Kapitel 18: Sorins Strenge

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• Lucia •

Da stehe ich nun, zusammen mit Kilean und Lunas im Büro von Großvater im Quartier seiner Stadt.

Die beiden Hauptmänner scheinen genau zu wissen, was hier gerade passiert. Die hoch belegte Miene der Zwei spricht für sich, auch tauschen sie sich gedehnte Blicke aus. So unwissend ist Kilean dann wohl nicht, wie er gerne mal tut. Das merke ich mir!

Und dann tritt Großvater ohne Großmutter zurück in den Raum. Wie als wäre nichts, setzt er sich an den Schreibtisch und beginnt die Zusammenfassungen der Berichte von Lunas zu lesen.

„Großvater?", frage ich dann doch nach.

Ich stehe noch immer genau neben Lunas, auch Kilean rührt sich nicht vom Fleck.

Großvater sieht von seinem Bericht einfach auf und sieht mich fragend an.

„Wo ist Großmutter?", hake ich nach.

„Eingeschlossen unten in einer verstärkten Kerkerzelle", haut er eiskalt raus.

Als wäre es nicht seine geliebte Gemahlin, der er das gerade antut. Ich starre ihn echt verhalten und mit offener Kinnlade an.

„Warum ... tust du das?", frage ich ganz kleinlaut nach.

Das bedeutet, dass Großmutter unten wahrscheinlich gerade gegen eine geschlossene Zellentür aus verstärktem Stahl hämmert, es wird sie aber niemand rauslassen.

„Jetzt kann sie ihre eben hoch angepriesenen Fähigkeiten unter Beweis stellen. Ihre Elemente habe ich ihr nicht genommen. Sie hat ja betont, dass sie das kann. Ich warte solange hier", meint Großvater ruhig, dann wendet er sein Blick ab und beginnt weiter zu lesen.

Wir drei Vampire stehen da und haben keinen Schimmer, was wir tun sollen. Natürlich hat Großmutter keine Chance, wenn ihr keiner die Tür aufschließt. So sind die Kerkerwände nun mal gebaut, extra wegen Elementnutzern.

„Ihr habt zu tun, oder irre ich mich?", hakt Großvater nun kühl bei Kilean und Lunas nach.

Kurz darauf sind die Zwei verschwunden und ich stehe alleine bei Großvater im Raum. Also in seiner Funktion als Herrscher seiner Länderei finde ich ihn wahnsinnig unheimlich, ehrlich gesagt.

„Setz dich, Soraya", meint Großvater und deutet auf den Stuhl gegenüber von seinem Schreibtisch.

Ich tue, was er sagt.

„Nun guck nicht so, ich tue das vor allem für Clarissa", erklärt er mit gedämpfter Stimme.

Er wirkt ruhig und besonnen, aber er ist es nicht. Das zu verstecken wäre ihm ein leichtes, jetzt gerade tut er das aber bewusst nicht. Nur, damit ich als seine kleine Soraya keine Furcht mehr vor ihm verspüre, denn das ist ihm natürlich nicht entgangen.

„Das ist aber eine komische Art ihr zu zeigen, was auch immer du damit bezwecken willst", kommt es aus mir heraus.

Nun legt Großvater seinen Bericht zur Seite und sieht mich mit einem leichten Lächeln an.

„Clarissa lernt leider nur durch Taten und Gefühle. Dabei wäre sie durchaus dazu in der Lage, logisch darüber nachzudenken, davon distanziert sie sich aber gut und gerne. Bis morgen wird sie spüren können, wie stabil diese vier Wände da unten sind und wie gering die Chance ist, sich selbst daraus zu befreien", erläutert Großvater mit belegter Miene.

„Du willst sie da echt bis morgen in der Zelle eingeschlossen lassen?", frage ich ungläubig nach.

„Ich gehe sie alle zwei Stunden besuchen. Ich rechne damit, dass sie morgen einknicken und diese hilflosen Gefühle annehmen wird. Erst dann kann ich sie raus lassen, vorher tritt kein Lerneffekt ein. Außerdem höre ich jedes Wort, was sie sagt. Gerade droht sie mir, mich windelweich zu prügeln, wenn sie gleich diese Tür aufkriegt und ich solle mich schon mal warm anziehen", belehrt Großvater mich ruhigen Wortes.

Kronprinz Silas IIWo Geschichten leben. Entdecke jetzt