14. GRAYSON

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Ich wusste zwar nicht, was Ash mit mir besprechen wollte, aber ehrlich gesagt war es mir auch egal.
Ich wollte einfach mit ihm reden, es war nicht wichtig, über was.
Also machte ich mich sofort nach der Schule auf den Weg nachhause, parkte mein Auto in einer der Garagen und ging ohne Umwege zum Spielplatz in der Nähe.

Irgendwie freute ich mich darauf, Ash zu sehen. Ich meine, ja heute in der Schule hatte ich ihn auch gesehen, aber so privat.
Es war irgendwie anders. Vertrauter. Und das gefiel mir.

Ich setzte mich auf die Bank, auf der wir letzte Nacht gesessen waren, und sah den Kindern beim Spielen zu. Ob im Sandkasten, auf den Rutschen, Schaukeln oder Spieltürmen. Sie sahen glücklich aus und ich musste bei diesem Anblick lächeln. Ich liebte Kinder, war allerdings oft eifersüchtig. Ich hatte keine schöne Kindheit gehabt. Dafür wusste ich aber, würde ich einmal Kinder haben, würde ich ihnen die Welt zu Füßen legen.
Wenn sich das mit Ash aber weiter entwickeln würde, würde das mit den Kindern nichts werden...
Oh mein Gott. Woran dachte ich hier bitte?
Als ob er mich gleich heiraten wollte, nur weil er um ein Gespräch gebeten hatte. Ja gut „Wir müssen reden“ klingt schon irgendwie nach Beziehungsstress, aber ich weiß auch nicht.

Außerdem mochte Ash mich gar nicht. Und ich mochte ihn auch nicht. Oder?
Ich war so verwirrt. Er verwirrte mich.

Ich seufzte, sah mir die Kinder weiter an und irgendwann entschloss ich, nicht länger zu warten, sondern einfach zu gehen.

Er würde bestimmt nicht kommen. Ich würde hier den ganzen Abend herumsitzen und warten und er würde nicht kommen.

Warum auch? Was sollte er schon mit mir zu tun haben wollen? Dass ich mich bei seiner Schwester entschuldigt hatte, machte nicht das wieder gut, was ich getan hatte.
Außerdem hielt ich ihm die Sache mich Jules immernoch vor.
Warum also hoffte ich, als ich den Spielplatz wieder verließ, dass er doch noch auftauchen würde?

Nüchtern betrachtet war dieses Treffen eine sehr, sehr dumme Idee, das wusste ich, aber ich konnte das verräterische Kribbeln in meinem Bauch nicht unterdrücken, als ich seine Stimme hörte. „Wieso denn so ungeduldig?“
Ich drehte mich um und sah einem grinsenden Ash entgegen, der die Hände wie immer in den Jackentaschen vergraben hatte.

Ich war ja eher der Hosentaschentyp, aber hei. Allein durch unser Image hatten wir schon genug Gemeinsamkeiten.

Er schlenderte auf mich zu, ich drehte mich wieder um und ging neben ihm her.
„Wo wolltest du hin?“, fragte er, während er sich umsah.
Wir waren mittlerweile bereits auf der Straße, ich lief einfach irgendwohin, möglichst weit weg von zuhause.

Ich zuckte als Antwort mit den Schultern. „Keine Ahnung. Vielleicht zu Candy oder so“
Ich sah aus den Augenwinkeln, wie er sich plötzlich anspannte.

„Ist sie deine Freundin?“, fragte er dann, ohne mich anzusehen. Ich lachte, was mir einen irritierten Blick von Ash einbrachte. Oh sah er heiß aus, wenn er die Augen so zusammenkniff.
„Nein, ich bin nicht mit ihr zusammen. Sie hatte ihre drei Mal mit mir.“
„Warum wolltest du dann zu ihr?“
Ich zuckte wieder mit den Schultern, während ich die Hände in den Hosentaschen vergrub. „Keine Ahnung. Wir haben abgemacht, Freunde zu bleiben, weil wir es vorher auch schon waren. Und naja, ich vermeide es früh nachhause zu kommen.“
Ash nickte verstehend.

Er warf mir immer wieder undefinierbare Blicke zu, doch ich war mir nicht sicher, ob ich mir das nur einbildete. Oder wünschte.

„Wenn du keine Lust auf Spasti oder Candy oder sonst wen hast, kannst du ja zu mir kommen“, schlug er dann vor. Seine Stimme ließ keinen Zweifel an der Ehrlichkeit seiner Aussage, was mich zum Lächeln brachte. Ich wusste nicht wieso, aber bereits damals wusste ich, dass Ash einmal meine Zuflucht werden würde.

Wir liefen noch eine Weile schweigend nebeneinander her. Es war still zwischen uns, aber das war sehr angenehm. Wir schwiegen uns nicht an, sondern schwiegen zusammen. Ich genoss das.
Doch irgendwann reichte mir das nicht mehr.
Wir waren in einen kleinen Wald gelaufen, der sich hinter dem Spielplatz erstreckte und waren gerade dabei, diesen wieder zu verlassen, als ich Ash zurückhielt.

Ich zog seine Hand dadurch aus seiner Jackentasche und irgendwie verschränkten sich unsere Finger automatisch ineinander.
Er blicke auf die Stelle.
Ich blicke auf die Stelle.
Er lächelte.
Ich lächelte.

Dann sahen wir beide hoch in unsere Augen.
Sein Daumen fuhr langsam über meinen Handrücken, für diesen Moment gab es nur diese eine Bewegung.
Mein Herzschlag beschleunigte sich, während ich weiter in seine braunen Augen sah.
Okay, ich starrte. Ich gebe es ja zu.

„Über was wolltest du mit mir reden?“, fragte ich irgendwann. Er lächelte noch immer, dann zuckte er mit den Schultern. „Keine Ahnung. Ich wollte einfach.“ Sein warmes Lächeln wandelte sich tatsächlich in ein unsicheres, was meines nur noch verstärkte.

Er war nicht der, für den er sich immer ausgab. Das hatte ich schon vorher gewusst, aber in diesem Moment wurde es mir erst so richtig klar.
Er war weder Fuckboy noch Badboy. Man konnte ihm keinen Stempel auf die Stirn drücken. Egal, was die Leute von ihm hielten oder wie sie über ihn redeten, das so war Ash einfach nicht.
Er war er.
Und ich wollte ihn.

Ich ging einen kleinen Schritt auf ihn zu, obwohl wir schon ziemlich nah zusammen gestanden waren und er zog die Augenbrauen hoch, als ich direkt vor ihm stand.
Ich löste meine Hand sanft aus seiner.
Er sah kurz verwundert aus, doch das änderte sich, als ich seinen Arm entlang nach oben und in seinen Nacken strich, wo meine Hand dann verharrte.

Er schluckte, sah mir weiterhin in die Augen.
„Bist du immernoch nicht schwul?“, fragte ich dann leise. Er schüttelte den Kopf.

Mir entging nicht, dass er versuchte, sich etwas größer zu machen, als er war, damit wir auf gleicher Höhe waren.
Ich fand es süß. Ich überragte ihn nur um ein paar Zentimeter, aber es gefiel ihm sichtlich nicht.

„Du?“, stellte er wie immer die Gegenfrage. Ich schüttelte ebenfalls den Kopf.

So standen wir nun dümmlich da wie zwei hypnotisierte Kaninchen, meine Hand lag in seinem Nacken und spielte mit seinen Haaren, wir starrten uns einfach nur an, keiner sagte ein Wort und keiner gestand sich ein, was das zwischen uns schon damals gewesen war.

Niemand kennt uns wirklich (BoyxBoy)Where stories live. Discover now