Kapitel 62: Bekommt er seinen Sohn zurück?

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• Silas •

Mitten auf einer weiten Wiese kommen Noctis und ich an, zumindest soweit meine Schattensicht reicht. Und die ist nicht sonderlich weit, ab einem gewissen Radius bin ich blind. Ich würde vermutlich tagelang ziellos umher irren und diesen dämlichen Dämonenbauernhof nicht finden.

„Darum läufst du auch nicht alleine hier rum. Und nun komm, ich sehe genau, wo wir hin müssen", betont Noctis ruhig.

Er ergreift mein Handgelenk und zieht mich so nun hinter sich her. Ich lasse mich von ihm nun auch so führen, damit ich am Zielort noch genug Kraft für die Schattensicht habe.

Einige Meter kommen wir weit, ehe Noctis stehen bleibt. Seine Stimmung schlägt direkt um und bei dieser feindlichen Ausstrahlung bekomme ich fast selbst Angst vor ihm. Ich bin fast froh darüber, dass er mich streng hinter sich schiebt und da fest hält.

„Shade wird eines Tages die Position des männlichen Landesherrschers einnehmen. Tut euch einen Gefallen und kehrt zurück in Noctis' Reich", ertönt Shanis fordernde und vor allem gleichgültige Stimme.

Wie kann sie nur so gleichgültig damit sein? Ich raffe es nicht! Mir läuft es echt kalt den Rücken herunter und ich fühle mich, als würde ich mich direkt noch einmal trennen.

Scheiße, das ist so überaus schmerzhaft!

Und die steht da, als wäre nichts!

Ich kann das nicht ...

„Du hast genau eine Chance, um umzudrehen und zu gehen, Nishania. Meinen Spross und seinen Sohn bedrohst du nicht", sagt Noctis in einer erschreckenden Ruhe.

Ohne Noctis wäre es das für mich gewesen, Shani könnte mich packen und kinderleicht töten. Und ich würde es ihr nicht einmal schwer machen, weil ich noch immer diese Gefühle für sie in mir habe.

Keine Sekunde später ist Noctis wie vom Erdboden verschluckt und ich höre plötzlich ziemlich grässliche Kampfgeräusche. Da ich meine Schattensicht gerade nicht aktiv habe, sehe ich nichts und kann nur anhand der Geräusche erahnen, was dort passiert.

Nach ein paar weiteren Sekunden ertönt plötzlich ein tiefer und schmerzerfüllter Schrei von Shani, der mir bis tief in meine Seele dringt.

Und dann kann ich förmlich wahrnehmen, wie das Leben von Shani ihr Ende nimmt und Noctis ohne jegliche Skrupel ihre dämonische Macht aufzunehmen scheint.

Erneut fühlt es sich an, als wäre unsere Beziehung gestorben. Zum dritten Mal. Oder ist es das vierte Mal? Keine Ahnung. Der sich in mir ausbreitende Schmerz scheint allmählich alles zu betäuben.

„Ich werde die Macht von Shani für dich verwahren, bis du bereit dafür bist. Du bist nun der alleinige Herrscher des Schattentals, aber kümmere dich vorerst nicht darum. Ich werde hier jetzt andere Seiten im Land aufziehen, die werden sich alle umgucken. Komm, wir gehen weiter. Silas, komm. Ich verstehe, dass das schlimm ist, aber komm jetzt. Bitte, reiß dich zusammen und komm mit, dein Sohn braucht dich", spricht Noctis mir dann zu.

Tatsächlich laufen mir wieder ein paar schmerzerfüllte Tränen über mein Gesicht und Noctis legt seine Hand beruhigend auf meine Schulter.

Ich schlucke das aber herunter und rufe mir das Gesicht von Shade vor mein geistiges Auge.

Einen innerlichen Notstand verspüre ich wegen allem noch immer, aber mein armer und sicher verängstigter Sohn braucht mich jetzt!

Noctis zieht mich nun weiter hinter sich her und wir scheinen einige Schritte weiter über einen Acker zu laufen. Ich fühle mich so unendlich leer und habe nicht den Eindruck, dass ich das spontan in den Griff bekomme. Verflucht, zuhause ist Krieg und meine Gemahlin ... Ex-Gemahlin ... ist nun mit ziemlicher Sicherheit ... Tod.

Kronprinz Silas IIWo Geschichten leben. Entdecke jetzt