45| 5 Sekunden

6.1K 481 17
                                    

Killian

„Nun, ja jedenfalls muss ich mir wahrscheinlich einen neuen kaufen."
Ich hörte sie, aber im selben Moment doch nicht. „Hm, kannst du mir mal die Kartoffeln reichen."
„Rate mal, wer heute in die Tankstelle kam?"
„Wer?"
„Wahrscheinlich nicht Elvis Presley."
Ich stocherte lustlos in meinen Bohnen, während meine Familie über ihren Tag redete.

„Lee." Ich sah auf und begegnete Lizzys Blick. „Ich versuch jetzt schon zum dritten Mal dich zu erreichen." Ich kratzte mich am Hinterkopf und legte meine Gabel zur Seite. „Sorry." Ich war schon den ganzen Tag irgendwie neben mir. Nein, wenn ich ehrlich war schon die ganze Woche.

Sie runzelte die Stirn. „Jedenfalls wollte ich wissen, ob Ezra zu meinem nächsten Spiel kommt." Die anderen Gespräch am Tisch verstummten ebenfalls und ich spürte ihre Blicke auf mir. Ergeben seufzte ich.

„Ich weiß es nicht, Liz. Da musst du ihn selber fragen." Als nach ein paar Sekunden immer noch stille herrschte, sah ich auf. Ihre besorgten Gesichter regten mich langsam auf.

„Es ist alles ok, Leute."
Reid schnaubte am Ende des Tisches. „Ja, sicher. Seit dieser Scheiß Gala läufst du rum wie ein Zombie und keiner weiß, was zwischen dir und deinem Freund passiert ist."

Es war gar nichts passiert. „Ein dummes Missverständnis.", sagte ich und wollte endlich meine Bohnen in Frieden essen.

„Wenn du das sagst." Erfreut stellte ich fest, dass sie ihre Gespräche wieder aufnahmen und sie wie die vergangen Tage meine schlechte Laune einfach hinnahmen.

Ich sah auf meinen Teller. Ich hatte auf einmal keinen Hunger mehr.

________________

Ich lag in meinem Bett und starte auf mein Handy. Er wollte also reden? Schön. Wahrscheinlich ging es um das nächste Treffen. Die nächste Miete war sowieso bald fällig.

Ich legte mein Handy zur Seite und starrte an meine Zimmerdecke. Es war spät, aber ich war noch kein Stück müde. Eher im Gegenteil.

Warum hatte er mich nur geküsst? Es war alles gut gewesen, vor diesem bescheuerten Kuss! Und warum...?

Wollte er einfach ein wenig Spaß? Oder ...
Nein, ich würde erst gar nicht diesen Weg gehen. Es war klar, was er von mir hielt.

Es war klar, wofür er mich brauchte. Und das war auch von Anfang an klar gewesen. Ich hatte keinen Grund sauer zu sein. Er hat mir nie etwas anderes versprochen.

Ich drückte meine Hand auf meine Augen.

Es war meine eigene Dummheit, die mich verletzt hatte. Was hatte ich den erwartet?

Ich wollte das alles doch gar nicht! Er bedeutet mir nichts. Ja, ich wollte auch einfach nur Spaß, also warum habe ich nicht einfach sein scheiß Geld genommen.

Aber irgendwas in mir zerrte ekelhaft und ließ mich einfach nicht frei atmen.

______________________

Ezra

Ich konnte nicht frei atmen.
Shit.
Ich zog an meiner Krawatte als die Tür zu meinem Apartment ins Schloss fiel. Alles war zu eng, zu warm ... zu viel.

Aber ich hatte überlebt, oder nicht? Das Anschreien, das Chaos. Dads enttäuschte Blicke und die Vorwürfe. Warum fühlte es sich dann so an als würde ich sterben?

Ich taumelte in die Küche, goss mir ein Glas Wasser ein, krallte mich an die kalte Platte. Mein Kopf dröhnte und ich fuhr mir über die Schläfen.

Vielleicht hatten sie recht? Meine Atmung kam abgehakt und ich griff mir an die Brust. Ich war doch nur, was sie sagten.

Die Enttäuschung
Der Fehlschlag
Die Schande

Die Küche war dunkel vor mir, ich nahm sie kaum noch wahr. Ich starb, aber eine Stimme in meinem Kopf sagte mir, dass es wahrscheinlicher nur eine Panikattacke sei.

Ich übertrieb also nur. Ich führte mich auf, obwohl es mir gut ging. Gott, ich war ein Schwächling. Konnte nicht mal richtig Atmen. Was kann ich eigentlich? Nichts, nichts, nichts.

Ich griff an meinen Kopf, wollte einfach nur schlafen. Mein Keuchen verstummte und ich wurde ganze still. Meine Beine gaben nach und ich rutschte die Schränke entlang auf den kühlen Küchenboden.

Ich wusste nicht wie lange ich so da saß und es war mir auch egal. Ich hörte immer wieder Dads Stimme. Die Art, wie mich meine eigene Schwester darum bat, beim nächsten Mal doch nicht mehr zu kommen.

Sie schlossen mich aus. Dabei, war ich doch nie ein Teil von ihnen. Warum konnte ich es ihnen nie recht machen?

Ich klemmte meine zitternden Hände zwischen meine Beine, wollte mich selbst beruhigen. Aber es funktionierte nicht. Mein Herz, ich war mir so sicher, es würde gleich einfach aus meiner Brust springen und meine Sorgen mit sich nehmen.

Es zerrte, als wäre es lebendig und würde sich hinaus graben.

Ich legte meinen Kopf in den Nacken und starrte an die Decke. Ich war wieder allein.

Ich war wieder das kleine Kind, das Sachen in einem Schuhkarton sammelt, weil es Angst hat, dass es ihm weggenommen wird, wenn er den Ansprüchen nicht gerecht wird.

War wieder ein kleines Kind, das sich versteckte, wenn die Panik zu viel wurde.

Das sich versteckte, als es sich fühlte, als würde es sterben.

Ich hatte seit Jahren keine Panikattacke mehr gehabt, also wieso jetzt?

Ich wollte doch nur....
Ich will nicht allein sein. Kein verängstigtes Kind mehr sein.

Ich sah auf mein Handy, das ein paar Meter vor mir auf dem Boden lag. Es muss mir wohl aus der Tasche gefallen sein.

Es gab niemanden, denn ich um 3 Uhr morgens würde anrufen können, um nicht mehr allein zu sein. Niemanden, den es wirklich interessieren würde...

Aber ... Ich fischte nach dem Gerät bis meine zitternden Finger das kalte Metall umklammerten.

Würde er rang gehen? Er war der letzte Mensch der mich jetzt wohl gerade sehen will, aber die Frage ließ mich nicht los. Würde er rang gehen?

Er wäre angepisst, sauer, wütend...
Ich wählte die Nummer. Ich wusste nicht, was ich erwartete. Ich wollte einfach nur seine Stimme hören. Einfach nur das tiefe Brummen durch eine rauschende Leitung hören.

Es war albern. Ich sollte auflegen. Ihn nicht auch noch seinen Schlaf rauben. Er könnte mich beschimpfen, mir sagen, dass er mich hasst...

Aber ich wollte ihn nur hören.

Ich drückte das Gerät dicht an mein Ohr. Es begann zu tuten und ich gab ihm 5 Sekunden. In 5 Sekunden würde ich einfach wieder auflegen und so tun als hätte ich mich verwählt.

Lee brauchte nur 3.

Bad Influence [BxB]Where stories live. Discover now