Für die Ewigkeit

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Ohne länger drüber nachzudenken, befreite ich meine Hände aus der Eisenfessel, riss mir den störenden Verband vom Hals und sprang auf. Ich schwankte etwas und stolperte mehr als das ich lief, aber nach kurzer Zeit war ich wieder sicher unterwegs.
Eine der Wände brannte und einer meiner Wächter lief kreischend an mir vorbei. Seine helle Haut war von roten Flammen überzogen.
Es roch nach verbranntem Fleisch und ich drückte mir augenblicklich den Ellenbogen über Mund und Nase um mich nicht übergeben zu müssen.
Dann begann ich zu rennen. Heißes Feuer griff nach mir, aber ich entkam der Hitze. Lediglich meine Kleidung hatte einige schwarz umrandete Löcher. Aber das war gerade nicht von Bedeutung...
Ohne einen genauen Plan stürmte ich die Treppe hoch und versuchte mich zu orientieren. Ein paar Vampire rannten an mir vorbei, würdigten mich aber keines Blickes.
Wenn Nassims Handlanger mich ignorierten hieß das wohl, dass es gerade andere - große - Probleme gab.
Bevor ich den Gedanken zu ende führen konnte, stürmten erneut einige Dämonen an mir vorbei.
Es machte fast den Anschein, als würden sie fliehen.
Das war der Moment in dem ich entschied in die Richtung zu laufen, aus der sie gekommen waren.
Auch hier hinten brannte es und schnell musste ich mich fragen, ob es die richtige Entscheidung gewesen war, hier lang zu laufen.
Überall war Rauch und ich musste immer wieder anhalten und husten. Ich musste hier raus! Schließlich war ich ein Mensch und konnte im Feuer umkommen.
Mit jedem weiteren Schritt konnte ich weniger sehen, weil der graue Rauch immer dichter wurde.
Ich drehte mich um und wollte zurück. Aber ich wusste nicht mehr von wo genau ich gekommen war. Also lief ich einfach blind weiter.
Aber die Flammen wollten nicht weniger werden. Es war so heiß! So verdammt heiß! Die Hitze schmerzte auf jedem kleinen Stück Haut und ließ mich in regelmäßigen Abständen aufkeuchen.
Wenn ich doch wenigstens wusste, wo ich hergekommen war.
Mit aller Kraft die noch in mir war, richtete ich mich auf und begann zu schreien. Es war mir egal wer mich hörte.
Ich wollte nur noch raus aus diesem Feuer.
"HILFE!", brüllte ich und wich einem umfallenden, brennendem Regal aus.
"Ist da jemand? Ich bin hier!" Weiter kam ich jedoch nicht, meine Lunge ließ keinen weiteren Buchstaben mehr zu. Stattdessen brach ich in lautes Husten aus.
Mir war schlecht. Alles drehte sich. Überall waren Flammen. Die Luft zum Atmen fehlte mir.
Mein Husten wandelte sich in ein Würgen und ich musste mich auf den Knien abstützen um nicht umzufallen.
"Talia!", drang auf einmal eine Stimme an mein Ohr und ich richtete mich ein wenig auf. Täuschte ich mich oder klang das gerade nach Jake?
Wahrscheinlich fantasierte ich bereits von dem ganzen giftigem Rauch, der meine Lunge füllte.
Doch dann hörte ich es wieder! Da rief jemand nach mir!
"Hier!", schrie ich und drückte mir die Hände auf den Mund.
Erneut kämpfte ich mit einem starken Husten und ich dachte, dass es nun endgültig vorbei war, doch dann legten sich ein paar Arme um mich.
"Hab dich.", sagte jemand an meinem Ohr und ich ließ zu, dass die Person mich hochhob und aus den Flammen führte.
So gut es ging, barg ich den Kopf in dem Oberteil meines Retters und versuchte wieder normal zu atmen. Der Geruch der mir dabei in die Nase stieg, war nur zu bekannt.
"Jake?", fragte ich und blickte meinen Träger durch gerötete und verschleierte Augen an.
"Ich bin hier.", versicherte er und erleichtert ließ ich meinen Kopf gegen seine Brust sinken, als ich sah, dass er es wirklich war.
Er war hier. Das hieß, dass Adrien auch nicht weit waren. Sie waren gekommen um mich zu retten.
Dann war der Druck, den der schwarze Rauch hervorgerufen hatte, plötzlich von meiner Brust verschwunden und ich atmete tief ein. Nur um in lautes Husten auszubrechen.
Mein Körper musste sich erst wieder daran gewöhnen, normal Luft zu holen. Jetzt, da es wieder möglich war.
Jake legte mich ab und drückte mir nicht viel später etwas gegen die Lippen.
"Trink.", forderte er mich auf und ich klammerte mich an die Flasche Wasser. Mit jedem Schluck beruhigte ich mich mehr und meine Sicht klärte sich.
Atemlos setzte ich die Flasche ab und blickte mich um. Hinter mir war das Haus, in das Nassim mich gebracht hatte.
Es stand lichterloh in Flammen und in unregelmäßigen Abständen knallte es laut. Weitere Explosionen ließen den Boden erzittern und erst da wurde mir bewusst, dass ich gerade knapp dem Tod entkommen war. Mal wieder.
Ich sah zu Jake und konnte Erleichterung in seinen Augen sehen. Seine Haare standen ihm wirr vom Kopf und Ruß verdunkelte sein Gesicht.
In diesem Moment war ich einfach nur dankbar, dass er mich rechtzeitig gefunden hatte. Alleine, so war ich mir sicher, hätte ich nämlich nicht mehr aus dem Feuer herausgefunden. Wahrscheinlich wäre ich jämmerlich in den Flammen zu Grunde gegangen.
"Danke!", keuchte ich und fiel ihm um den Arm. "Danke. Danke. Danke!"
Immer und immer wieder nuschelte ich dieses eine Wort und kämpfte die Tränen zurück. Er war hier. Adrien war nicht weit und Cam war auch kein Verräter mehr. Das schrie doch nach einem perfekten Ende.
Aber es wäre zu einfach. Happy Ends gab es für gewöhnlich ja nur im Märchen oder in Träumen, und das hier war nichts davon. Warum sollte man uns also ein glückliches Ende gönnen?
"Na wen haben wir denn da?", ertönte auf einmal eine Stimme hinter uns und wir fuhren sofort herum.
Jake sprang auf und stellte sich vor mich. "Hau ab!", sagte er und blickte Nassim böse an.
"Vergiss es!", zischte dieser und ich bemerkte entsetzt, dass hinter ihm eine Handvoll seiner Vampire sich versammelte.
Wo war Adrien? Er war nie da, wenn wir ihn brauchten. Wirklich nie! Er sollte doch mein Retter sein! ER! Nicht Jake!
Langsam rappelte ich mich auf und suchte hinter meinem besten Freund Schutz.
"Wir können das hier ganz friedlich regeln.", schlug Nassim mit falscher Freundlichkeit vor und streckte die Hand aus. "Gib sie mir und ich werde dich verschonen."
Jakes Blick zuckte zu mir. Dann wieder zurück.
Die Anspannung die in der Luft lag, war zum Greifen nah. Keiner sagte etwas. Nassim und Jake sahen einander fest an.
"Nein!", entschied Jake dann und dieses eine Wort hallte viel zu laut in meinen Ohren wieder. Er hatte gerade sein Todesurteil unterschrieben und ich wusste, dass ihm das bewusst war.
Man sagte nich einfach Nein zu einem der stärksten Dämonen auf diesem Planten. Es sei denn man war Jake. Er tat es.
"Nein?", wiederholte Nassim und tat als hätte er sich verhört.
"Nein!", sagte Jake wieder.
"Jake nicht!", fuhr ich dazwischen und wollte mich vor ihn schieben, aber er hielt mich zurück.
"Nun gut.", knurrte Nassim und keine Sekunde später stürzten seine Leute sich auf uns.
Ich schrie und wich zurück als ein paar schwarzer Schwinger aus Jakes Rücken schossen.
"Keiner rührt sie an!", grollte er und schwebte etwas über dem Boden.
Die Vampire starrten ihn überrascht an und selbst ich taumelte ein Stück nach hinten.
"Worauf wartet ihr?", tobte Nassim hinter uns. "Seit ihr beeindruckt von seinen Flügeln?" Er lachte. "Ohne sie ist er machtlos und schwach. Also bewegt euch und reißt sie ihm runter."
Entsetzt kreischte ich, als die Monster sich auf Jake warfen und mit ihm rangen. Die ersten schüttelte er problemlos ab, doch es wurde immer mehr und irgendwann hatten sie ihn unter sich begraben.
"ADRIEN!", schrie ich und warf mich in die kämpfenden Wesen. Ich musste Jake helfen, egal wie. Das war das mindeste, was ich für ihn tun musste.
Wild schlug ich auf alles ein, was sich ihm näherte, aber lange schaffte ich es nicht ihm so die Dämonen vom Hals zu halten.
Dann riss mich jemand brutal zurück und mir wurde für wenige Sekunden schwarz vor Augen.
Das nächste, das ich bewusst wahrnahm, waren ein paar eisblauer Augen.
Doch nicht an meiner Seite. Sondern gegenüber von mir und sie zeigten Angst.
"Adrien!", sagte ich stimmlos und wollte zu ihm. Aber eine kräftige Hand hielt mich zurück.
"Schön hiergeblieben!", hauchte Nassim in mein Ohr und zog mich an sich.
Adrien knurrte und sein Blick zuckte von mir zu seinem schlimmsten Feind.
"Endlich!", lachte Nassim und legte seine Hand um meinen Hals.
Ich schluckte.
"Endlich habe ich dich genau da, wo ich dich haben wollte.", meinte Nassim und starrte Adrien hasserfüllt an.
Angst überflutete meinen Körper und ich versuchte mich loszureißen. Aber dann spürte ich plötzlich etwas kaltes an meinem Hals und stoppte sofort.
Etwas scharfes fuhr über meine Haut und ich hörte auf zu atmen.
Adrien machte einen Schritt nach vorne.
Nassim reagierte sofort. "Wenn du auch nur mit dem kleinen Finger zuckst, schlitze ich ihr den Hals auf und du kannst ihr Blut vom Boden aufwischen.", drohte er und wir wussten alle, dass das sein absoluter Ernst war.
"Was willst du?", fragte Adrien und ich sah den nur mühsam unterdrückten Zorn. Aber in seinen Augen spiegelte sich auch Angst. Angst um mich.
"Ich will dich leiden sehen.", spie ihm der Vampir angewidert entgegen. "Ich will, dass du dasselbe fühlst wie ich damals. Als du mich verlassen hast. Als du mich verraten hast. Für die Hure, die du Mutter nennst."
Geschockt holte ich scharf Luft und beobachtete Adrien. Er ballte die Hände zu Fäusten und jeder merkte, wie schwer es ihm fiel, sich zu beherrschen.
"Sprich nicht so über sie!", sagte er leise. Er wirkte verletzt. Hinter ihm landeten ein paar andere Schattenwesen. Cam war unter ihnen. Und Jake taumelte gerade neben Adrien. Er konnte kaum gerade stehen und es schmerzte mich ihn so zu sehen.
"Bleibt fort!", brüllte Nassim und der scharfe Gegenstand verschwand für einen kurzen Moment von meinem Hals. Ich erkannte einen Dolch, als Nassim damit über die Reihen von Adriens Männern deutete. "Ihr alle!"
Dann war die kalte Klinge wieder an meinem Hals und ich begann zu zittern. Flehend blickte ich zu Adrien. Das alles sollte enden. Ich wollte nicht mehr!
Adrien erwiderte meinen Blick hilflos.
"Nassim!", versuchte Adrien sanft an seinen Widersacher zu appellieren. "Es tut mir leid, okay? Aber Talia kann nichts dafür. Lass sie gehen und wir reden über alles."
"Vergiss es!", lachte dieser nur. "Mit dir kann man nicht reden, dass habe ich früh gelernt. Und was sie angeht." Sein Atem streifte mein Ohr, als er sich mir zuwandte. "Sie muss sterben. Wegen deiner Liebe. Du hast es nicht verdient glücklich zu sein. Du bist ein Monster! Sieh dich nur mal an! Zerfressen vom eigenen Selbstmitleid! Pahh! Du bist nicht mehr wert als der Dreck unter meinen Fingernägeln!"
Ich schloss die Augen, als Nassim mich schüttelte und drückte mich an ihn. Nur weg von dem Dolch.
Mein Atem kam unregelmäßig und abgehackt. Ich hatte Angst. Ich hatte wirklich Angst, genau hier und jetzt zu sterben.
Nassim war total wahnsinnig! Er war krank! Irgendjemand musste dem ganzen ein Ende bereiten und das schnellstmöglich!
Auf einmal kam mir ein Gedanke und ich öffnete meine Augen wieder. Aufmerksam ließ ich meinen Blick über Adriens Leute wandern.
Aber von dem Gesicht, das ich suchte fehlte jede Spur. Wo war Rafael?
Es war ungewohnt, ihn nicht direkt neben Adrien zu sehen.
"Ich flehe dich an." Adriens Blick saugte sich an mir fest und ich lächelte ihm aufmunternd zu. Wir würden das schon schaffen. Auch wenn mein Lächeln mir aus dem Gesicht rutschte, als Nassim den Doch kurz über meine Haut zog.
Es brannte und ich biss mir auf die Zunge um nicht auf zu schreien.
"Nein!", schrie Adrien und machte einen Satz nach vorne, blieb aber auf der Stellte stehen als er sah, dass es nur ein kleiner oberflächlicher Schnitt war.
Ich spürte wie die Flüssigkeit mir den Hals hinablief und in meinem Ausschnitt verschwand.
Ohne hinzusehen, wusste ich ich, dass sich sämtliche Vampiraugen nun auf mich richteten.
"Ich könnte sie jetzt einfach meinen Männern geben und du müsstest zu sehen wie sie leidet.", schlug Nassim vor und Adriens Miene verfinsterte sich.
"So grausam bist nicht einmal du!", flüsterte er und trotzdem verstand ihn jeder.
"Stimmt. Ich bin viel schlimmer!", gab Nassim zurück und grinste wahnsinnig.
Seine Leute lachten, während Adrien ihn mit seinen Blicken gerade umbrachte.
Mir war schlecht. Ich wollte einfach nur noch zu Adrien. Ich wollte mich in seine großen Arme flüchten und von hier verschwinden.
Allerdings ließ die Waffe an meiner Haut nicht den kleinsten Schritt in seine Richtung zu.
"Wenn ich sie nicht haben kann, kriegst du sie auch nicht.", fuhr Nassim fort und strich mir mit der freien Hand über die Wange.
Danach verschwand seine Hand in meine Haaren und mit einem schmerzhaften Ruck, riss er meinen Kopf nach hinten. Erschreckt schrie ich auf und klammerte mich an seine Hand, versuchte irgendwie seine Finger aus meinen Haaren zu lösen.
"Weißt du, es hat mir besser gefallen, als es nur um uns ging. Als es keinen Weg gab diesem Fluch zu entkommen. Kein Mädchen, dass hinter die Masken sehen kann. Nichts. Nur du, ich und die Unendlichkeit!", seufzte Nassim und sah voller Erregung auf das Blut, dass aus dem kleinen Schnitt lief.
Meine Kehle war komplett entblößt und mit Entsetzen sah ich, dass der Dolch immer näher kam.
"Für die Ewigkeit!", schrie Nassim und holte aus. Ich schloss die Augen. Ich wollte nicht mit ansehen wie die Klinge sich in meine Haut bohrte.

Schwingen der NachtWhere stories live. Discover now