56. oder von Verkäufen und Sherlock Holmes

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Und aus dem Chaos sprach eine Stimme zu mir: "Lächle und sei froh, es könnte schlimmer kommen!" Und ich lachte und war froh - denn es kam schlimmer. - Otto Waalkes

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Die Zelle, in der ich Poseidon entdeckt hatte, lag nicht etwa in einer kleinen Höhle in den Tiefen des Meeres. Zwar waren wir tatsächlich tief im Meer, jedoch war es keine kleine Höhle, die vor uns lag. Eine grosse Festung, die genausogut über Wasser hätte stehen können, erstreckte sich in Richtung Wasseroberfläche und schien gut ausgerüstet mit Waffen. Auf den Türmen patrouillierten Wachen mit gefährlichen Harpunen und ein paar tollwütig aussehende Haie schwammen in regelmässigen Abständen um das Gebäude herum. Zudem waren die Wände aus dickem Stein gehauen, und der einzige Eingang schien eine grosse Glastüre zu sein, vor der ebenfalls einige Meermänner auf und ab schwammen. Unser Vorhaben kam mir plötzlich leichtsinnig und kindisch vor, als wir, zwei dünne Meerjungfrauen, vor dieser gigantischen Festung standen. Ein Plan musste her.

C H L O É
Ich fluchte leise, sodass mich die Wachen nicht hören konnten und fragte Liana: „Und jetzt?" Sie zuckte mit den Schultern: „Sieht ziemlich nach Mission Impossible aus. Hast du eine Idee?" Ich zog einen Schmollmund und reklamierte: „Du bist hier die weise alte Frau, daher solltest du auch einen Plan haben!" „Alter ist nicht die Lösung von allem. Ich dachte ich wäre dir eine bessere Lehrmeisterin gewesen", antwortete sie enttäuscht. Daraufhin seufzte ich bloss und murmelte: „Dann gehen wir eben zu den Männern und fragen ob wir hineingelassen werden." „Das klingt nach einem Plan", stimmte mir Liana zu. Jedoch schien sie nicht bemerkt zu haben, dass das ein Witz war. Ich erklärte ihr also: „Das war nicht ernst gemeint, Lia." Sie zog eine Augenbraue hoch: „Ach ja? Hast du etwa noch eine bessere Idee?" Als ich nicht antwortete, fuhr sie fort: „Wir brauchen bloss eine gute Begründung. Die haben doch sicher einen Chef, sagen wir also einfach... Du bist hier um ein bisschen Spass in sein Leben zu bringen." Ich schlug ihr fest auf die Schukter und zischte: „Du willst mich als Nutte verkaufen? Was soll denn das?" „Was sollen wir denn sonst sagen? Essen bringen wir nicht, ausserdem sehen wir nicht wie irgendwelche Ninjas aus, also bleibt nur diese Variante. Spiel mit", fuhr sie mich an und ohne mir noch eine andere Möglichkeit zu lassen, zog sie mich hinter dem Stein in der ansonsten Kilometerweit leeren Umgebung hervor und Schwamm die letzten Meilen auf die Männer ohne jegliche Angst zu. Ich versuchte genauso selbstsicher wie sie aufzutreten, jedoch scheiterte ich dabei wahrscheinlich kläglich. So gut es ging behielt ich einen ernsten Gesichtsausdruck als sie den beiden Männern die Sachlage erklärte, und hörte einen sagen: „Aber der Herr hat eine Gemahlin", als ob wir im Mittelalter wären. Ich lächelte möglichst kokett und erklärte ihm: „Das mag ja sein, aber ein Mann seines Standes verdient mehr als bloss eine Frau." Liana versteckte ein Lächeln, wie ich sehen konnte, und die Männer schienen überzeugt. Sie liessen jedenfalls die Türe öffnen, und als wir in dem kleinen Durchgangsraum waren, wurde das Wasser plötzlich abgesaugt. Ohne dass ich mich gross anstrengen musste, landete ich auf meinen beiden Beinen und auch Liana stand in ihrer menschlichen Form neben mir. Kurz darauf ging die zweite Türe auf und wir sahen auf eine Halle mit einem einzelnen Tisch in der Mitte und einer nach oben führenden Treppe. Hinter dem Tisch sass eine ältere Frau mit streng zurückgebundenen Haaren, die uns mit einem angespannten Lächeln erwartete. Ich hörte einen Mann sagen: „Ein Gast für den Herrn." Es war einer der Wachen, der wohl mit uns mitgekommen war. Wie unaufmerksam ich doch war! Das Gesicht der Frau hellte sich auf und sie begutachtete mich von Kopf bis Fuss, bevor sie mit einem zweifelhaften Gesichtsausdruck sagte: „Dann bringe ich sie besser zuerst einmal wohin wo sie sich waschen kann." Ich verkniff mir einen Schmollmund und sah an mir herab. So schlimm sah ich wohl nicht aus, oder etwa doch? Zu Liana meinte sie: „Und ihr?" Diese schlug die Augen gespielt unterwürfig nieder und murmelte: „Ich bin bloss ihre Begleiterin und werde so lange hierbleiben, bis sie hier nicht mehr erwünscht ist." Die Frau nickte kurz und ruckartig, winkte sie mit dem Mann fort und bedeutete mir, ihr zu folgen. Sie stieg die Treppen hoch und bog links ab, Liana wurde in die entgegengesetzte Richung geführt.

Es gab endlose Flure, und bald hatte ich es aufgegeben, mir den Weg hinaus zu merken. Das ganze würde ich später mit einem einfachen Richtungszauber nachholen können, sofern wir nicht gleich die ganze Festung in die Luft sprengen würden. Die Flure waren düster und nur spärlich beleuchtet, doch ich konnte erkennen, dass ab und zu Gänge abzweigten und Türen in den ansonsten undurchdringbar scheinenden Wänden eingelassen waren. Durch eine solche führte sie mich, worauf ich in einem geräumigen Badezimmer stand. Sie zog Kleidung aus einem Schrank und erklärte mir, dass sie vor der Türe auf mich warten würde, also sollte ich mich beeilen. Ich verdrehte in Gedanken die Augen, lächelte jedoch höflich und tat was sie sagte.

Als ich frisch geduscht und zurechtgemacht vor ihr stand, beachtete sie mich keines Blickes. Wahrscheinlich war sie es sich gewohnt, halb nackte Mädchen vor sich stehen zu sehen, die gleich den Herren beglücken sollten. Ekelhaft, wenn ich nur daran dachte. Wie es Harry wohl ging? Hoffentlich machte er sich nicht allzu viele Sorgen und hoffentlich würde das hier nicht allzu lange dauern.

Schliesslich standen wir vor einer grossen Doppeltüre aus massivem Holz, und die Frau erklärte mir: „Halte den Blick gesenkt und mache einfach was er von dir verlangt. Danach kommst du einfach wieder herunter und ihr könnt wieder gehen, wenn der Herr nichts anderes sagt." Ich nickte gespielt eingeschüchtert und wurde nun mit gesenktem Kopf durch die Tür geschubst, die sich gleich darauf wieder schloss. „Ah, ein neues Spielzeug", meinte eine tiefe Männerstimme, wegen der mir angstvolle Schauer über den Rücken liefen. Trotzdem hob ich mutig meinen Kopf und blickte dem Mann, der etwa Anfang dreissig sein müsste, in die Augen. Er sah zugegeben ganz gut aus (natürlich kam nichts an Harry heran) doch sein ebenmässiges Gesicht verzog sich zu einer hässlichen Fratze, als er knurrte: „Hat man dir nicht gesagt, dass du dich mir gegenüber respektvoll verhalten sollst?" Ich grinste schief: „Doch, aber darin sehe ich nicht so eine grosse Notwendigkeit. Wer bist du?" „Das wollte ich gerade dich fragen, du kleines Gör. Doch um einen guten ersten Eindruck zu machen, komme ich deiner Bitte, mich vorzustellen, ausnahmsweise nach. Ich bin Nicolas Jefferson. Für dich ‚mein Herr' oder ich lasse auch ‚eure Majestät' gelten." Ich verdrehte die Augen: „Also, kleiner Nick, ich bin nicht hier um Spielchen zu spielen oder ein Kaffeekränzchen zu halten. Wo ist Poseidon?" „Eine Meerjungfrau!", entfuhr es ihm. Ich lächelte kalt: „Gut kombiniert Sherlock."

⍟ Secrets ⍟ (A Harry Styles Fanfiction)Donde viven las historias. Descúbrelo ahora