Kapitel 83: Die kleinen Momente

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• Fenja •

Ich bin so sehr darauf eingestellt, heute Abend endlich in Jarons Arme fallen zu können. Stattdessen wird die ganze Teleportation auf morgen verschoben. Ich breche weg, das ist mir ein Tag zu viel.

„Ich unternehme noch einen Spaziergang", teile ich Elias mit, der gerade am Eingang des Zeltes die Teebestellung für seine Schwester entgegennimmt.

Denn wenn ich eines gelernt habe, ist es: Auf Elias ist Verlass, wenn einer versteht, wie sehr man Ruhe und Abstand braucht, ist er es.

„Mach nur keinen Unsinn, das wird dann gemeldet. Ansonsten kannst du solange alleine spazieren, wie du willst", verrät er mir leise mit einem Zwinkern.

Ach ja, die ganzen Vampire, die zu unserem Wohl um uns herum nach dem Rechten sehen.

So nehme ich dann meinen Mantel, streife mir den über und husche fast ungesehen aus dem königlichen Zelt hinaus. Der Rest ist zu sehr mit Gesprächen und Minidämonen beschäftigt. Und Val ist zum Glück in Lucans Schloss in der Nähe von Lucia, um seine schwangere Gemahlin im Blick zu behalten. Die merkwürdigen Schwangerschaftslaunen und die unberechenbaren Ideen von Lucia bereiten Val wohl ein wenig extra Arbeit.

Clarissa hat wohl den Verdacht, dass der Vampirismus und die sowieso schon besondere Schwangerschaft dieses „Leiden" verstärkt.

Ich nehme nun meinen Weg auf und gehe ganz gemächlich entlang der Gassen des Zeltlagers. Über den Weg laufe ich niemandem und nach einer Weile erleuchtet das funkelnde Sternenmeer das Himmelszelt.

Mein Blick geht nach oben und ich frage mich, was Jaron gerade so treibt. Ob er sich gerade auch die Sterne ansieht und an mich denkt? Ob er überhaupt gerade einen Gedanken an mich verschwendet?

Ich visiere die nächste Bank an, auf der ich mich niederlasse und schaue dann einfach weiter hoch hinaus in die zahlreichen Sterne.

In meinem Geiste hallt das Wort „Erdmagie" in Jarons Stimmlage, wo es dann bei mir vorbei ist. Ich bekomme einen totalen Heulkrampf und breche komplett zusammen. Ich sitze zwar draußen mit genug Platz und frischer Luft, sogar schön gewärmt, aber mir ist nicht warm. Und es ist, als krieche die Kälte dieser kahlen vier Wände von Nicolai wieder in meine Knochen.

Aus Reflex ziehe ich meine Beine an meinen Körper und umschlinge diese mit zitternden Händen. Mein von den Tränen durchnässtes Gesicht vergrabe ich in meinen Knien und ich fühle mich so schlimm unendlich allein.

„Erdmagie, Liebes", ertönt Jarons liebevolle, aber auch leicht amüsierte Stimme in einem Flüsterton direkt neben meinem Ohr.

Ich brauche bestimmt drei, vier Sekunden, ehe ich hoch schaue und wirklich in Jarons Gesicht sehe.

„Lucia hat mich auf den Rückweg mit hergenommen, ich hatte da so eine Eingebung", meint er breit grinsend und löst zeitgleich seinen Umgang von seinen Schultern.

Und dann ist es das erste Mal, dass ich seine Vampirschnelligkeit über alles liebe. Ich befinde mich nämlich plötzlich eingehüllt in seinen Umhang und fest in seine Arme geschlossen sitzend auf seinem Schoß. So sitzen wir nun gemeinsam auf der Bank und schauen in das glitzernde Himmelszelt.

Aber das interessiert mich kein Stück mehr, ich kuschle mich an Jaron an und genieße einfach nur noch ihn endlich wieder zu haben.

Sanft streicht er durch mein Haar und über meine Schultern, bis hin zu meiner Hüfte. Ihm fehlt diese Berührung genauso wie mir, das merke ich deutlich.

„Jetzt ist alles wieder gut", kommt es mit einem Lächeln aus mir heraus.

„Ich komme immer zu dir, Liebes", raunt er mir wie ein Versprechen zu.

Kronprinz Silas IIWo Geschichten leben. Entdecke jetzt