134. Kapitel

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Am Morgen sitzen wir wieder im Seminarraum. Den Abend habe ich nur noch verschwommen in Erinnerung, da ich ziemlich schnell nach der Einsatzbesprechung eingeschlafen bin. „Okay, dann heute auf ein neues. Allerdings würde ich Yuna heute gerne noch was zeigen bevor wir anfangen. Und zwar einen Zugang legen. Da ich hier diesmal wirklich niemanden zwingen will sich bereitzustellen werde ich diesen Teil übernehmen. Ich finde Yuna lernt wirklich schnell und ich glaube das sie definitiv breit ist. Möchtest du denn?“, wendet sich Linus jetzt an mich. Uff, eigentlich würde ich ja schon gerne, aber ich möchte Linus wirklich nicht weh tun und ich weiß nicht ob ich das kann. Alex stupst mich von der Seite an. „Trau dich, so eine Chance bekommst du nicht alle Tage“, flüstert er mir zu. Er hat recht, aber was wenn… „Na komm, ich helfe dir okay?“ Das gibt mir das nötige Vertrauen in mich selbst. ,,Okay, aber nicht hier wo uns alle beobachten, oder?“, hacke ich nervös nach. „Nein, wir können ruhig ins Behandlungszimmer gehen. Der Rest kann sich schon auf später vorbereiten. Phil und Franco ihr seid als NEF Team dabei und Dustin und Yuna bilden das RTW Team. Jo? Du wirst das Opfer spielen, ich erkläre dir deine Rolle wenn wir wiederkommen“, erklärt Linus. Jo wird daraufhin bleich wie die Wand hinter ihm und sackt in seinem Stuhl zusammen. „Keine Angst, du schaffst das. Ich habe extra Dustin mit Sophia eingeteilt, ihm vertraust du nach wie vor doch am meisten oder?“, unternimmt Linus einen Beruhigungsversuch. Jo nickt abwesend. „Super, dann auf geht’s!“ Alex und ich erheben uns und laufen hinter Linus her. Langsam steigt die Nervosität und meine Hände beginnen ein wenig zu Schwitzen.

Linus Sicht:

Yuna scheint wirklich sehr nervös zu sein, als wir den Raum betreten und ich mich auf die Liege setze. Aber ich vertraue Yuna, sie schafft das schon und Alex ist ja auch da, um ihr zu helfen. „Okay Yuna. Was machen wir denn zuerst?“, fragt Alex sie. Alex Anwesenheit scheint ihr zumindest ein bisschen Sicherheit zu geben. „Alles vorbereiten, Hände waschen und desinfizieren und dann Handschuhe anziehen“, zählt Yuna auf. „Genau, dann machen wir das jetzt mal und der Linus macht in der Zeit seinen Arm mal frei. „Welchen nehmen wir?“, fragt er wieder an Yuna. „Den rechten“, antwortet sie selbstbewusst. Bei Alex überraschtem Blick muss ich schmunzeln. Dann wendet er sich an mich: „Bist du Linkshänder?“ „Ja, schön das dir das auch auffällt nachdem wir seit fast zwei Monaten zusammenarbeiten“, witzle ich. „Das ist mir tatsächlich entgangen. Na dann, den rechten Arm.“ Alex zeigt Yuna wo alles ist und zusammen bereiten sie alles vor um mir den Zugang zu legen. Ich mache währenddessen meinen rechten arm frei. Als sie sich wieder mir zuwenden kann ich sehen, dass Yunas Hände leicht zittern. „Hey, schau mich an“, fordere ich deswegen und halte sie an ihren Handgelenken fest. Sie schaut auf und in ihrem Blick kann ich das gleiche sehen, dass mir ihre Körpersprache schon verrät. „Du brauchst keine Angst zu haben, okay? Du hast das noch nie gemacht und ich denke es ist nur menschlich das du aufgeregt bist, aber du schaffst das. Alex ist hier und hilft dir und du brauchst auch keine Angst zu haben mich zu verletzen. Im schlimmsten Fall habe ich die nächsten Tage einen blauen Fleck auf der Hand, damit kann ich leben, okay?“ Meine Worte scheinen sie zumindest ein Stück weit zu beruhigen und sie schafft es sogar mich anzulächeln. „Und falls du aus irgendeinem Grund abbrechen möchtest kannst du das auch jederzeit sagen. Wir wollen dir was zeigen und dir keine Angst machen“, hängt Alex noch an meine Worte dran. „Okay, danke. Ich glaube ich bin jetzt bereit“, gibt Yuna leise zu. „Super, dann schauen wir uns das mal an. Am besten fragt man den Patienten vorher ob er sich hinlegen möchte, falls nicht schon geschehen. Manchen wird dabei schlecht oder der Kreislauf sackt kurz ab“, erklärt Alex ihr. Sie nickt und wendet sich an mich. „Schaffst du das im sitzen oder willst du dich hinlegen?“ „Es geht eigentlich im Sitzen“, antworte ich. „Gut, dann kannst du jetzt den Stauschlauch anlegen und dir eine geeignete Vene suchen. Bei Linus geht das ganz gut, am besten ist es aber wenn du die Vene nicht nur siehst sondern auch fühlst“, erklärt Alex weiter. Yuna legt mir den Stauschlauch an und fühlt dann nach einer Vene. „Ich spüre nichts“, stellt sie enttäuscht fest. „Das braucht ein bisschen Übung, warte…“ Jetzt wandert Alex Finger über meinen Arm, als er eine findet nimmt er Yunas Hand und führt sie hin. „Hier ist eine die wir nehmen können. Spürst du sie?“ Yuna konzentriert sich und ein lächeln huscht über ihre Lippen. „Ja!“ „Sehr gut, dann kannst du die Stelle jetzt großflächig desinfizieren. Wie das geht weißt du?“, fragt Alex zur Sicherheit. Sie nickt selbstbewusst, dann sprüht sie das Desinfektionsmittel auf meinen Handrücken, wischt es mit Keimarmen Tupfern ab und sprüht die Stelle erneut ein. „Sehr gut. In der Einwirkungszeit des Desinfektionsmittels bereiten wir die Nadel vor. Man sticht etwa in einem 30° Winkel ein, wenn sich die Nadel und der hintere Teil des Zugangs dann schon mit Blut füllen, kannst du die Nadel etwas tiefer halten, um die Vene nicht zu durchstechen. Dann schiebst du den Katheter über die Nadel als Führungshilfe hinweg in die Vene. Damit wir keine Sauerei machen, wenn du die Nadel ziehst, kannst du vorher noch einen Tupfer unterlegen. Dann kannst du den Stauschlauch öffnen und den Zugang mit dem Pflaster sichern. Okay? Das war jetzt ziemlich viel auf einmal oder?“, erklärt Alex so genau wie möglich. Er scheint aber auch zu bemerken, dass Yuna ziemlich nervös ist. „Okay, ja, das war ganz schön viel“, gesteht sie. „Keine Angst, wir helfen dir und machen alles Schritt für Schritt“, versuche auch ich sie zu beruhigen. „Okay“, sagt sie leise fast flüsternd und nimmt den Zugang in die Hand.

Alex Sicht:

Während Yuna den Zugang legt, schaue ich ihr genau auf die Finger, aber sie macht das wirklich gut, trotz ihrer zittrigen Hände. Auf einmal nehme ich wahr, wie Linus etwas anfängt zu schwanken. Hm, komisch, eigentlich stört ihn sowas doch nicht. Und wir haben ihn extra gefragt. Schafft Yuna es doch nicht? Aber wenn ich ihn jetzt Frage, könnte ich Yuna erschrecken. Er wird schon was sagen, wenn es gar nicht mehr geht, oder? „I-Ist das so richtig?“, vernehme ich Yunas stotternde Stimme. Wir müssen dringend mehr Selbstvertrauen in dieses Mädchen bekommen. „Ja, das sieht sogar sehr gut aus. Leg am besten jetzt einen Tupfer unter, zieh die Nadel, verschließ den Zugang und öffne den Stauschlauch, dann kannst du ihn sichern.“ Sie führt auch diese Anweisungen ohne Probleme aus, so kann ich meine Aufmerksamkeit wieder auf Linus richten, welcher mittlerweile auch kaltschweißig zu sein scheint. „Sehr gut. Dein erster Zugang!“, lobt Linus. Da ich ihn inzwischen ganz gut kenne, erkenne ich das zittern darin. Der wird mir doch jetzt hier nicht aus den Latschen kippen. Oh bitte nicht! „Alles gut?“, fragt auch Yuna die seinen Zustand wahrscheinlich bemerkt hat. „Ja ja, ich muss nur mal ein bisschen an die frische Luft“, tut er mit einer Handbewegung ab. Da ich eigentlich schon weiß was kommen wird stelle ich mich neben ihn, als er aufsteht.

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2 von 3 Prüfungen geschafft!  Jetzt nur noch Mathe am Freitag.

Ich hoffe euch gefällt das Kapitel. Was denkt ihr, wird Linus umkippen? Wenn ja warum?

Hab euch alle lieb ;-)

(Asds) Von der Glücklichen Familie zum WaisenWhere stories live. Discover now