Kapitel achtundzwanzig- Gemeinsam Frühstücken

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„ Nicht doch. Ich hab die Narbe schon gesehen." Andrea seufzte gerührt, kam dann um den Tresen herum und umarmte Stegi herzlich. Stegi wusste nicht, wie er sich im Moment fühlen sollte. Ein wenig war er überwältigt von der Überschwänglichkeit, hauptsächlich wusste er nicht, wie ernst es Andrea war. „ Willkommen zurück in der Familie Stegi.", sagte sie ruhig, während sie über Stegis Schulter Tim zunickte. Sie war sichtlich froh über seine Wahl und den gescheiten Zuwachs in der Rudelführung. „ Ist das wirklich ok für sie?" Man merkte Stegi nicht an der Stimme die Unsicherheit an. Es war der Fakt, dass Stegi Andrea siezte. Etwas, was er früher nie getan hatte. Andrea hatte ihm damals direkt das du angeboten. „ Stegi Schatz ehrlich? Du kannst mich duzen. Durftest du immer. Außerdem warum sollte es das nicht? Seit dem Anruf strahlt Tim. Du machst ihn zum glücklichsten Menschen auf diesem Planeten. Du hast immer zur Familie gehört Stegi und du wirst es auch immer tun." Sie löste sich von Stegi mit einem breiten lächeln. Stegi schien allerdings immer noch unsicher zu sein, wie er sich ihr gegenüber zu verhalten hatte. Das würde sich schon geben mir der Zeit, dachte Tim. „ Woher wussten sie, du... wusstest du das wir zwei gebunden sind?", stellte Stegi vorsichtig eine Gegenfrage, wobei er sich selbst korrigieren musste. Hatte ihn das so sehr eingeschüchtert? Doch die Antwort kam ihm nur Millisekunden später. Tim hatte sein Vertrauen zerstört. Zu sämtlichen Alpha. Und seine Mutter war Alpha. Selbst wenn sie eine Wölfin war und Stegi per se nichts tun konnte. Das änderte nichts daran, dass sie größer und stärker war als Stegi. „ Um eure beiden Hälse hängt ein Blinkschild mit gebunden." Tim schätze es, dass Andrea versuchte Stegi aufzulockern, indem sie mit ihm scherzte. „ Nein Spaß. Ich kenne meinen Sohn. Er hat dich immer geliebt. All die Jahre. Das konnte er nie gut verstecken. Als du den Raum betreten hast, hat sich der Kreis geschlossen." Natürlich. Gerade er war bei dem Thema wohl sehr durchschaubar. „ Warte mal. Mir fällt da was ein. Hatte da nicht jemand letzte Woche Freitag Geburtstag?" Oh nein bitte nicht. Stegi ahnte schon, dass da noch was kam und darauf hatte er weniger Lust.  „ Herzlichen Glückwunsch nachträglich Stegi. Alles alles gute und ganz viel Glück bei allem, was du anfasst.", erwiderte sie strahlend und umarmte ihn fest. Stegi ließ es und das Folgende mit einem kleinen Augenrollen über sich ergehen. Er wusste genau, was jetzt noch kommen würde. „ Danke." „ Du weißt, dass du mir an einem Kuchen nicht vorbei kommst? Ein achtzehnter ohne Kuchen ist ein no go." Jup da war es. Und er beschwerte sich nicht. Das konnte er ihr eh nicht ausreden und auf einen Kuchen mehr oder weniger kam es auch nicht an. Zumal Tim doch eh wollte, dass er ein bisschen zunahm. Mit diesen Worten verebbten die Gespräche. Stegi fing an in kleinen löffeln sein Müsli zu essen. Mit einem entschuldigenden lächeln schob Andrea ihm einen Stapel Papier zu. Morgendliche Arbeit. Tim nahm den Löffel in die linke Hand, tauchte ihn in die Schale ein. Sein Zeigefinger der rechten Hand fuhr Zeile für Zeile den Text nach, den er lesen musste, während er den Löffel zu seinem Mund führte. Ein Gesetzesentwurf für Gleichberechtigung. Zumindest entnahm er das den ersten paar Zeilen. Es war eine überarbeitete Version seines Entwurfs. Und eine erweiterte, mehr ausgearbeitete Version. Andrea hatte alles bis ins kleinste Detail ausgearbeitet. Etwas was Tim nie leicht gefallen war. Man musste so unglaublich viel beachten, jedes kleine Detail, jedes Wort konnte einem im Mund gedreht werden, wenn man nicht aufpasste. Auf Stegis neugierigen Blick schob er ihm das Papier zu, laß aber weiter. Er musste noch lernen. Sein Grundgedanke war aber gut gewesen. Schließlich musste es auch so formuliert werden, das Alpha nicht das Gefühl bekamen, dass sie an Macht über ihre Omega verloren und zustimmten. Das allein war unheimlich schwer. Stegi laß ebenfalls aufmerksam, schob ihm das Blatt aber wieder zurück. „ Also der Gedanke ist gut, aber in der ersten Zeile steckt schon eine Lücke. Wenn ihr die hinten raus nicht füllt, ist der Entwurf nutzlos." Tim stoppte abrupt. Sein Blick flog zur ersten Zeile. Er laß sie zwei, drei mal, doch er konnte keinen Fehler finden, keine Lücke. „ Wo denn, ich seh da keinen." Stegi tippte auf ein Wort in der Zeile. „ Lässt zu viel Spielraum. Formulier das präziser, sonst kann jeder es umgehen. Nimm etwas, was keinen Spielraum offen lässt. Sonst kann man bei einem Prozess alles sehr leicht im Mund herum drehen." Nun sah auch Andrea auf de Entwurf. Sie musste selbst zwei, drei mal lesen. Sie nickte anerkennend. „ Du hast recht. Erstaunlich. Der Entwurf ging durch drei Hände." Stegi war es ein einfaches Thema, mit dem er viel Erfahrung hatte. Die Hintertüren der jetzigen Gesetze kannte er in und auswendig. Zu tausenden hatte er diese Lücken als Rechtfertigung für Taten bekommen, die man ihm angetan hatte. „ Bei dem Thema bin ich sehr penibel. Gib mir das später mal, ich such nach Fehlern." Das glaubte er sofort. Am liebsten würde Tim jede von Stegis schlechten Erinnerungen auslöschen, die durch ihn verursacht wurden. Doch das konnte er nicht. Leider. Tim überflog gezwungen den Rest des Textes. Andrea verabschiedete sich noch während sie ihr Müsli löffelten. Sie hatten in Ruhe zu Ende gefrühstückt und dann noch aufgeräumt. Danach zog Stegi sich für ein paar Minuten mit dem Handy zurück, während Tim seinen Bruder versuchte wach zu bekommen. Nach einer halben Ewigkeit hatte Tim sich wieder zu ihm ins Zimmer bequemt. Stegi hatte das Handy weg gelegt, beobachtete Tim jetzt dabei, wie er aus der Jogginghose raus stieg und in eine Jeans schlüpfte. „ Hör auf zu starren Stegi. Dein Blick bohrt sich förmlich in meine Rückseite." Ertappt senkte Stegi den Blick, als Tim sich umdrehte und den Gürtel schloss. Tim trat auf ihn zu, küsste ihn dann noch mal. „ Los komm pack dein Schulsach und dann machen wir los. Finn braucht immer etwas länger." Seufzend erhob Stegi sich, packte seinen Rucksack und das Handy vom Bett. Der Tag würde interessant werden.

Teil 2 Bis zum letzten Atemzug// Aufblühende LiebeWhere stories live. Discover now