1. Kapitel

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Den Schmerz zu lindern ist einfach. Woran viele scheitern, ist ihn zu spüren.

 Woran viele scheitern, ist ihn zu spüren

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18.11.2021

Mein Bleistift schmeckte nicht wirklich gut, um ehrlich zu sein, aber ich konnte mich einfach nicht auf meine Hausaufgaben konzentrieren. Mein Blick klebte an dem zerknitterten Mandala, das ich einst jemandem verschenkt hatte, als ich vier Jahre alt gewesen war. Dad hatte es mir gestern wiedergegeben. Mom tigerte unruhig durch die Küche und aß vereinzelt immer wieder etwas aus dem Topf, der auf dem Herd stand. 

Dad sollte eigentlich gleich nach Hause kommen, aber die letzten Tage war das nur selten der Fall gewesen. Auf der Station war leider immer mehr los. «Mom, kannst du mir kurz helfen?» Sie kam, aber sie wirkte sehr abwesend. «Worum geht's?» Ihr Blick mied meinen, doch ich ignorierte das einfach. Stress veränderte Menschen und ich konnte ihr hierfür nicht böse sein. «Hier, ich raff nicht, wie man auf dieses Ergebnis kommt. Warum streicht man das y?» Ich zückte meinen Radiergummi und war dazu bereit meine ganze, wahrscheinlich falsche Arbeit wieder zu zerstören, doch Mom stoppte mich. «Schau, wenn das hier so is-» 

«Ich bekomme die Krise.» Die Haustür schwang auf und Dad kam herein getrampelt. Sein Hemd war bereits halb offen, die Schuhe trug er nur noch halb und würde er ein Toupet tragen, hätte er es sicherlich bereits verloren. «Was denn? Ist etwas passiert?» Ich legte meine Sachen zur Seite und hörte zu. Mom und Dad waren Teil eines Systems, das sich für Kinder, die nichts haben oder vernachlässigt wurden, einsetzte. Sei es häusliche Gewalt oder eine Verhaltensstörung des Kindes, meine Eltern waren für alle da, gaben sich Mühe die perfekten Familien für diese Kinder zu finden und konnten auch schon vielen helfen. Schon in meinen ganz jungen Jahren war ich gerne dabei gewesen und hatte meine Zeit mit den Kindern verbracht. 

Und heute half ich schon bei seriöseren Themen mit, doch Mom und Dad scheuten sich sehr davor, mir einen vollen Einblick zu gewähren, denn man bekam nicht immer ganz moralisch korrekte Situationen zu Gesicht. Drogen, Gewalt und Misshandlung. Alles war dabei, was für mich und meinen Wunsch, hier mitzuhelfen bedeutete, regelmäßig zur Therapie zu gehen, um auch alles, was ich schlussendlich doch sah, gut verarbeiten zu können.

«Er ist ausgebüxt.» Dad schob den Barhocker neben meinen und setzte sich hin. «Schon wieder. Er hat sich nicht mehr bei der Station gemeldet und bei seinem Vater ist er auch nicht.» Es ging um Dario. Ich konnte mich nicht mehr genau erinnern, aber seine Akten und die seiner Mutter hatten mir genug erklären können.

Seine Mom Samantha Corrado hing schon länger im Teufelskreis der Drogen fest und genau deshalb wurde er ihr auch entnommen. Dasselbe war schon der Fall bei seiner großen Halbschwester gewesen, die nun bei ihrem Vater lebte. Dario wuchs auch bei seinem biologischen Vater auf, doch die beiden kamen anscheinend nicht wirklich miteinander aus, was dazu führte, dass Dario jetzt einfach immer wieder für paar Tage verschwand, sich dann kurz in der Station meldete, dort ein paar Sachen klaute und sich dann wieder vom Acker machte. 

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