55. oder von Glück und gigantischen Festungen

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Vor Fehlern ist niemand sicher. Das Kunststück besteht darin, denselben Fehler nicht zweimal zu machen - Edward Heath

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Erst in diesem Moment wurde mir bewusst: eigentlich war ich doch immernoch in den leeren Raum, in dem Liana mich zurückgelassen hatte? Ich riss meine Augen auf und jetzt wusste ich, worum es hier ging. Um mich herum blühten Blumen und der Wind fuhr durch meine Haare, die auf alle Seiten geweht wurden. Ich lachte entzückt auf, sah mich um, und bemerkte, dass Liana mich aus dem Türrahmen heraus anblickte. Ein kleines Backsteinhäuschen stand mitten in diesem Paradies, welches wohl das gigantische Haus darstellen sollte, in dem wir uns befanden. Es war unglaublich. Doch es war echt.

C H L O É
Die Zeit im zeitlosen Reich war, soweit ich das mit meinen jungen Jahren beurteilen konnte, die beste meines Lebens. Ich hatte in meinem bisherigen Leben so vieles verpasst, das ich mir nicht einmal in meinen kühnsten Träumen hätte vorstellen können. Doch genauso sehr wurde mir jetzt auch bewusst, was für ein Glück ich hatte, Harry stets an meiner Seite zu haben. Wie viel Zeit vergangen war, wusste ich nicht. Zu oft war ich eingeschlafen, während Liana mir irgendetwas beibrachte, und ich Geduld üben musste (ich muss aber betonen, dass es gegen Ende immer weniger geworden ist). Oft sah ich Sonne und Mond untergehen, während ich Liana zuhörte, und doch keine Müdigkeit zeigte. Kurz gesagt - die Zeit war einfach zeitlos. Als es endlich soweit war, und ich zurück in meine Welt durfte, war mein Kopf voll mit neuem Wissen, sowohl über meine Welt, doch auch über die Unterwasserwelt, die ich zwar liebte, doch noch mehr liebte ich mein Leben zuhause. Zuhause bei Harry und Louis und meinen ganzen anderen Idioten. Vollgetankt mit Magie (zugegebenermassen war ich schon zuvor randvoll mit Magie, jedoch hätte ich nicht gewusst, wie ich sie hätte einsetzen sollen) durchschritt ich dieses eigenartige lilane Licht, wovon ich jetzt wusste, dass es eine magische Tür in eine andere Welt war. In diesem Fall in das zeitlose Reich.

Sobald ich die Türe durchschritten hatte, war ich wieder in der Gestalt einer Meerjungfrau, und auch Liana zeigte ihren goldenen Fischschwanz. Ohne wertvolle Zeit zu verlieren, schwammen wir zurück zu meinem Vater, wo auch Dodo schon war. Sie kam nur wenige Minuten früher an als wir, schliesslich war hier keine Zeit vergangen, während ich um fast ein ganzes Jahr gealtert war. Ansehen tat man es jedoch meines Erachtens nicht, abgesehen davon, dass in meinen Augen jederzeit der leichte Glanz der Magie lag.

Mein Vater betrachtete mich mit einem neugierigen Blick, als ich gemeinsam mit Liana ins Zimmer schwamm, während Dodo mich keines Blickes würdigte. In diesem Moment wünschte ich mir so eine tolle Beziehung wie sie Gemma und Harry hatten, doch lange konnte ich nicht in Selbstmitleid baden, denn mein Vater fragte schon: „Was habt ihr jetzt vor? Müssen irgendwelche Vorbereitungen getroffen werden, während ihr... ich weiss nicht, übt? Waffen, Männer versammeln..." Liana unterbrach ihn: „Chloé und ich sind soweit und werden zu zweit aufbrechen um Poseidon zu retten. Wir sind bald wieder zurück." Dodo riss überrascht ihre Augen auf, als sie das hörte und fragte: „Aber das ist doch viel zu gefährlich. Sie kann ihre Kräfte ja nicht einmal einschätzen." Bevor ich irgendetwas machen konnte, mahnte Liana sie: „Sag das nicht. Du kennst ihr Temperament nicht, wie ich es kenne, also zügle deine Zunge und behaupte nichts, von dem du keine Ahnung hast, Kind!" Oh wie wahr, dachte ich mir. Ich grinste meine Schwester herausfordernd an, hatte jedoch nichts mehr hinzuzufügen, denn Liana hatte das sehr zufriedenstellend zusammengefasst. Während der Zeit mit ihr war ich mir über mich und meine Wünsche im Klaren geworden, und auch was ich tun würde, um meine Ziele zu erreichen. Mit dem bisschen Selbstvertrauen, das ich früher gehabt hatte, würde ich sie nie erreichen, was auch Liana erkannt hatte. Eine wichtige Lektion für mich war also auch die, mich auf mich zu konzentrieren und zu erkennen, dass ich genauso viel Wert war wie jeder andere. Genauso viel wie Harry, der ein berühmter Popstar war, genauso viel wie Dodo, die unter Meermenschen aufgewachsen war und genauso viel wie jeder andere Mensch auf der Welt, sei er arm oder reich, Europäer oder Chinese.

Liana legte ihre Hand auf meine Schulter und sprach zu meinem Vater, dass er sich keine Sorgen machen müsse, bevor wir beide den Raum verliessen. Auf dem Weg durch Merion kamen uns viele Meermenschen entgegen, die uns schiefe Blicke zuwarfen. Ich wusste wieso: Liana war so etwas wie eine Legende, seit Jahrhunderten nicht mehr erweckt worden und eine Heldenfigur, die in vielen Gute-Nacht-Geschichten eine Rolle spielte. Dass sie sich mit mir, einer unbekannten Meerjungfrau, blicken liess, sorgte für viel Gesprächstoff, doch niemand kam auf uns zu. Schliesslich würde Liana schon wissen, was sie tat.

Wir verliessen die Stadt schon bald, und Liana warf mir den Blick zu, der für mich bedeutete, dass ich jetzt mit dem beginnen durfte, für was ich so lange geübt hatte. Ich wusste, dass sie ihre Kräfte nur dazu benutzen durfte, mir und allen anderen Hütern des Meeres die Kraft der Magie beizubringen, und nicht um sich auf eine Seite zu schlagen. Aus diesem Grund musste ich mich jetzt auf meine Aufgabe konzentrieren, Poseidon zu retten. Konnte ja nicht sonderlich schwer sein, oder? So wie Liana es mir beigebracht hatte, verliess ich meinen Körper, um, genau wie sie wenn sie jahrhundertelang erstarrte, ein Teil des Meeres zu werden. Plötzlich war ich überall zur gleichen Zeit und doch nirgendwo wirklich. Irgendwo in diesem riesigen Wirrwarr von Geräuschen und Bewegungen musste jetzt Poseidon sein. Aufgehalten von einer geheimnisvollen Macht, die keiner so recht einschätzen konnte.

Als ich ihn schliesslich gefunden hatte, konnte ich erkennen, dass er einsam in einer Zelle sass, als wäre er nicht der Herrscher des Meeres, als hätte er keine Magie in seinen Adern fliessen... und er wirkte erschöpft. Ich wusste, dass ihn irgendetwas davon abhielt, seine Kräfte einzusetzen, schliesslich wäre er sonst schon längst ausgebrochen, doch er schien sich gar nicht anzustrengen, einen Weg hinaus zu suchen. Als hätte er die Hoffnung aufgegeben.

Doch ich gab die Hoffnung nicht auf. Ich kehrte in meinen Körper zurück, auf den Liana in der Zwischenzeit aufgepasst hatte, und erklärte ihr wo wir hingehen mussten. Beziehungsweise schwimmen. Die Strecke, die Schiffe in einigen Tagen zurücklegten, schafften wir in wenigen Stunden. Es hätte jedoch gerne etwas länger dauern können, denn ich hätte das ganze gerne noch etwas hinausgezögert. Einen richtigen Plan hatten Liana und ich nicht, wir hatten beschlossen Poseidon da rauszuholen und basta. Jedoch schien das ganze nicht so einfach zu sein, wie es schien. Die Zelle, in der ich Poseidon entdeckt hatte, lag nicht etwa in einer kleinen Höhle in den Tiefen des Meeres. Zwar waren wir tatsächlich tief im Meer, jedoch war es keine kleine Höhle, die vor uns lag. Eine grosse Festung, die genausogut über Wasser hätte stehen können, erstreckte sich in Richtung Wasseroberfläche und schien gut ausgerüstet mit Waffen. Auf den Türmen patrouillierten Wachen mit gefährlichen Harpunen und ein paar tollwütig aussehende Haie schwammen in regelmässigen Abständen um das Gebäude herum. Zudem waren die Wände aus dickem Stein gehauen, und der einzige Eingang schien eine grosse Glastüre zu sein, vor der ebenfalls einige Meermänner auf und ab schwammen. Unser Vorhaben kam mir plötzlich leichtsinnig und kindisch vor, als wir, zwei dünne Meerjungfrauen, vor dieser gigantischen Festung standen. Ein Plan musste her.

⍟ Secrets ⍟ (A Harry Styles Fanfiction)Место, где живут истории. Откройте их для себя