53. oder von Riffhallen und zeitlosen Reichen

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Verstand dient der Wahrnehmung der eigenen Interessen, Vernunft ist Wahrnehmung des Gesamtinteresses. - Karl Friedrich von Weizsäcker

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Ich erkannte unseren Vater, der über einer Steinplatte gebeugt war und sich irgendetwas genau ansah. Als er unsere Anwesenheit bemerkte, hob er den Kopf und winkte uns zu sich. Dodo beachtete mich immernoch kein Stück und verschwand aus dem Saal, sodass nur ich der Geste meines Vaters Folge leistete. Wie es aussah, war sie sich nur für mich bestimmt gewesen, denn kurz darauf waren wir alleine. Er zeigte auf etwas, das aussah wie ein Blatt Papier, doch es war aus einem festen Material, das nicht im Wasser verging. Ein Plan war darauf eingezeichnet, ich sah eine Menge Kreuze, Striche und Pfeile, doch was es genau darstellen sollte, wusste ich nicht. Mein Vater erklärte mir auf meinen fragenden Blick hin: "Das ist unsere Aufstellung, wenn wir Poseidon befreien. Du stehst hier." Er zeigte auf ein Kreuz, das etwas vor den anderen Stand. Wie es schien, sollte ich die Truppe anführen. Doch konnte ich das überhaupt?

C H L O É
C H L O É

Ich zitterte wie die Blätter am Baum wenn ein Tornado über sie hinwegfegte, es fühlte sich an, als wäre das Wasser um mindestens zwanzig Grad kälter geworden und mein Blick huschte gehetzt im Raum hin und her. Kurz gesagt: ich fühlte mich überhaupt nicht wohl. Mein Vater schwieg, bis ich imstande war zu erwidern: „Wieso ich?" Meine Stimme tönte leise, unsicher und ich wusste nicht, ob er mich überhaupt verstanden hatte. Jedoch lächelte er milde und antwortete: „Ich habe deine Kraft gesehen, Tochter. Wenn du lernst, wie du sie einsetzen musst, sind wir unbesiegbar. Zwei solch mächtige Naturgewalten wie dich und Poseidon auf einer Seite zu haben ist ein Segen der Götter!" Ich grummelte: „Woher soll ich denn lernen sie einzusetzen. Soweit ich weiss ist der einzige mit irgendwelchen übernatürlichen Kräften von den Feinden gefangen worden." Als es still blieb, fügte ich hinzu: „Es wäre übrigens nett zu wissen, mit wem wir es überhaupt zu tun haben." Mein Vater seufzte, als wäre ich eine herbe Enttäuschung für ihn, doch ich wartete weiter auf eine Antwort. „Lass dich von Dodoria zu der Riffhalle führen, dort wartet Liana auf dich." Mit diesem Satz würde ich in dem Gefühl bestärkt, dass ich für ihn nichts als eine Last war, die er nur brauchte, wegen den magischen Kräften. Fühlte sich Dodo wohl auch so? Oder war sie wohl seine Nummer eins? Seine Abneigung mir gegenüber, war deutlich in seinen Augen zu lesen, und ich floh so schnell wie möglich aus dem Zimmer. Meine Schwester wartete davor, doch ihre Augen betrachteten mich kalt, als hätten sich die wochenlangen Treffen und Gespräche in Luft aufgelöst. Als könnte sie meine Gedanken lesen, erklärte sie, kaum hatten wir das Gebäude wieder verlassen; „Ich weiss du kannst nichts dafür, aber es ist nicht leicht für uns zu wissen, dass du die Kräfte geerbt hast, statt unserem Vater oder mir. Dass unsere Mutter für dich gestorben ist, als wäre dein Leben mehr wert als alles was unsere Familie sich aufgebaut hat." Ich runzelte die Stirn: „Wieso hast du dann so getan, als wärest du froh darüber dich mit mir abzugeben." Sie lächelte falsch und meinte: „Alles hat seinen Grund. Doch es wäre besser, wenn du hiernach nicht mehr nach Merion zurückkommst." Ich presste meine Lippen heftig zusammen, um nicht zu zeigen, wie sehr mich diese Worte verletzten. Ich hatte meine Familie gefunden, meine richtige Familie, und sie wollte mich nicht! Ich schwieg, da meine Stimme sicher gezittert hätte und mit umhüllte uns einsames Schweigen, während wir schwammen. Wir erreichten die sogenannte Riffhalle schon bald, und vor dem Eingang liess Dodo mich allein. Der Ort entpuppte sich als gigantische Höhle in einem kargen Felsen, weswegen ich nicht verstand, woher es seinen Namen hatte. Ich schwamm ehrfürchtig durch das Loch in der Wand, zu sehen war nichts, bis ich schliesslich am Rande von der hell erleuchteten Halle trieb. Auf einem Stuhl in der Mitte sass eine alte Meerjungfrau, welche eine ungeheure Macht ausstrahlte, obwohl sie eine solch kleine und zierliche Person darstellte. Ihre Haare waren grau, doch trieben sanft um ihr Gesicht herum, und als ich näher kam, schlug sie plötzlich ihre Augen auf. Sie Strecke sich, und ihre Gelenke knackten, als hätte sie jahrelang auf dem Stuhl gesessen und auf etwas oder jemanden gewartet. Mich. Ihr graues Gesicht färbte sich langsam, als ob wieder Leben in ihre Adern fliessen würden und ein leichtes Lächeln schlich sich auf ihre Lippen. Wenigstens sie freute sich, mich zu sehen. Als sie aufstand, wirbelte eine Menge grünes Zeug und Sand auf, der sich festgesetzt hatte, und es bestätigte meine Meinung, dass sie ewig dort gesessen hatte, nur noch mehr. Ich bewegte mich nicht, als sie mich einmal umrundete und dann mit engelsgleicher Stimme sagte: „Ich bin Liana, liebes." Ihr runzliges Gesicht glättete sich, ihr gekrümmter Rücken Strecke sich, und es schien als wäre sie um Jahre jünger geworden. Ich fragte erstaunt: „Wie hast du das gemacht?" „Ich bin eine Statue, die zum Leben erweckt wurde, um Poseidon, und jetzt seine Nachfahrin zu unterrichten. Doch in einem solchen Zustand, wie ich vorher war, wären wir nicht weit gekommen." Sie lächelte breit und bedeutete mir, ihr zu folgen. Nun schwamm sie auf eine Stelle der Wand zu, die als einzige frei von Algen war und wischte mit ihrer Hand einmal quer über sie. Sie begann zu glühen, die ganze Halle erstrahlte in einem warmen rotton, und an der Wand bildete sich ein violetter Lichtkreis. Sie forderte mich auf: „Schwimm hindurch." „Wieso?", fragte ich argwöhnisch. Sollte sie mir nicht einfach zeigen, wie ich die Kräfte einsetzen sollte? Wofür brauchte ich dann da hinein zu gehen? „Wir haben nicht viel Zeit, und das ist der Eingang zum zeitlosen Reich. So kann ich dich unterrichten, ohne dass irgendwelche Zeit auf der Erde vergeht, und wir kommen rechtzeitig zurück, um Merion zu retten." „Woher weisst du, dass Merion gerettet werden muss?", fiel mir daraufhin ein, während ich auf den Kreis zuschwamm. „Mein Körper wurde vielleicht hier festgehalten, doch mein Geist trieb im Meer." Mit diesen Worten schubste sie mich durch den Lichtkreis.

Es fühlte sich einerseits so an, als ob ich von meinem Körper getrennt worden wäre, doch andererseits fühlte ich Tausende kleine Nadelstiche. Es war als ob ich im Winter in einen eiskalten See springen würde (zumindest in Menschenform) der man mich als Voodoo-Puppe missbrauchen würde. Es war derart schmerzhaft, dass ich schon das Gefühl hatte, es mir einzubilden. Aber genauso schnell wie das Gefühl gekommen war, war es auch wieder verschwunden, und ich schwebte in einem gänzlich weissen Raum ohne Wände oder sonstige Begrenzung, der langsam Konturen und Farbe annahm. Schliesslich lag ich in einer babyblauen Badewanne und Liana sass auf dem Klodeckel des Badezimmers. Ihr Fischschwanz war verschwunden, stattdessen zierten jetzt ein paar modelähnlich lange Beine ihren Körper. Ihr Körper schien sich jetzt nicht mehr zu verändern, sie sah aus wie Mitte 20, obwohl sie schon Jahrhunderte älter sein müsste, wenn sie Poseidon schon unterrichtet hatte. Ich konzentrierte mich als erstes darauf, meine menschliche Gestalt anzunehmen und nahm dann dankend das Handtuch entgegen, das sie mir hinhielt. Ich fragte völlig verwirrt: „Also, hier bleiben wir jetzt? Und wenn wir zurückkommen, ist es als wären wir nie weggewesen?" Sie nickte, und ich hinderte sie daran, etwas zu sagen: „Niemand wird sich Sorgen machen? Ganz sicher?" Liana lächelte leicht: „Genau so ist es. Jetzt komm, wir sollten anfangen, je schneller wir sind, desto besser." „Aber es vergeht doch gar keine Zeit dort, wieso sollten wir uns dann beeilen?", wandte ich ein. Sie seufzte: „Deine Uhr tickt aber unaufhaltsam weiter, du wirst also dennoch älter." Als sie das sagte, fiel mir auch wieder das Theme ein, über das Harry und ich uns unterhalten hatten. Da ich Dodo besser nicht mehr fragen sollte, kam ich jetzt darauf zurück: „Liana, was ist eigentlich, wenn ein Meermenschen und ein Sterblicher, also ein Mensch, zusammen sein wollen? Kann man das irgendwie regeln?" Während sie ein paar Treppen hinunterrannte, als ob sie schon ihr Leben lang auf Beinen gehen würde, und ich ihr noch etwas tollpatschig hinterher hetzte, hörte ich sie sagen: „Das kommt erst in Lektion sieben dran. Sei nicht so ungeduldig und komm jetzt gefälligst mit. Wir müssen aus dir eine angemessene Hüterin des Meeres machen."

⍟ Secrets ⍟ (A Harry Styles Fanfiction)Where stories live. Discover now