4. Grayson

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Ich starrte Ash an, war mir nicht sicher, was ich jetzt tun oder sagen sollte.t
Ich war mir ja nicht mal sicher, was gerade passiert war.

Ich wusste, dass er mich hatte provozieren wollen, damit ich zurückwich, aber das hatte ich nicht gekonnt. Es hatte sich gut angefühlt. Seine Nähe hatte sich gut angefühlt.
Das war es, was mich verwirrte.
Wäre er eine Frau, hätte ich keinen Moment gezögert, ihn sofort auf diesen Treppen duchzunehmen, aber er.... Er war nun mal ein Typ und ich... Ich stand nicht auf Typen. Nein, ich stand auf Frauen. Frauen, mit langen Haaren, großen Brüsten und einem geilen Arsch.
Plötzlich fühlte sich diese Vorstellung irgendwie falsch an, auch, dass ich vorhin Ashley erwähnt hatte. Er war noch immer sauer, weil seine Schwester eine von meinen vielen Eroberungen geworden war, aber das Schlimme daran war, dass er auch fast eine geworden wäre.

Ich meine, ich konnte nicht abstreiten, dass er mich verdammt scharf gemacht hatte, aber... Er war nun mal ein Typ und ich war nicht schwul.

„Scheiße“, kam einfach nur aus meinem Mund, während ich ihn anstarrte und er mich. Ich wollte weggehen, am besten rennen und einfach nur soweit mich möglich aus seiner Nähe verschwinden, aber andererseits wollte ich nichts lieber, als dass er einfach weiter machte, wo er eben aufgehört hatte.

„Bist du schwul?“, fragte Ash plötzlich in die drückende Stille, welche nur gelegentlich von vorbeifahrenden Autos und den Naturklängen unterbrochen wurde.
Ich schüttelte den Kopf. „Du?“
Auch er verneinte.

Dann wäre ja alles geklärt. Oder? Wir waren einfach nur zwei Jungs, die den jeweils anderen hatten aufziehen wollen. Ja, ich meinte AuFziehen nicht ausziehen. Aufziehen in Sinne von aggressiv machen und nicht Ausziehen im Sinne von... Oh Gott.

Obwohl Ash nicht sprach, war es, als stünde er direkt hinter mir und wiederholte die Worte, die er eben gesagt hatte.

Ohne nachzudenken, ging ich die Stufen der Treppen runter auf Ash zu, doch er wich zurück. Das hatte er nicht mal getan, als wir uns früher regelmäßig geprügelt hatten. Asher war keiner, der zurückwich. Er war einer, der angriff. Eigentlich.

„Was ist los?“, fragte ich ihn. Es war offensichtlich, dass er nicht in meiner Nähe sein wollte. Ich konnte es ja irgendwo verstehen, aber gleichzeitig... ich weiß nicht... es verletzte mich irgendwie.

Etwas in seiner Mimik änderte sich, als er mich weiter ansah. Mir wurde plötzlich kalt unter seinem Blick.

Er hatte nicht vor zu antworten, also ging ich einfach an ihm vorbei auf mein Auto zu, machte den Motor an und fuhr los. Ich musste mich regelrecht zwingen, nicht in Gedanken an Asher abzudriften, doch das Schlimme war, dass ich nicht nur an die Situation eben dachte.
Ich kannte ihn schon seit dem Kindergarten, wir waren quasi zusammen aufgewachsen, immerhin wohnten wir in derselben Straße, dennoch waren wir schon immer Feinde gewesen.
Ich wusste nicht, woran genau das lag, es war einfach schon immer so.

Vielleicht lag es auch daran, weil mein Vater mit seiner Mutter durchgebrannt war, als wir 7 gewesen waren und wir dem jeweils anderen die Schuld dafür gaben.
Ich wusste, dass sein Vater danach seinen Job verloren hatte und zu trinken begonnen hatte, dass seine Schwester, seit sie 5 war, an Depressionen litt und ich das alles noch verschlimmert hatte, indem ich sie wie all meine anderen Flittchen behandelt hatte, doch es hatte mir noch nie so leidgetan wie in diesem Moment.

Ich wusste nicht wieso, aber ich bereute es plötzlich. Ich bereute, mit Ashley geschlafen zu haben, ich bereute, wie ich sie danach behandelt hatte, ich bereute jede Frau. Und es waren viele, mit denen ich bereits Sex gehabt hatte.

Trotzdem fuhr ich nicht nachhause, sondern in Candys Wohnung, wo ich durch das Fenster kletterte und in ihrem Zimmer wartete.

Ich mochte ihre Wohnung, sie war zwar klein, aber nett eingerichtet und vorallem mochte ich den Geruch. Candy lebte alleine hier, sie war mit 18 ausgezogen und finanzierte sich das mit einem Kellner-Job. Eigentlich bewunderte ich sie sogar. Ich wollte auch ausziehen, mein eigenes Ding machen. Ich wollte endlich von meinem Stiefvater und meiner Mutter loskommen.

Nicht nur Ash ging es schlecht, nachdem unsere Elternteile abgehauen waren, auch mir. Meine Mutter wurde drogenabhängig, ich war 7, musste aber schnell erwachsen werden und für uns sorgen.
Vor 5 Jahren heiratete sie irgendeinen Anwalt, der dann bei uns einzog. Ich war davon überzeugt, meine Mutter liebte ihn nicht, doch wenigstens schaffte er Geld an und naja... Meine Mutter schlief mit ihm, er finanzierte ihre Sucht und alle warnen glücklich, bis auf mich... Mein Stiefvater hasste mich, das hatte er bereits seit dem ersten Moment getan. Er war nur bei uns, weil meine Mutter seine billige Hure war.
Tja und wenn sie vollgedröhnt war, dann schlug er mich zusammen.

Ja, ich weiß, ich war 19, ich war stärker als er, aber das war nicht der Punkt. Der Punkt war, dass mich dieser Mann misshandelte, seit ich 13 war und ich einfach nur Angst vor ihm hatte. Ich mochte vielleicht immer einen auf unbesiegbar und selbstsicher machen, doch stand er vor mir, war ich ein kleiner 13 –jähriger Junge, der jeden Tag aufs Neue von seinem Stiefvater misshandelt wurde.
Seit ich 18 war, kam es zwar nicht mehr täglich vor, aber dennoch hatte ich einfach nur Angst vor ihm. Ich wusste, das war nicht besonders männlich und auch nicht mutig, aber immerhin kannte kein anderer dieses Geheimnis. Naja, außer meine Mutter vielleicht, aber die bekam ja nicht viel mit. Ich war mir nicht mal sicher, ob sie überhaupt wusste, dass es mich noch gab.

Naja... Mein Fuckboy Image hatte auf jeden Fall einen Grund. Ich begann zu saufen und ebenfalls Drogen zu nehmen, zu rauchen und mich zu prügeln schon im jungen Alter. Und hier saß ich jetzt auf dem Bett von einem Mädchen und wartete darauf, dass sie von der Schule kam, damit ich sie ficken konnte.

Nein, es ging hier nicht um Gefühle. Gefühle waren mir beim Sex egal. Die einzige Frau, bei der ich etwas gefühlt hatte, war Jules gewesen, aber nachdem Asher sie mir ausgespannt hatte und ich dann als Rache mit seiner Schwester geschlafen hatte, wurde Sex für mich bedeutungslos. Er diente einfach nur dem Zweck, damit ich wenigstens für diese Zeit nicht vollkommen alleine war.

Gerade, als ich beschließen wollte wieder zu gehen, hörte ich wie die Tür aufging und schon stand Candy im Zimmer und sah mich überrascht an.
„Was machst du denn hier?“, fragte sie lächelnd, während sie ihre Sachen in eine Ecke warf.
Ich stand von ihrem Bett auf, ging auf sie zu, presste sie gegen eine Wand und begann sie zu küssen. Das musste Antwort genug sein.

Was sollte ich denn sonst von ihr wollen? Reden? Kuscheln? Netflix&Chill? Nein, das tat man in einer Beziehung und ich würde nie wieder eine haben, nachdem was mit Jules passiert war.
Ich wollte einfach nicht mehr verletzt werden.
Ich wollte der Fuckboy sein, für den man mich hielt.
So musste ich wenigstens keine Gefühle haben.

Niemand kennt uns wirklich (BoyxBoy)Where stories live. Discover now