Kapitel 39: Was ist mit Fenja und Clarissa?

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• Fenja •

Fragt mich nicht, welcher Tag heute genau ist, aber draußen liegt Schnee.

Es sind aber gut so um die dreieinhalb Monate vergangen, den Strichen an der Wand zu urteilen. Clarissa und ich zählen nämlich jeden Sonnenaufgang, um nicht komplett das Gefühl für die Zeit zu verlieren.

Die Lage ist wirklich schlimm und Clarissa geht es zunehmend schlechter mit der Situation, aber immerhin ist unser Aufenthaltsort ein wenig besser. Diese kalte, dunkle Zelle war scheinbar nur ein vorübergehendes Lager für uns, denn nach ein paar Tagen wurden wir erneut betäubt und sind in unserer neuen Bleibe erwacht.

Seitdem bekommen wir alle drei Tage je ein Glas Blut und kämpfen um unsere geistige Gesundheit, denn das kommt einer Blutfolter gleich. Zu Gesicht bekamen wir nicht einmal jemanden, denn ich bin in einem ausbruchssicheren Raum und Clarissas Raum ist direkt neben meinem Raum. Der Raum ist ziemlich klein und spartanisch eingerichtet, dafür aber mit Stahlgittern rundherum verstärkt und auch das Fenster besteht aus Stahlgittern. Für ein Fensterglas hat es scheinbar nicht gereicht, jetzt im Winter hängen wir immer die Bettdecken davor. Ein alter, verblichener Holzboden und weiße, leicht dreckige Wände liefern einen ärmlichen Bauerncharakter. Die hölzernen Möbel aus dunkler Eiche sehen auch eher wie Sperrmüll aus, aber immerhin haben wir ein Bett, eine Matratze, ein Nachttisch, ein Stuhl und ein Tisch in unserer Zelle. In einer Ecke steht hinter einer kleinen Mauer ein Eimer mit Wasser, an dem ich regelmäßig eine Katzenwäsche vornehme. Ich vermisse es aber sehr, ein ausgiebiges Bad zu nehmen oder einfach mal normal mit der Elementmagie eine warme Dusche zu genießen. Jetzt im Winter ist das Wasser eisig und es wird nur einmal die Woche getauscht, was echt ekelhaft ist. Zwischen Clarissas und meinem Raum ist ein kleiner Teil mittig in der Wand eingerissen und mit Gittern abgetrennt, ungefähr in der Größe eines Rades einer Kutsche. An unserem Kontaktfenster hängen wir die meiste Zeit miteinander ab und muntern uns gegenseitig auf, momentan wärmen wir uns aber viel. In unserem Gefangenenraum wird am Abend kurz regelmäßig weiter die Schattenrose eingeleitet, sodass wir auch seit über drei Monaten keine Elemente mehr zur Verfügung haben.

Gerade halte ich Clarissa mal wieder zwischen den Stäben in meinen Armen und tröste sie, ihre Augen sind wie immer gerötet und verquollen. Ich dürfte ebenso fertig mit der Welt aussehen, manches Mal halte ich es am Abend nicht mehr aus und weine mich mit Jarons Namen auf meinen Lippen in den Schlaf.

„Ich will so nicht mehr weiterleben, Fenja. Ich halte das nicht mehr aus. Ich vermisse Sorin so sehr", schluchzt Clarissa vor sich hin.

„Es geht mir genauso, Clarissa. Aber hör mal, wir können den Feind nicht gewinnen lassen! Wir müssen überleben, bis Sorin und Jaron uns aufgespürt bekommen!", rede ich ihr gut zu.

„Aber Fenja, wir sind bereits über drei Monate hier. Wo bleiben die denn? Ich kann nicht mehr!", bricht es aus Clarissa heraus.

„Shhh. Ist ja gut, ich bin bei dir", tröste ich Clarissa und sie klammert sich durch das Gitter an mir fest.

Ohne Clarissa würde es mir genauso ergehen, ich weiß nicht, welchen Lebensmut ich dann noch hätte.

Für Clarissa da zu sein gibt mir das, was ich brauche, um weiter zu machen. Sachte streiche ich über Clarissas Rücken und tröste uns für uns beide.

Mal wieder, eigentlich fast täglich. Nebenbei zittern wir am ganzen Körper vor der Kälte, die der Schneefall mit sich bringt. Wir tragen noch immer diese Lumpen, wir waschen die zwar regelmäßig im Wasserbottich, aber es wäre mal angebracht neue Kleidung zu bekommen. Vor allem eine weitere Decke, das wäre doch das Mindeste.

Und so vergeht ein weiterer Tag, der wie immer quälend langsam verstrichen ist. Und noch ein Tag, an dem uns keiner gefunden hat.

• Delian •

Kronprinz Silas IIWo Geschichten leben. Entdecke jetzt