken durch drückte. Etwas Eisiges rannte durch meine Adern, als mir bewusst war, was nun folgen würde. Er grinste wissend.

„Was muss ich tun?"

Bad Influence [BxB]Where stories live. Discover now