Leben und Tod

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Adrien erstarrte. Geschockt über meine eigenen Worte hielt ich die Luft an. Das hatte ich gerade nicht gesagt, oder? Oder? Offensichtlich doch. Wir starrten uns einige Zeit in die Augen und versuchten zu realisieren, was mir gerade über die Lippen gekommen war. Das einzige Geräusch das den Raum füllte, war mein schwerer Atem. Dann drehte er sich in einer einzigen anmutigen Bewegung um und rannte aus dem Zimmer. Sein Abgang glich einer Flucht. Ich konnte seine Schritte im Flur hören und kurz darauf knallte die Tür ins Schloss. Erschreckt zuckte ich zusammen.
"Wo fährt Adrien denn jetzt noch hin?", fragte Cam verwundert der gerade wieder ins Zimmer kam.
Draußen heulte ein Motor auf und Reifen quietschten.
"Und warum nimmt er den Shelby?", fuhr er fort und blickte aus dem Fenster. Dann drehte er sich zu mir um und als er sah wie ich zusammengekauert noch immer in meiner Ecke hinter dem Bett saß, ließ er die kleine Dose fallen die er in der Hand gehalten hatte.
"Talia? Was ist passiert?"
Ich schluchzte. Er hob die Dose wieder auf und stellte sie auf die Fensterbank. Dann kam er zu mir, hob mich hoch und setzte mich wieder auf das Bett.
"Ich hab Mist gebaut, Cam.", brachte ich hervor. Er drückte mich an seine Brust und ich schmiegte mich an ihn. Sein Körper war warm und roch nach Geborgenheit.
"Beruhig dich erstmal, ja?" Seine Hand strich gleichmäßig über meinen Rücken und ich beruhigte mich tatsächlich langsam.
Meine Tränen versiegten allmählich und ich atmete tief ein.
"Wo ist Adrien hingefahren?", wollte ich wissen. Müde fuhr ich mir über die verweinten Augen.
"Da er den Shelby genommen hat schätze ich mal, dass er wieder Rennen fährt." In seiner Stimme zeigte sich nur zu deutlich, was er davon hielt. Aber ich wurde hellhörig.
"Adrien fährt Rennen?" Mein Hals tat weh und ich setzte mich auf meine Hände, um sie am Zittern zu hindern. Aber natürlich brachte es nicht viel.
"Mhm. Und er gewinnt immer. Ausnahmslos.", seufzte er und schüttelte den Kopf. "Das wird ihm irgendwann den Hals brechen. Aber so ist es wohl, wenn man unsterblich ist. Man sucht immer etwas mit dem man sich messen kann. Etwas, dass einen stoppt. Etwas, dass einen tötet."
Sein Blick sprach Bände und seine Augen sahen nicht mehr so jung wie noch zuvor.
"Du hast es versucht.", Stellte ich fest. Kurz antwortete er nicht und als er mich dann anblickte, sah ich den Schmerz darin.
"Ja, das hab ich. Mehr als einmal.", gestand er leise. "Aber wie du siehst, hat es nicht geklappt." Ein schwaches Lächeln legte sich auf seine Lippen.
"Bei mir hat's auch nicht geklappt. Also sind wir ja schon zwei.", versuchte ich die Stimmung aufzuheitern.
"Das kannst du gar nicht vergleichen. Ich bin viel älter.", lachte er.
"Stimmt und ich steh ja nicht so auf alte Männer.", meinte ich zwinkernd.
"Also das ist es. Ich bin dir schon zu gebrechlich!", rief er und sprang auf.
"Nein!", wehrte ich sofort ab. "Das hab ich nicht gesagt."
"Aber gedacht!", warf er mir vor und nahm die Dose von der Fensterbank. Dann kam er wieder zu mir.
Er öffnete sie und schüttete vorsichtig zwei Tabletten auf seine Hand.
"Hier schluck die! Das hilft. Versprochen.", wies er mich an und legte mir die weißen, ovalen Dinger auf die Handfläche.
"Was ist das?", fragte ich misstrauisch.
"Vitamine und Eisen, damit du schneller auf die Beine kommst. Du hast genug geschlafen."
Ich zuckte mit den Schultern und kippte die Tabletten in meinem Mund und würgte sie trocken hinunter.
"Jeden Morgen zwei und abends auch.", befahl er und stellte das Döschen auf meinen Nachttischschrank.
"Wie Ihr befehlt Herr Doktor.", scherzte ich und stand auf. Verdammt, ich hatte elf Tage geschlafen! Jetzt konnte und wollte ich nicht mehr liegen und vor mich hin leiden wie ein Zombie! Alle in Deckung, Talia ist zurück unter den Lebenden!!!

Schwingen der NachtWhere stories live. Discover now