Kapitel 84: Heimkehr

201 28 14
                                    

• Silas •

Die gesamte Vampirfamilie ist nun seit guten vier Stunden friedlich in Lucans Schloss verlegt und alle bereiten sich auf die große Gedenkfeier der Gefallenen vor. Passend zum späten Nachmittag soll diese stattfinden und jeder ist gerade in seinem Gemach, um sich entsprechend zu kleiden.

„Also Shade, was hättest du gerne? Jetzt, wo du unbedingt wie ein richtiger Vampir behandelt werden willst, musst du auch Eigenverantwortung für deine Kleiderwahl tragen. Aber für einen Anlass der Trauer empfehle ich dir dezente Anzüge in schwarz", belehre ich meinen nicht ganz einjährigen Sohn.

Der sitzt nun vor dem Kleiderschrank, wackelt leicht mit den Schwingen und starrt den offenen Schrank an.

„Und du glaubst, das kriegt der hin?", will Mutter wissen.

„Ich wette auf Nein", klinkt Vater sich amüsiert mit ein.

Enya unterstreicht das mit einem nagenden Gurren beim Herumknabbern auf ihrem Beißring. Die Drei sind schon fertig gekleidet und Mutter behütet netterweise Enya, die beiden Vampirinnen sitzen aber gemütlich auf Vaters Schoß. Welch ein Anblick auf dem Sessel, ich sag's euch.

Ich stehe nun mit verschränkten Armen neben meinem Sohn, der ja immerhin seinen Dickkopf der Eigenständigkeit durchsetzen will. Bitte, das kann er hier und jetzt haben.

Shade bewegt sich aber nicht, er sieht sich nur den Schrank an. Ich fürchte, die Trödelei sind meine Gene. Hust hust.

„Lasst mal einen Meister ran!", betont Vater nun, lacht lautstark drauf los und setzt Mutter mit Enya auf dem Sessel ab.

Ich trete nun zur Seite und bin echt gespannt, was Vater sich einfallen lässt.

„Werter Shade, wir haben hier nicht ewig Zeit. Also suchst du dir jetzt was aus, oder ich tue das für dich. Und ich nehme dich auch heulend mit zur Trauerfeier, was im Übrigen sehr unhöflich von dir wäre", belehrt Vater den Minidämon.

Zeitgleich tritt Vater hinter Shade, nimmt seine beiden Minihände und zieht Shade in den Stand. Der sieht sich fragend um, getragen wird er nun aber nicht.

Vater schiebt Shade nun zum Schrank und übernimmt das Ganze, er tut das offensichtlich aber auch immens gerne. Stolzer könnte er nicht sein, ich sag's euch.

„Silas, bringst du mir einen schwarzen Tee?", fragt Mutter mit einem herzhaften Gähnen.

Die hohe Königin ist müde und braucht einen wachmachenden Schwarztee, wenn ich jetzt Nein sage, kann man mich mit betrauern.

Also nicke ich, lasse Enya und Mutter einen Kuss auf dem Scheitel da und stiefele dann in die Richtung der Küche.

Gerade will ich einen Bediensteten herbeirufen und mit dem Schwarztee für Mutter beauftragen, da torkelt neben mir das Grauen in den Raum.

Ach ja, Lucan hat diesen Vample mit seiner Gemahlin und seinen zwei Kriegstöchtern ja ein paar Gästezimmer im Schloss herrichten lassen.

„Ich brauch dringend 'n Schälchen Heeßen!", murmelt er völlig verplant in den Raum hinein.

Seine Augenringe sehen aus, als habe er sie mit schwarzer Farbe nachgezogen und seine Gesichtsfarbe ist echt blasser als sonst. Mich wundert, dass er sich überhaupt noch bewegen kann nach der ganzen Anstrengung der letzten Tage. Vample hat mit seinen Beschwörungen besonders hart gearbeitet und bei dem Wiederaufbau geholfen, allerdings kostet ihm das auch eine Menge Energie.

Ein Wunder, dass er nicht voll gegen den Türrahmen gelaufen ist.

Mit erhobener Augenbraue beobachte ich ihn nun, wie er barfuß und nur in einer lockeren kurzen Unterhose bekleidet durch die Küche schlurft.

Kronprinz Silas IIWo Geschichten leben. Entdecke jetzt