Süße Rache

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"Jetzt hör auf zu schmollen. Ich würde es dir ja sagen. Aber Adrien macht all das nur zu deiner Sicherheit.", versuchte Jake es knapp eine Dreiviertelstunde später.
"Ach ja?", lachte ich bitter. "Und warum kann er mir das nicht selber sagen?"
Jake stöhnte. "Er hat seine Gründe."
Ich schnaubte. "Mit Sicherheit hat er berechtigte Gründe um mich mitten ins Nirgendwo zu schicken."
"Wir sind nicht mitten im Nirgendwo.", behauptete er und lachte.
"Und wo sind wir dann?", nörgelte ich ungeduldig.
"Das siehst du wenn wir da sind.", stellte er klar und blickte wieder stur geradeaus.
"Das siehst du wenn wir da sind.", äffte ich seine Stimme leise nach und stieß die Luft geräuschvoll aus.
"Ich wünschte ich könnte es ändern. Aber ich vertraue Adrien. Mir geht es darum, dass du in Sicherheit bist. Alles andere ist momentan zweitrangig.", erklärte er und offenbar war das Gespräch damit für ihn beendet.
Beleidigt drehte ich mich weg von ihm und starrte aus der Fensterscheibe in die Autos an denen wir vorbeirasten.
Das durfte doch alles nicht wahr sein! Nur um es noch einmal festzuhalten: Ich befand mich auf der Überholspur einer wildfremden Autobahn. Wusste nicht einmal in welchem Land ich mich gerade befand. Eigentlich konnte ich sagen: Ich wusste gar nichts mehr!
"Wo ist Adrien?", fragte ich interessehalber, sah ihn aber nicht an. Ich war sauer auf ihn. Solange er mir keine Antworten gab, die mich zufriedenstellten, würde ich sauer auf ihn sein.
Ein paar Minuten passierte gar nichts, also drehte ich mich zu ihm um und sah ihn verwundert an.
Sein Blick wanderte kurz von der Straße zu mir. Seine Hände verkrampften sich für einen kurzen Augenblick um das Lenkrad.
"Ich weiß es nicht.", stöhnte er dann und schloss die Augen für eine Sekunde. Was ziemlich gefährlich war, wenn man bedachte, dass wir gerade mit fast 220 Stundenkilometern über den Asphalt ballerten.
"Wie, du weißt es nicht?" Natürlich war ich verwirrt. Und ich fand es war mein gutes Recht zu erfahren wo Adrien steckte.
"Ich weiß es nicht, okay?!", fuhr er mich an.
Aber hieß dann ja...
"Ja. Er könnte Nassim in die Hände gefallen sein.", sprach Jake meinen Gedanken laut aus.
"Oder er könnte verletzt worden sein und Hilfe brauchen.", zählte ich die Möglichkeiten auf. Alle bis auf eine.
Jake und ich tauschten einen Blick. Wir dachten das gleiche.
Ich schluckte. Das durfte nicht sein! Oh bitte lieber Gott... Das hat selbst er nicht verdient.
"Was ist wenn er..." Ich brachte es nicht übers Herz das Wort "tot" in diesem Zusammenhang auszusprechen.
Jake fuhr mir dazwischen. "Ist er nicht. Wir haben schon viel schlimmeres überlebt. Er wird vielleicht ein paar Kratzer davontragen, aber das ist alles."
"Und was wenn nicht?", fragte ich leise und durfte eigentlich nicht daran denken.
Jetzt war Jake es der schluckte. "Dann habe ich die Wahl." Seine Stimme war dünn und ich fragte mich ob ich wirklich hören wollte, zwischen was Jake die Wahl treffen sollte.
"Was für eine Wahl?" Ich wusste nicht warum ich fragte. Doch irgendetwas sagte mir, dass ich es lieber wissen sollte.
"Talia. Ich habe meine Befehle ich kann sie nicht ändern, okay?" Seine Gereiztheit sagte mir, dass es nicht gut um mich stand, falls Adrien wirklich tot sein sollte.
"WAS FÜR EINE WAHL?", schrie ich beinahe und betonte jede Silbe extra.
"Entweder bleibe ich für den Rest meines Lebens bei dir und achte darauf, dass du Nassim nicht zu nahe kommst, was so viel heißt wie Ewige Flucht, auch gegen deinen Willen.", erläuterte er die erste Möglichkeit und selbst die klang nicht sehr verlockend. Außerdem wusste ich, dass Jake endlich wieder seine Freiheit wollte. Es wäre nicht in seinem Interesse wenn er die nächsten siebzig Jahre Babysitter für mich spielen musste.
"Und die zweite Möglichkeit?" Meine Stimme war gepresst und ich ahnte, dass es nicht besser werden sollte.
Er schwieg und starrte bedächtig aus der Windschutzscheibe.
"Jake! Sag es mir!", befahl ich ihm und richtete mich in meinem Sitz auf.
Unentschlossen bewegte er seinen Kopf.
"Bitte.", flehte ich und sah ihn mit großen Augen an. Doch ich hatte Angst vor der Antwort. Diese zweite Möglichkeit versprach nicht besser zu sein, als die erste.
"Ich soll dich umbringen.", meinte er schließlich und ich dachte mein Herz bliebe stehen. Ich musste mich verhört haben. Nein, ich wusste das ich mich verhört hatte.
"Was?", piepste ich und rutschte automatisch ein Stück von ihm ab.
Sein Blick wurde weicher.
"Der Plan ist entstanden, bevor er sich in dich verliebt hat. Er wollte nicht, dass er tot ist und Nassim seinen Triumph feiern kann. Also entschied er, dass das Mädchen das hinter die Maske sehen kann, lieber sterben soll, als zu Nassims Erlösung zu werden.", erklärte er. Aber ich hatte es schon zuvor verstanden.
Mein Blick lag leer auf der Straße vor uns und ich kämpfte gegen die Tränen an. Ich hatte ja gewusst, dass die zweite Möglichkeit nicht besser war als die erste. Aber das sie meinen Tod wollte, hatte ich ja nicht ahnen können.
"Talia!", versuchte Jake zu mir vorzudringen. "Das ist alles besprochen worden, bevor du aufgetaucht bist. Er liebt dich! Er würde das niemals wollen! Hörst du mich?" Er nahm meine Hand und drückte sie.
"Wir wissen nicht ob er tot ist, okay? Und solange die Chance besteht, dass er lebt, werde ich nicht einmal daran denken, diesen Befehl auszuführen! Ich will, dass du lebst! Und das du es genießt! Und Adrien will das auch!", versprach er. Aber mein Inneres war bewusstlos. Stumpf und leer.
"Und was wenn er doch tot ist?", fragte ich stimmlos.
"Vergiss es! Ich werde das nicht tun!" Heftig schlug er auf das Lenkrad. Erschreckt zuckte ich zusammen.
"Ich könnte dir niemals wehtun.", fügte er sanfter hinzu, drückte meine Hand noch einmal und ließ sie schließlich wieder los.
"Versprochen?" Die Tränen, die ich so tapfer versucht hatte zu verdrängen, hatten es nun doch geschafft mich zu überwältigen. Still liefen sie mir über die Wangen und tropften von meinem Kinn auf mein eh schon unbrauchbares Oberteil.
Jake sah mich liebevoll an. "Ich schwöre es!"
"Danke.", schniefte ich und wischte mir mit dem Handrücken über das Gesicht.
Jake beobachtete mich und dann lachte er.
"Was denn?", heulte ich nur noch mehr.
"Du hast da jetzt was rotes.", klärte er mich auf und ich klappte den Sonnenschutz herunter und den Spiegel darin auf.
"Oh Scheiße.", fluchte ich und versuchte mit den Händen das rote Zeug wegzureiben. Allerdings musste ich feststellen, dass dort nur noch mehr rot klebte.
"Was...?", murmelte ich leise und als mir einfiel wessen Blut das an meinen Fingern war und wie es dort hingelangt war, hätte ich mich am liebsten nochmal übergeben.
"Ich glaube mir wird schlecht.", sagte ich stattdessen und sah Jake total verheult an.
"Oh bitte nicht!", betete Jake und stieg mitten auf der Überholspur auf die Bremse. Mit rauchenden Reifen kamen wir nach wenigen Metern zum Stehen. Gott sei Dank waren wir mitten im Nirgendwo, so hupte ein vorbeifahrender Audi TT nur und zeigte uns durchs Fenster den Vogel.
"Bist du verrückt?!", fuhr ich ihn an. "Das war ein Scherz."
"Entschuldige bitte.", sagte er und stieg wieder aufs Gas. Als wir den Audi eingeholt hatten, nahm er es sich allerdings nicht den anderen Fahrer ein wenig zu ärgern, in dem er sich an dessen Heck klemmte und ihn so ein wenig einschüchterte.
Als es irgendwann genug war, überholte er und grinste den bleichen Mann beim Vorbeifahren an.
Tja: Rache war eben süß.

Schwingen der NachtWhere stories live. Discover now