Kapitel 36: Die Entführung

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• Delian •

Am Abend kehre ich zurück in das Schloss von Jaron, denn hier wohne ich momentan, überwiegend wegen Benedikt als mein Visionsmagiemeister. Im Schloss selbst ist aber niemand, was mich nicht wenig erstaunt. Halten die Fenja und Clarissa echt noch immer im Quartier fest? Normalerweise tut Jaron ihr das nie so lange an, spätestens am Abend stellt er eine Einheit zur Leibwache ab, damit sie wieder ins Schloss kann.

Ich beschließe nachzusehen, schließlich muss ich ja auch mal nachhorchen, wann Clarissa nach Hause zu ihrem Sorin will.

Gelassen teleportiere ich mich in den königlichen Bereich des Quartiers, aber auch hier sind die Zwei nicht.

Hä?

In der nächsten Sekunde bekomme ich einen richtigen Herzkasper, weil Benedikt mich voller Panik an der Schulter umreißt und zu sich dreht.

„Delian! Hast du die beiden gesehen? Weißt du, wo sie sind?", fragt er sofort und ziemlich ungehalten nach.

„Nein. Wie bitte? Sind sie verschwunden?", kommt es schockiert aus mir heraus.

Dann ergreift Benedikt mein Handgelenk und zieht mich auf direktem Wege bis in Jarons Büro hier im Quartier. Und dort läuft Jaron hoch getrieben auf und ab, Khojin steht ebenfalls unruhig vor der Stadtkarte.

„Sag mir, dass du weißt, wo sie sind!", meint Jaron nun voller Angst und krallt sich in meine Schultern.

Aber auch er merkt schnell, dass ich keinen Schimmer habe. Ich habe nicht mal Ahnung, was überhaupt los ist. Benedikt ist so nett und klärt mich auf.

„Wir nahmen an, Fenja und Clarissa sind im Grünbereich des Quartiers. Scheinbar hat einer meiner unteren Offiziere, Garran heißt er, sich aber ungefragt der Leibwache angenommen. Augenzeugen sagen, sie wären zusammen los zum Einkaufen, wozu er aber keine Befugnisse hatte. Seitdem hat sie keiner mehr gesehen, weder die zwei Frauen, noch den Offizier. Er hat seine Spuren mit dem Naturserum verdeckt", berichtet Benedikt besorgt.

Spätestens mit dem Serum ist diese Nummer mehr als verdächtig!

„Und die Visionsmagie?", hake ich entsetzt nach.

„Bewusst geschwärzt, Garran muss einen Visionsmagier beschäftigen, oder so", wirft Jaron nun stocksauer ein.

Zu Viert tauschen wir noch ein paar weitere Sätze aus, ich bekomme so einen ziemlich genauen Überblick über die Lage. Verdammt, das ist richtig übel. Und eine Sache bleibt wohl auch nicht aus, davor graut es mir schon.

„Du musst Vittorius sofort herholen. Und anschließend Sorin", wendet Jaron sich nun an mich.

Das sind genau die zwei Vampire im ganzen Vampirland, denen ich nicht mitteilen will, dass die Gemahlin, beziehungsweise der geliebte Vampirspross womöglich entführt wurde. Und dann auch noch zur Zeit eines bevorstehenden Krieges.

Aber es hilft alles nichts, mindestens die beiden müssen davon erfahren. Jaron instruiert mich kurzerhand noch, dann habe ich auch schon die Freigabe zur Teleportation.

Wenig später tauche ich bei Vittorius im Regierungszimmer auf. Der König sieht mich hoch erstaunt an, seine Miene verfinstert sich aber umgehend. Dieser Mann hat wirklich ein Wahnsinns Gespür.

• Fenja •

Als ich das nächste Mal zu mir komme, befinden Clarissa und ich uns noch immer in einem Käfig, allerdings in einer anderen Räumlichkeit. Der seichten Bewegung nach zu urteilen, die den einen oder anderen Reisekrank machen wird, befinden wir uns unter Deck im Lager eines Schiffes.

„Fenja, endlich bist du wach!", höre ich Clarissas brüchige Stimme.

Sie sitzt auf dem schäbigen Bett, ihre Beine leicht angewinkelt, und sie lehnt sich seitlich an die Gitterstäbe an, um mich anzusehen.

Kronprinz Silas IIWo Geschichten leben. Entdecke jetzt