81| Gute Schauspieler

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Ezra

Romeo erschien drei Tagelang nicht in der Schule. Zudem waren tiefe Schatten unter Sadies Augen zu sehen, was es mir unmöglich machte mich auf den Unterricht zu konzentrieren. Als Moe dann auch noch am 4ten Tag mit einem Gesicht, so blau, dass es zu seinen Haaren passte, wieder auftauchte, hatte ich Gewissheit.

Etwas war passiert und ich konnte nicht mal fragen was. Sie sahen mich an, als wäre ich ein Fremder, sobald wir uns in den Gängen begegneten. Ich sah, wie sie in den Pausen an ihrem Tisch saßen, ich eine Meile davon entfernt. Es juckte in meinen Fingern und ich wusste nicht, wie lange ich noch so tun konnte.

„Wie lange willst du denn da jetzt noch rüber starren, man?",fragte Tyler, der neben mir etwas aß, das aussah wie Lasagne, aber ganz sicher nicht so schmeckte. Ich hatte gar nicht gemerkt, dass mein Blick wieder zu ihrem Tisch gewandert war. Ich sah weg und antwortete ihm nicht.

Er seufzte und klopfte mir auf die Schultern. „Nächstes Wochenende ist wieder eine Party. Hast du Bock?" Ich schüttelte den Kopf. Moe lachte, als Annie begann, sein geschundenes Gesicht zu inspizieren. Er redete, als würde er eine witzige Geschichte erzählen, und ich saß zu weit weg, um sie zu verstehen. Aber ich könnte schwören, dass ihm der Name Lee entkam. „Was ist nur mit dir passiert, man?", fragte Tyler. „Früher hättest du nie so ein Event verpasst?" Er folgte meinem Blick und seufzte.

„Seit diesem Deal verhältst du dich seltsam. Ich dachte, du hast sie für ein Supermodel abgeschossen? Glaub mir, du hast die richtige Wahl getroffen. Die da drüben hätten dich irgendwann nach unten gezog-" Ich stand abrupt auf und ließ Tyler in der Mensa sitzen. Ich wusste nicht, wo ich hin wollte, nur raus da.

Wenn Moe so aussah, was war dann mit Lee? War er auch verletzt? Ging es ihm gut? Was zur Hölle war nur passiert? Ich stieß die Tür zur Herrentoilette auf. Die Bilder von Lee, verprügelt, in irgend einer dunklen Gasse...
Ich spritzte mir kaltes Wasser ins Gesicht, versuchte wieder klar zu denken.

Ich starrte in die dreckigen Toilettenspiegel und erkannte mich kaum wieder. Einzelne Tropfen liefen mein Gesicht hinab. Das blonde Haar wirkte fremd und die Sommersprossen waren fehl am Platz. Ich fuhr die Spur entlang, die seine Finger damals gezeichnet haben. Kassiopeia.

Seine Berührung war so vorsichtig gewesen, dass ich mich gefragt habe, was für Härte er erlebt haben musste, damit seine Berührungen so sanft waren.

Das Öffnen der Tür ließ mich Aufsehen. Moes Lächeln verblasste, als er mich an den Waschbecken sah. Er war gerade dabei umzudrehen und zu verschwinden als ich seinen Namen rief. „Warte!"

Er sah langsam zu mir, sein Blick eisig. Er trat ein und lehnte sich gegen den Ausgang. Wartete, dass ich sagte, was ich zu sagen hatte. „Machs kurz Coldwell. Ich muss zu Bio." Ich richtete mich auf, wischte mir die Tropfen vom Gesicht.

Ich fragte das Erste, was mir einfiel. „Was ist passiert?" Die Frage schien ihn zu verwirren. Er schnalzte mit der Zunge. „Bin gegen eine Tür gelaufen. Kann ich jetzt gehen, oder willst du weiter meine Zeit verschwenden?" Ich schluckte hart. Ich sollte das wirklich nicht fragen, aber die Ungewissheit machte mich fertig.

„Ist Lee", bei dem Namen verspannte er sich sichtlich. „Ist Lee auch gegen eine Tür gelaufen?", presste ich mit klopfenden Herzen hervor und studierte seine Reaktion. Zuerst sah er mich stumm an, dann kam ein fassungsloses Lachen über seine Lippen. „Du willst also nach all dem wissen, ob Killian auch so aussieht wie ich? Unfassbar." , er stieß sich von der Tür ab, kam ein paar Schritte auf mich zu.

„Warum willst das wissen? Ist dir dein Model zu perfekt? Willst du sein entstelltes Gesicht etwa wieder auf eine Titelseite bringen?", zischte er und in mir begann es zu rauschen. Sein entstelltes Gesicht? Hieß das...?

„Gehts ihm gut?", hauchte ich und konnte die Worte nicht stoppen. Wenn mein Dad davon erfährt, würde er... aber hier ist niemand. Nur ich und Moe. Sein Blick veränderte sich. Ich hatte ihn erst einmal so ernst gesehen, und zwar damals an jenem Abend, als ich von den Rennen erfuhr.

„Du hast kein Recht darauf, zu erfahren, ob es ihm gut geht! Nicht, wenn du der Grund bist, warum er es nicht ist!" Ich wich zurück, drückte meinen Rücken gegen das Waschbecken. Er verschränkte die Arme, als fände er die Reaktion belustigend.

„Es geht ihm gut, übrigens. Falls dein geheucheltes Interesse wirklich echt ist. Aber wir wissen ja beide, dass du ein verdammt guter Schauspieler bist." Ich rieb mir über die Stirn. Nur bis zum Abschluss. Wie ein Mantra hörte ich die Worte immer wieder in meinem Kopf. Das tatsächliche Schauspiel musste ich nur noch ein paar Wochen durchhalten.

Er schnaubte und drehte sich zum Gehen. „Ich dachte wirklich du bist besser, Coldwell." er öffnete die Tür, blieb aber erneut stehen. „Er sieht vielleicht nicht so aus wie ich, aber du hast ihn schlimmer zugerichtet, als die Männer, die mir das angetan haben.", und damit ließ er mich auf der Herrentoilette stehen.

Seine Worte hätten auch gut ein Schlag ins Gesicht sein können.

Als ich damals in das Büro meines Vaters ging, war ich bereit alles zu tun. Und das habe ich auch getan. Der Deal war eindeutig.

Kein Kontakt mehr, brich sein Herz, stell Audrey als deine offizielle Freundin vor und vergiss, dass das alles jemals passiert ist, oder Sadie würde wegen der Drogensache nicht nur von der Schule fliegen. Ich würde seine perfekte kleine Marionette werden.

Wenn er erfährt, dass ich mit ihnen redete, oder ihnen von den Bedingungen erzählte, oder irgendwie versuche davon zukommen, würde er dafür sorgen, dass Sadie ihre Zukunft vergessen konnte.

Aber der Abschluss war nur noch ein paar Wochen entfernt und dann hätte er nichts mehr in der Hand. Er würde etwas Neues finden, aber bis dahin würde ich ihm zuvor kommen. Ich hatte bereits einen Plan, alles, was ich brauchte, war Zeit...

Meine Hände umklammerten das kühle Porzellan und ich versuchte meine Atmung zu beruhigen. Nur noch ein paar Wochen, aber was, wenn bis dahin alles zu spät war?

Ich hatte alles verloren, und ich war mir nicht sicher, ob ich es schaffe, es zurückzugewinnen, wenn die Zeit reif ist. Ich fuhr mir über mein Kinn und sah erneut auf.

Real, huh?

Meine Faust landete auf meiner Reflexion und die Risse zogen sich nicht nur durch den Spiegel.
Klappernde Scherben verteilten sich auf dem Boden, als ich den Schmerz in meiner Hand spürte.

Ich begrüßte ihn, wie einen alten Freund.

Bad Influence [BxB]Where stories live. Discover now