Ein Skongboard und eine Entschuldigung

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Am nächsten Morgen war es nicht die Sonne die mich wachküsste, sondern Adrien.
Doch ich war noch zu verschlafen um aufzustehen. Geschweige denn, mich mit irgendetwas anderem zu beschäftigen.
„Na komm Talia. Es ist schon halb eins. Auch du musst irgendwann mal aufstehen.", flüsterte er an meinem Ohr und strich mir liebevoll die Haare aus dem Gesicht.
Ich grunzte, zog mir die Decke über den Kopf und drehte mich auf die andere Seite.
„Ich will aber nicht.", gähnte ich und konnte sein leises Lachen hören.
„Ich fürchte du musst.", meinte er und ich steckte meinen Kopf unter der Decke heraus. Aber nur bis unter die Nasenspitze.
„Warum denn?", quengelte ich und sah ihn flehend an.
„Weil gleich unsere Sachen geliefert werden. Unter anderem auch dein Zeug und meine Autos.", erklärte er und ich stöhnte.
„Ooookaaaay!", gab ich mich geschlagen und quälte mich aus dem Bett. Langsam und mit halb verschlossenen Augen wandelte ich ins Bad, warf die Tür in die Angeln, stieg unter die Dusche und stieß einen leisen Schrei aus, als das Wasser der Dusche mich traf. Verdammt war das kalt! Wer hatte das so kalt gestellt?!
Auf der anderen Seite der Tür konnte ich Adrien lachen hören.
„Bist du bescheuert, Adrien?!", rief ich und versuchte irgendwie warmes Wasser zu kriegen.
Er lachte noch lauter. „Nun ja. Jetzt bist du wenigstens wach." Damit hatte er wohl Recht.
„Ich bring dich um.", knurrte ich leise und atmete auf, als endlich warmes Wasser auf mich niederperlte.
„Oh tu dir kein Zwang an.", schmunzelte er und ich konnte mir seinen selbstverliebten Gesichtsausdruck nur zu gut vorstellen. „Aber sei gewarnt. Das haben schon viele versucht. Und wie du siehst, bin ich immer noch hier."
Ich lachte gefälscht. „Mal sehen wie lange noch.", brummte ich leise und begann mich zu entspannen.
Ungefähr eine halbe Stunde später verließ ich das Bad und folgte dem geschäftigen Lärm hinaus auf die Hofeinfahrt.
Drei große Lastkraftwagen standen dort und überall liefen Menschen herum. Einige hatten große Umzugskartons unter den Armen. Andere schleppten Möbel umher und ich wich hastig einer großen Anrichte aus, die unter Ächzen und Stöhnen an mir vorbei wanderte.
„Sind Sie Talia de Manincor?", wollte ein rundlicher Mann wissen und stellte sich vor mich.
„Ja?", fragte ich verwirrt. Der Nachname war neu. In Gedanken machte ich mir die Notiz, dass ich Adrien später danach fragen musste.
„Gut, dann sind das hier wohl Ihre Sachen.", meinte er achselzuckend und drückte mir zwei Kartons in die Hand.
Überrascht versuchte ich die Kisten nicht fallen zu lassen. „Ähm... Danke.", brachte ich noch so hervor und balancierte die Kartons in den Flur.
Dann öffnete ich die obere der beiden und spähte hinein. Meine Musikanlage, die Fotos und der Rucksack blickten mir entgegen und ich lächelte ein wenig.
Er hatte nicht vergessen, dass die Sachen mir wichtig waren. Behutsam schloss ich den Karton wieder und trug ihn in mein Zimmer.
Danach ging ich wieder runter. Es war echt erstaunlich wie viele Leute hier auf einmal herumeilten um Möbel und anderes Zeug an ihre Stellen zu bringen.
Das Haus war zum ersten Mal seit ich hier angekommen war, wirklich belebt. Aber es gefiel mir.
Der erste LKW verließ gerade die Einfahrt und dann fiel mir auf, dass ein wichtiges Teil fehlte: Mein Board. Wo war mein Board?
„Entschuldigung, haben Sie zufällig ein Skateboard irgendwo gesehen? Es hat grüne Longboardrollen?", fragte ich den nächstbesten Mann der gehetzt an mir vorbei lief.
Er schüttelte den Kopf. „Da muss ich passen. Tut mir leid."
„Schon gut.", sagte ich enttäuscht und er ging weiter.
Mutig stürzte ich mich ins Getümmel und spähte in die anderen Wagen, ob mein Board darin war. Aber ich wurde enttäuscht.
Ich fand es nicht.
Prustend setzte ich mich auf den Rand der Einfahrt und beobachtete das Treiben. Vielleicht lief mein Skongboard ja an mir vorbei. Der Name Skongboard kam von Cassie, da wir uns nie einigen konnten, ob es nun ein Longboard oder ein Skateboard war und so kamen wir schließlich auf den Namen Skongboard.
Bitte lass es nicht weg sein, betete ich still und stütze den Kopf auf die Faust. In diesem Moment kam ein dunkles Grollen von der Straße und als Adrien dann plötzlich neben auftauchte, sprang ich sofort auf.
„Was ist das?", fragte ich ihn verwirrt.
„Oh, das wird dir gefallen.", meinte er nur und grinste frech.
Keine Minute später sah ich die Scheinwerfer der Corvette die Einfahrt entlang leuchten und meine Augen wurden groß, denn dahinter fuhr das Rolls Royce Coupé. Dahinter wiederum rollte der Ferrari Enzo und in einer ebenen Reihe folgten der Aston Martin One-77, der Bugatti Veyron Super Sport, der Zenvo ST1, danach der Brabus Bullit Black Arrow, der McLaren P1 und der VW Golf.
Mir fiel wortwörtlich die Kinnlade runter als alle Wagen an uns vorbei und in die Garage fuhren.
Adrien lachte und klappte mir den Mund wieder zu. „Du sabberst schon.", erklärte er und grinste breit.
Dann warf er einen schnellen Blick auf seine Uhr und auf seiner Stirn zog sich eine tiefe Furche.
„Er ist spät.", murmelte er und blickte zur Einfahrt.
„Wer?", hakte ich verwirrt nach, wurde aber von einem lauten Motorengeräusch unterbrochen.
Augenblicklich erhellte sich Adriens Gesicht und ein Lächeln legte sich auf seine Lippen.
Mein Blick wanderte irritiert zwischen ihm und dem Tor hin und her.
Das musste ich jetzt nicht verstehen, dachte ich gerade als zwei weitere Autos auf dem Weg vor uns zum Stehen kamen.
Vor Freude begann ich zu schreien und auf der Stelle zu tanzen, ehe ich Adrien umarmte. Danach legte ich mich mit ausgestreckten Armen auf die Motorhaube meines Dodge und grinste verliebt.
Das zweite Auto war Adriens Shelby und auch seine Augen glitzerten, als er seinem Wagen kurz das Dach tätschelte.
Mein Board war verschwunden, dafür hatte ich aber mein Auto wieder. Das nannte man dann wohl Schicksal...
Ein junger Mann stieg lachend aus und drückte mir meine Schlüssel in die Hand.
„Da hast du deinen W wieder. Er schnurrt wie ein Kätzchen.", behauptete der Fremde und ich lächelte ihn dankbar an.
„Erzähl mir was, was ich noch nicht weiß.", kicherte ich und drückte meine Schlüssel überglücklich an mich.
Der Fremde lachte. Dann stoppte er. „Oh wo bleiben den meine Manieren? Ich bin Jakob. Aber Jake reicht. Ich bin Adriens Garagenmensch.", stellte er sich vor und reichte mir die Hand. Er war groß, hatte blonde Haare die im in die Stirn fielen, grüne Augen und strahlend weiße Zähne. Er könnte Werbung für Zahnpasta machen, wenn er lächelte.
Ich erwiderte sein Lächeln und ergriff seine Hand. „Talia."
„Garagenmensch klingt so negativ.", tat Adrien Jakes Worte ab und nickte ihm zu. „Er ist mein KFZ-Mechatroniker.", klärte er mich auf.
„Ahhh.", machte ich und schmunzelte.
„Ich kümmere mich um die ganzen Damen, wenn der gute Herr de Manincor mal keine Zeit hat.", zwinkerte er mir zu.
„Damen?", wiederholte ich fragend.
Jake nickte. „Jap. Wie in „Nur noch 60 Sekunden"."
„Damit die Polizei sich nichts denkt, wenn sie den Funk abhört. Mit Nicolas Cage. Super Film.", stimmte ich zu und grinste ihn an.
Er stieß einen anerkennenden Pfiff aus. „Adrien deine Kleine hat Ahnung. Sie gefällt mir."
Ich spürte wie die Röte mir in die Wangen schoss. „Der Film ist Kult.", meinte ich nur und ging zur Fahrertür meines Dodge.
„Da gebe ich dir absolut Recht.", rief er nur und folgte mir.
Adrien lachte. „Ich sehe schon, dass ich hier überflüssig bin." Mit diesen Worten stieg er in seinen Shelby und fuhr ihn in Richtung Garage.
Aufmerksam umkreiste ich meinen Wagen einmal und ließ meinen Blick über ihn gleiten. In meinem Kopf wiederholte sich gerade die Nacht in der ich mit Mary geflohen war. Und damit auch, dass irgendetwas kaputt gegangen war, oder es zumindest so ausgesehen hatte.
„Gefällt er dir?", wollte Jake wissen. Er hatte die Arme vor der Brust verschränkt und beobachtete mich.
„Mm-hm.", machte ich und grübelte weiter.
„Ich hab den Lack mit einem bestimmten, sau-teuren Wachs poliert und ihn vorher gewaschen.", erklärte er, während ich mit dem Finger über das Heck fuhr.
„Sieht gut aus.", lobte ich. „Hast du herausgefunden, warum er nicht mehr fuhr?"
Seine Augen begannen zu strahlen. „Klar."
„Okay. Woran lag es?" Ich stand wieder neben ihm und sah ihn neugierig an.
„Der Tank war leer.", meinte er dann nur.
Ungläubig blickte ich ihn an. „ Das ist nicht dein Ernst?!"
Er gluckste komisch. „Doch."
Ich stöhnte. „Ich bin so dumm."
„Hätte jedem guten Fahrer mal passieren können.", erklärte er schulterzuckend, doch ich sah, dass er am liebsten laut gelacht hätte.
„Aber natürlich bist du trotzdem jederzeit in der Garage willkommen. Ich kann eine helfende Hand, die dazu noch ein wenig Ahnung hat, immer gut gebrauchen.", lud er mich ein und ich blickte fröhlich zu ihm auf.
„Ich werde drauf zurückkommen.", versicherte ich und ließ mich auf den Fahrersitz fallen. Er stieg neben mir ein.
Es war ein gutes Gefühl das Lenkrad mal wieder in der Hand zu haben. Auch wenn es nur die kurze Fahrt in die Garage war.
Ich drehte den Schlüssel herum und inhalierte den Geruch schon beinahe.
Gemeinsam fuhren wir in das große Gebäude und ich parkte W neben den ganzen anderen teuren Autos.
Adrien entdeckte ich, als wir ausstiegen und ich Jake den Schlüssel wieder in die Hand drückte. Bei ihm war er besser aufgehoben, als bei mir.
Adrien stand neben einem Umzugshelfer am Garagentor und diskutierte über irgendetwas.
Als ich zu ihnen stieß beruhigte er sich ein wenig.
Gerade wollte ich ihn etwas fragen, da ließ ein Pfiff mich herumfahren. Jake winkte mich von der anderen Seite der Halle zu sich.
Fragend sah ich Adrien an, aber der bemerkte das nicht einmal, so sehr war er in die Debatte mit dem armen Mann vertieft.
Also drehte ich mich um und lief zügig zu Jake.
Dieser stand vor einer großen Wand und blickte an den daran befestigten Haken hinauf.
Verwirrt sah er mich an. „Du weißt nicht zufällig was das hier sein soll, oder?"
Ich sah mir die komischen Haken genauer an. Sie waren übereinander und nebeneinander in die Wand gehauen, so als könne man etwas darauf legen.
In diesem Moment kam ein Mann mit einem großen, langen Karton herein und begann sich daran zu schaffen zu machen.
Und als ich sah, was er auspackte, fiel auch bei mir der Groschen.
„Das ist für Skate- und Longboard.", erklärte ich und beobachtete wie der Kerl ein Longboard herausholte, die Folie löste und es auf die Haken legte.
„Achso.", machte Jake neben mir. „Seit wann interessiert sich Adrien denn für so etwas?"
Der Mann hievte das zweite - ein Skateboard - auf die darüber liegenden Haken
„Tut er nicht.", ertönte besagte Stimme hinter uns und wir fuhren beide ertappt herum.
Adrien lächelte. „Aber ich weiß, dass meine Freundin sich dafür begeistert und da dachte ich, ich mache ihr eine Freude."
Ich quiekte und fiel ihm um den Hals. Erst mein Auto und jetzt eine neue Auswahl an Boards.
„Danke, danke, danke!", rief ich und küsste ihn auf die Wange. Dann wandte ich mich wieder den Boards zu und quietschte noch mehr, als ich sah welches Board auf den Extra-Haken neben den anderen hing. Mein Skongboard!
Ich hüpfte auf der Stelle wie ein kleines Kind. Dann bemerkte ich was ich da gerade tat und stoppte ihn der Bewegung.
Adrien sah mich belustigt und Jake fragend an.
Verlegen räusperte ich mich. „Entschuldigung."

Schwingen der NachtWhere stories live. Discover now