Blutbad

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Mit klopfendem Herzen kam ich oben an. Stolpernd fiel ich die letzte Stufe hoch und schlug mir schmerzhaft das Knie an. Schnell biss ich mir auf die Lippe um nicht aufzuschreien.
Gehetzt warf ich einen Blick in das erleuchtete Kellerloch.
Ich hörte Cam lachen und danach begann er zu zählen. Panisch sah ich mich um und kam ruckartig wieder auf die Füße.
Panisch stürzte ich in den dunklen Gang und suchte fiebrig nach einer Lösung beziehungsweise einem guten Versteck. Nur kannte Cam dieses Haus wahrscheinlich besser als ich. Immerhin gehörte es Adrien und das wahrscheinlich nicht erst, seit wir hier eingezogen waren.
Meine eigenen hastigen Schritte waren das einzige Geräusch, dass man hören konnte.
Im Wohnzimmer bremste ich und lief in die Küche. Hektisch durchsuchte ich die Schubladen nach einer Waffe. Schließlich öffnete ich die Messerschublade und griff wahllos hinein.
Wahrscheinlich war es egal ob ich ein scharfes Messer in der Hand hielt oder nur einen dünnen Stock. Das Fazit würde das gleiche bleiben: Ich hatte keine Chance gegen Cam. Zumindest körperlich. Also musste ich schlauer sein.
Doch es fiel mir nicht gerade sehr leicht einen ausgereiften Fluchtplan zu erarbeiten, während ein kranker Psychopath hinter mir her war.
Wo sollte ich mich verstecken? Oder sollte ich mich überhaupt verstecken? Ich hatte genug Bücher gelesen und wusste daher, dass ich mich lieber nicht unter dem Bett oder im Schrank verstecken sollte. Dann könnte ich meine Unterschrift gleich auf mein Testament kritzeln.
Als ich draußen im Gang plötzlich Schritte hörte, wurde mir die Wahl abgenommen. Vorsichtig steckte ich das Messer in meine Hosentasche und schlich auf die Glastür, die nach draußen führte, zu.
Mit zitternden Händen öffnete ich die Tür und spähte hinaus in die Nacht. Niemand war zu sehen. Und es war auch nichts zu hören. Komisch. Aber der eigentliche Kampf spielte sich ja auch auf der anderen Seite des Hauses ab.
Die Schritte wurden lauter. Er kam also näher.
Schnell schlüpfte ich durch den kleinen Spalt und schloss die Türe vorsorglich hinter mir wieder. Ich musste meine Spuren verwischen und eine offene Tür glich praktisch einer Einladung.
Meine Schritte waren leiser als zuvor, aber ich strauchelte eigentlich mehr, als dass ich lief. Ich wusste nicht wohin. Nur dass ich weg musste.
Und dann kam mir eine Idee. Auch wenn sie ziemlich bescheuert und wahrscheinlich leichtsinnig war.
Ich trieb meine Beine an schneller zu laufen. Ich lief um das Haus herum auf die Einfahrt. Dort waren Leute. Jemand würde mich sehen und mir helfen. Hoffentlich.
Im gleichen Moment in dem ich um die Ecke bog, öffnete sich die Haustüre und Cam trat heraus. Sein Blick glitt über die Kämpfenden Wesen die überall auf der Einfahrt standen und einander mit Zähnen und Krallen attackierten.
Ich war also völlig fehl am Platz. Aber das war ja der Plan. Blieb nur noch zu hoffen, dass er aufging. Denn wenn nicht, hatte ich ein ziemliches Problem, da hier ja nicht nur Adriens Leute kämpften.
Bevor ich überhaupt begreifen konnte, was ich gerade tat, stoppten meine Füße und retteten sich in die schützende Dunkelheit zurück.
Schwer atmend kauerte ich mich im Schatten des Hauses zusammen und versuchte so leise wie möglich zu atmen. Was sich als relativ schwer herausstellte, wenn man keuchte wie eine Dampflock.
Vorsichtig lugte ich um die Ecke und versuchte irgendetwas zu erkennen. Der schwache Schein der Lampe, die über der Haustüre hing, beleuchtete die mir dargebotene Szene.
Gespenstische Schatten flitzten über die Einfahrt und ich konnte vereinzelt Schreie hören. Angsterfüllte Schreie. Voller Schmerz. Laut hallten sie in meinen Ohren wieder und ich konnte nicht verhindern, dass mir die Tränen über die Wangen liefen.
Der Boden sah aus wie mein Oberteil: Ein Gemisch aus Schwarzem und Rotem Blut befleckte, teilweise sogar in großen Lachen, die Steine.
Suchend ließ ich meinen Blick über die Menge gleiten und hoffte, dass mir irgendwo Adriens sturmblaue Augen entgegenblickten. Aber stattdessen entdeckte ich etwas anderes. Ein paar glasiger Augen suchte meine und sahen mich genau an. Es war einer der Wachmänner. Er lag auf dem Boden. Blut lief aus einer Wunde in seiner Brust und schien nicht weniger werden zu wollen. Tränen liefen über sein Gesicht. Er sah mich an und streckte seine Hand in meine Richtung aus. Seine Lippen bewegten sich ein wenig und auch wenn er weit genug entfernt war, wusste ich genau was er flüsterte: Hilf mir!
Ich biss mir auf Lippe bis ich Blut schmeckte um nicht laut auf zu schreien.
Dann erschlaffte seine Hand und seine Augen blickten durch mich hindurch. Ich musste nicht länger hinsehen um zu wissen, dass er tot war.
Ich hätte ihm helfen müssen! Ich hätte aufstehen und zu ihm rennen müssen! Ich... Warum hatte ich es nicht getan?
Der nächste Schattenmensch trampelte erbarmungslos auf ihm herum in der Hoffnung, sein eigenes Leben retten zu können. So wurde der tote Körper durch die Menge gestoßen. Und er war nicht der einzige.
Ein metallischer Geruch lag in der Luft und brachte meinen Magen zum Rebellieren.
Cam stand vor dem Kampffeld und beobachtete die Fallenden. Die Sterbenden. Und auch wenn es keine Menschen waren, so hatten sie trotzdem ein Herz.
Auf Camerons Gesicht legte sich ein zufriedener Zug. Ihm gefiel offenbar was er sah. Dann schien er sich zu erinnern, dass er jemanden suchte, denn er wandte sich von der kämpfenden Meute ab und sein Blick ging erneut auf Wanderschaft.
Erschreckt zog ich meinen Kopf zurück und drückte mich enger an die Wand.
Ich presste mir die Hand auf den Mund, damit ich mich nicht übergeben musste. Das war ein einziges Blutbad! Wie konnte man so grausam sein? Das war widerlich. Dafür gab es keine Worte.
Mein Inneres fühlte sich taub an. Irgendwie leer.
Auch wenn ich helfen wollte, musste ich mich erst um mein eigenes Leben kümmern. Und auch wenn das mehr als egoistisch war, musste ich es tun. Tot nützte ich keinem mehr etwas und erst recht nicht denjenigen, den ich helfen wollte.
Vorsichtig tastete ich nach dem Messer und hätte mir beinahe den kleinen Finger abgeschnitten, als ich feststellte, dass es noch da war.
Auch wenn es albern war, es gab mir Sicherheit. Ich fühlte mich nicht ganz so klein und hilflos.
Ich wollte mich auf eine Möglichkeit konzentrieren, aus diesem Schlamassel herauszukommen, doch jedes Mal wenn ich meine Augen schloss, sah ich in die leblosen des Wachmanns.
Das hatte so keinen Zweck! Ich musste diese Bilder verdrängen. Ich durfte mich jetzt nicht von dem Gesehenen beeinflussen lassen.
Mit klopfendem Herzen lugte ich erneut um die Ecke nur um mir fast den Kopf an einem Schienbein zu stoßen.
Bedächtig kletterte mein Blick an der dunklen Hose hinauf und schließlich musste ich feststellen, dass Cam mich gefunden hatte.
"Gewonnen.", meinte er und beugte sich ein Stück zu mir hinab.
Ich schluckte und sah zu ihm hinauf, ehe ich langsam anfing, rückwärts zu krabbeln.
"Nein!", keuchte ich und schüttelte den Kopf.
"Doch. Ich führe.", behauptete er und da war es wieder: Sein widerliches, eingebildetes Lächeln. Das Lächeln, das ich noch vor wenigen Wochen so anziehend fand. Wie konnte ich mich nur so in ihm getäuscht haben?
Und dann tat ich etwas, dass ich selber nicht fassen konnte.
Ich rappelte mich auf und starrte Cam herausfordernd an.
"Du willst mich?", fragte ich provozierend.
Er nickte.
"Gut. Dann komm und hol mich."

Schwingen der NachtWhere stories live. Discover now