In den Armen des Mannes den ich einst hasste

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Talias Sicht:

Als sich die Türe das nächste Mal öffnete und Adrien keine Sekunde später im Zimmer stand, explodierte ich. Ich gab ihm noch nicht einmal die Chance seine nasse Jacke aufzuhängen oder zu fragen, was denn hier los war.
"Du!" Anklagend deutete ich mit dem Zeigefinger auf ihn. "Ich will eine Erklärung!"
Ruhig sah er mich an und zog ganz langsam seinen Mantel aus. Danach ging er ins Badezimmer und nahm sich ein Handtuch. Mit nackten Füßen tapste ich hinterher und ignorierte seinen drohenden Blick, als er sah dass ich nicht im Bett lag. Aber eins musste ich ihm lassen: Er sah verdammt heiß aus. Die nasse Haare fielen ihm ins Gesicht und seine blauen Augen blitzten darunter hervor.
Ich hatte das Gefühl, dass mein Puls anstieg und das Atmen schwerer wurde. Mein Mund wurde trocken.
Schnell schüttelte ich das Gefühl wieder ab und öffnete den Mund.
Bevor ich jedoch etwas sagen konnte, hatte er mich umgedreht und zurück in mein Bett kutschiert.
Empört stand ich wieder auf und funkelte ihn herausfordernd an.
"Du wirst dich jetzt in dieses Bett legen!", knurrte Adrien.
Ich lachte bitter. "Vergiss es." und mit diesen Worten schnappte ich mir etwas von der Kleidung die Cam mir in den letzten Tagen vorbeigebracht hatte und marschierte an ihm vorbei ins Bad.
Hinter mir verriegelte ich die Tür und entledigte mich meines Schlafanzuges, den ich schon vor Tagen gegen dieses ekelhafte weiße Nachthemd eingetauscht hatte.
Dann überprüfte ich ob meine Wunde auch richtig abgedichtet war und stieg - nach einer Ewigkeit - selbständig unter die Dusche.
Als das Wasser auf mich herunterprasselte, seufzte ich wohlig auf. Gott, hatte ich das vermisst.
Doch ein Klopfen an der Tür riss mich aus meiner Entspannung.
"Talia. Wenn du wirklich das machst, was ich denke, dass du machst, dann haben wir beide ein Problem junge Dame.", drohte er und klopfte an die Tür.
Ich ignorierte ihn und begann fröhlich zu Pfeifen.
"TALIA!", grollte er. "MACH SOFORT DIESE VERDAMMTE TÜR AUF!"
"Nein.", sang ich und wusch mir die Haare.
"Mach die Tür auf... ODER ICH TRETE SIE EIN!", warnte er und klopfte heftiger als zuvor gegen das dünne Plastik, dass uns trennte.
"Entspann dich Papa.", lachte ich und genoss das Wasser, dass meinen Körper hinablief.
"Talia ich meins ernst.", sagte er laut, aber ich merkte, dass seine Wut allmählich verpuffte.
"Ich auch.", erwiderte ich und hörte ihn leise lachen.
"Du hast 10 Minuten. Danach hole ich dich. Aber nur, wenn du mich nicht mehr "Papa" nennst.", gab er sich schließlich doch geschlagen. Ich konnte mir sein Grinsen bildhaft vorstellen und lächelte, während ich meinen Körper von oben bis unten schrubbte. War das herrlich!
"Okay.", flötete ich. "Lässt sich einrichten, Mama." Sein Lachen wurde leiser. Offenbar hatte er es aufgegeben die arme Badezimmertüre zu verprügeln.

Als ich das Wasser abstellte, war es ungewöhnlich ruhig in meinem Zimmer. Verwundert zog ich mich an und wechselte zähneknirschend meinen Verband. Es tat wirklich noch weh.
Aber was hatte ich erwartet? Dass ich nach zwei Tagen aufstand und rumtanzte, als wäre nie etwas passiert. Schön wärs.
Beim Blick in den Spiegel hätte ich am liebsten laut aufgeschrien. Ein blassen Gespenst mit tiefen dunklen Schatten unter den Augen, blickte mir entgegen.
Ich stöhnte und fuhr mir durch die feuchten Haare.
Schnell wandte ich mich ab und öffnete die Türe. Überraschender Weise fand ich den Raum leer vor. Keine Wachmänner. Kein Cam. Niemand.
Wow.
Nachdem ich meinen Schlafanzug auf mein Bett geworfen hatte, fiel mir erst auf, dass die Balkontür auf war und als ich genauer hinsah, entdeckte ich Adrien.
Er lehnte alleine auf dem Geländer und sah in die Nacht.
Leise ging ich zu ihm, lehnte mich ein bisschen entfernt ebenfalls auf das Eisen und spähte hinaus.
"In einer solchen Nacht habe ich alles verloren.", flüsterte Adrien irgendwann leise.
Unsicher sah ich ihn an. Hatte er jetzt vor, mir seine Lebensgeschichte zu erzählen? Nicht, dass ich daran nicht interessiert war. Ich wusste nur nicht wie ich damit umgehen sollte, falls es so war.
Er lächelte traurig. "Entschuldige. Ich schwelge nur gerade in Erinnerungen."
"Nicht so schlimm.", beruhigte ich ihn und rutschte ein Stück näher.
Ein kalter Wind kam auf und wehte mir in paar lose Haarsträhnen ins Gesicht.
Ruhig strich ich sie fort und lächelte Adrien an, als ich sah, dass er mein Tun beobachtete.
"Dir ist kalt.", stelle er fest und ich sah wie Sorge in seine Augen trat.
"Es geht.", untertrieb ich, allerdings machte mir mein Körper einen Strich durch die Rechnung, denn die kleinen Härchen auf meinen Armen richteten sich auf und ich schauderte kurz.
Adrien schmunzelte und stellte sich hinter mich.
Mein Rücken berührte seine Brust. Sein Kinn streifte sanft meine Wange.
Unsere Hände lagen nebeneinander auf dem Geländer. Fast berührten sich unsere Finger.
Laut klopfte mein Herz in meiner Brust.
Seine Nähe machte mich nervös.
"Besser?", fragte er und drückte seinen Oberkörper behutsam noch näher an mich. Und ja, natürlich ging es mir nun besser. Mir war mehr als warm.
"Besser.", flüsterte ich und schluckte.
Danach schwiegen wir wieder für einige Minuten und sahen hinaus in die Dunkelheit. Es war ein so unglaublich schöner Moment. Ihm so nah zu sein, ohne Angst oder Sorgen war ein wunderschönes Gefühl. Seine starken Arme schienen mich vor der Welt beschützen zu wollen. Und ich wollte es. Ich wollte dass seine Arme mich bargen und mir Zuflucht, sowie Geborgenheit versprachen. Ich wollte ihn. Vielleicht einen glücklichen Moment mit ihm. Eine gemeinsame Zukunft. Oder vielleicht doch nur einen einzigen Kuss.
Einmal wollte ich wissen, wie seine wundervollen Lippen sich auf meinen anfühlten. Einmal wollte ich von dieser süßen Verlockung kosten ohne auf die Folgen zu achten. Nur ein einziges Mal.
Langsam drehte ich mich um. Mir war bewusst, dass seine Lippen meinen nun unglaublich nahe waren.
Seine blauen Augen strahlten mich überrascht an und sein warmer Atem traf mein Gesicht.
Das war meine Chance. Jetzt könnte ich erfahren, wie es war Adrien DeManincor zu küssen.
Wir waren nur noch Zentimeter von einander entfernt.
"Du musst nicht...", flüsterte er und sein Blick löste sich von meinen Lippen.
"Ich will aber.", hauchte ich und suchte in seinem Gesicht nach irgendeinem Makel. Aber da war einfach keiner!
Ich stellte mich auf die Zehenspitzen und streckte mich.
Und dann geschah alles gleichzeitig:
Er überwand den letzten Abstand zwischen uns, während ich meine Hände um seinen Nacken legte.
Unsere Lippen trafen aufeinander.
Tausende Schmetterlinge flatterten aufgeregt in mir umher und wollten nicht mehr landen. Mein Herz jubelte und machte Freudensprünge, während mein Kopf mir befahl aufzuhören. Ich sollte ihn wegschubsen und ihn anschreien.
Eigentlich wusste ich, dass ich auf meinen Kopf hören sollte. Aber eben nur eigentlich...
Wenige Sekunden später schaltete mein Kopf sich einfach aus und ich fühlte einfach nur noch.
Adriens Hände fuhren mir über den Rücken und ich dachte ich müsste verbrennen.
Wie Ertrinkende klammerten wir uns aneinander und wollten uns nie wieder trennen.
Es war... unbeschreiblich.
Schweratmend trennten wir uns. Geschockt sah ich ihn an. Was hatte ich getan? Es hatte mir gefallen und genau das war es, was mich beunruhigte.
Adrien und ich sahen uns einfach nur an und versuchten zu realisieren was gerade passiert war.
Dann raschelte unter uns etwas.
Adrien und ich tauschten einen Blick, er beugte sich über die Brüstung und sah hinab.
"Er ist hier.", meinte er leise, nahm meine Hand und zog mich hinein.
Drinnen ließ er meine Hand los und stellte sicher, dass er auch ja alle Türen verschlossen bzw. gesichert waren, während ich mich auf meinem Bett niederließ.
Noch immer versuchte ich zu begreifen, was da gerade passiert war.
Ich hatte eben in den Armen des Mannes gelegen, den ich einst gehasst hatte und ihn geküsst.
Adrien auf seinem Handy herum und kurz darauf trampelten ein paar Männer quer durch mein Zimmer, nur um auf dem Balkon wieder Stellung zu beziehen.
Adrien kam zu mir und zog mich hoch.
"Alles okay?", wollte er wissen und sah mich alarmiert an.
Ich nickte und lächelte ihn an.
Adrien lächelte ebenfalls und zog mich an sich.
"Was da eben passiert ist.", begann er dann und ich sah ihn aufmerksam an. "Ich wollte dich nicht drängen. Wenn du noch nicht so weit bist... Ist das okay. Du musst es mir nur sagen."
Überrascht weiteten sich meine Augen ein Stück. Wie süß war das denn? Er machte sich Sorgen, dass er mich gedrängt haben könnte.
Abwartend blickte er mich an.
Und da begann ich zu lachen.
Unsicher fuhr er sich durch die Haare. "Was ist so lustig daran?"
Ich hörte auf zu lachen und holte tief Luft. Er konnte ja nichts dafür, dass ich seine Reaktion süß fand.
"Nichts. Entschuldige bitte. Es ist nur..." Ich stocke. Ich wusste selber nicht was ich sagen sollte. Letztlich entschied ich mich für die Wahrheit. Egal was für Konsequenzen es haben würde.
Ich zuckte mit den Achseln und blickte ihm in die Augen. "Ich glaube ich habe mir in dich verliebt."

Schwingen der NachtWhere stories live. Discover now