40. GRAYSON

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Ich saß am Esstisch und hörte Ashley und Asher im Flur schreien. Ich verstand jedes Wort und ich wäre liebend gerne eingeschritten, aber das war eine Sache, die sie unter sich klären mussten.

Erst, als ich eine Tür zuknallen hörte, stand ich auf, um nach Ash zu sehen.
Der stand einfach nur da, mit seinem typischen Ich-schlag-gleich-jemandem-die-Fresse-ein-Blick und starrte an die Wand.

Ich stellte mich vor ihn und drückte seinen Kopf an meine Schulter.
Er seufzte einfach nur und legte dann seine Arme um mich.

„Du weißt, dass es nicht stimmt, was sie gesagt hat, oder?“ Er nickte einfach nur, während er sich enger an mich schmiegte. Ich seufzte. Er glaubte mir nicht.
„Ash...“ Ich drückte ihn von mir weg, um sein Gesicht in meine Hände nehmen zu können. Er war zu willenlos, um sich zu wehren, also sprach ich weiter. „... du bist weder Schuld daran, dass deine Mutter mit meinem Vater durchgebrannt ist, noch daran, was aus deinem Vater geworden ist. Ashley hat nur irgendeinen Müll gelabert. Du bist weder kontrollsüchtig noch zeigst du anderen, dass du besser bist als sie, obwohl du es könntest. Ash, du bist der einfühlsamste, treuste und liebenswerteste Mensch, den ich kenne. Lass dich nicht von der pubertierenden Zicke fertig machen.“
Ash nickte wieder einfach nur abwesend.

Ich verstärkte den Druck auf seine Wangen, bis er mir richtig in die Augen sah. „Hei, ich liebe dich, okay? Wir schaffen alles zusammen“
Diesmal wirkte er, als habe er endlich zugehört. Ich war zufrieden und küsste ihn mit all der Zärtlichkeit, die ich zu bieten hatte.
Er lächelte mich leicht an, als mich mir wieder von ihm löste.

Es war ein wunderschöner Moment der Verbundenheit, doch dieser verging, als wir seine Schwester kreischen hörten.
Sie war mittlerweile wie ein normaler Mensch bekleidet, doch jetzt presste sie sich die Hand auf den Mund und starrte uns fassungslos an.

Keiner sagte etwas, keiner tat etwas, Ashley sah nur zwischen Ash und mir hin und her, während ihr die Tränen aus den Augen traten.
So verging eine ganze Zeit, bis sie aufeinmal zwischen Ash und mir stand und ihm eine schallende Ohrfeige verpasste.
Sein Kopf flog zur Seite, er schluckte und sah Ashley stumm an.
„Wieso tust du mir das an?!“, schrie sie weinend.
„Ashley...“ Ash hob die Hand, um die um sie Schulter seiner Schwester zu legen, doch sie schlug sie weg.
„Fass mich bloß nicht an! Du widerst mich an, Asher! Du bist so ekelhaft, merkst du das eigentlich? Grayson ist ein Mann! Du hast gerade einen Mann geküsst! Das ist so pervers. Wieso ausgerechnet er? Du weißt, dass ich ihn liebe!“

„Ich liebe ihn aber auch!“, schrie er plötzlich, Ashley zuckte zusammen, bevor er wieder zu Boden sah.

Dann war Ashley still. Alles war still.
Man hörte das sekündliche Ticken einer Uhr und Ashers Atem, aber ansonsten nichts.

Bis Isaac die Treppen herunter stürmte und zu uns eilte. „Was ist hier los?“, fragte er.
Er sah wie aufgelöst Ashley war und wollte sie in den Arm nehmen, aber sie stieß ihn weg.
Dann sah er wie aufgelöst Asher war, wollte auf ihn zugehen, aber er schüttelte den Kopf.
Dann sah er mich an. Ich erwartete, dass er mir eine Szene machte, dass er mich beschuldigte, doch das tat er nicht. „Bring Asher in sein Zimmer“, meinte er nur.

Ich nickte, nahm Ashs Hand und zog ihn hinter mir her in sein Zimmer.
Als ich die Tür zumachte, begann Ashley laut zu weinen, Treppenstufen ertönten und dann war es wieder leise.

Ich sah Ash an, Ash sah mich an. Ich wusste nicht, was ich sagen oder tun sollte, Ash wirkte so abwesend, dass es wehtat. „Ash, es tut mir leid“ Ich entschloss mich dafür, mich zu entschuldigen. Zwar konnte ich nichts dafür, dass seine Schwester so krank war, wie sie es nun mal war, aber ich fühlte mich dennoch verantwortlich.
Er sagte irgendwas, was ich aber nicht verstand. Als ich ihn bat, sich zu wiederholen, sprach er lauter.
„Du gehst jetzt besser“ Er war nicht mehr wütend, auch nicht mehr verletzt, er sah mich emotionslos an.
Ich wollte nicht gehen. Ich konnte ihn so unmöglich alleine lassen.  „Ash, bitte...“ Ich ging einen Schritt auf ihn zu, aber er ging einen zurück und schüttelte den Kopf. „Ich weiß, du bist gerade am Nachdenken und wägst ab, was Ashley gesagt hat, aber denk bei deinen Überlegungen auch an mich. Es mag egoistisch klingen, aber bitte brich mir nicht das Herz“
Ash reagierte nicht, also seufzte ich und ging.

Plötzlich fühlte ich mich leer. Ich wusste nicht, wo ich hin sollte, weil ich keine Lust darauf hatte, verprügelt zu werden, also lief ich Richtung Stadt und ging zu Candy. Es war schon ziemlich spät und draußen war es auch schon dunkel. Morgen war Freitag, also ein Schultag, das hieß, sie würde zuhause sein. Sie öffnete die Tür mit einem Lachen, was ihr aber verging, als sie mich sah.

„Oh Gott, Clade, was ist mit dir passiert?“ Sie zog mich in die kleine Wohnung und setzte mich auf ihrem Bett ab.
„Liebeskummer“, antwortete ich. Candy musterte mich besorgt, stellte ihren Sitzsack vor das Bett und ließ sich darin fallen.
„Erzähl“, forderte sie, also begann ich ihr meine Geschichte mit Ash zu erzählen. Es dauerte Stunden, bis ich beim heutigen Tag ankam. Candy hatte aufmerksam zugehört, hier und da verstehend genickt  und sah mich jetzt mitfühlend an.
„Also 1. Bin ich dankbar, dass ihr zwei endlich geschnallt habt, dass ihr euch liebt und 2. Ich verstehe Ashs Reaktion. Ich meine, die Dinge, sie seine Schwester zu ihm gesagt hat... Ashley war immer das Größte für ihn, es muss schwer für ihn sein, das jetzt zu verarbeiten. Lass ihn ein bisschen nachdenken, und dann wird er schon auf dich zukommen und wenn nicht, dann lass ihm das Wochenende Zeit und geh am Montag auf ihn zu. Das wird schon.“
Ich seufzte und lächelte sie dann dankbar an. Candy war einfach die Beste. Auch wenn man nicht ständig Kontakt zu ihr hatte, konnte man ihr vertrauen und im Notfall immer zu ihr kommen. Ich schätzte sie sehr. „Danke, Candy“
„Klar“ Sie winke ab, stand dann auf und ging in das anliegende Bad. „Du kannst heute Nacht hierbleiben, bevor du fragst“
Ja, ich hatte tatsächlich vor zu fragen. Ich ging ebenfalls ins Bad putzte meine Zähne, zog mich dann bis auf die Boxershorts aus und legte mich ins Bett. Ihr Bett war groß genug, dass wir uns nicht zu nahe kamen. Nicht, dass es mich interessiert hätte, aber ich wollte mich nicht so fühlen als würde ich Ash betrügen. Das tat ich aber nicht, denn Candy war naja, wie eine kleine Schwester für mich, nur hatte ich sie eben schon ein paar Mal gevögelt. Das würde aber jetzt sicher nicht mehr vorkommen.

Der nächste Schultag war ein Freitag, also hatten wir nicht so lange. Ich hielt die ganze Zeit Ausschau nach Ash, doch der war außerhalb des Klassenzimmers nirgends zu sehen. Nach der Mittagspause hatten wir nur noch zwei Stunden Kunst. Ich hatte ein paar Strichmännchen gemalt, obwohl das nicht die Aufgabe gewesen war, aber das war mir egal. Zu mehr war ich nicht im Stande. Ash war diese beiden Stunden nicht anwesend, also fragte ich Isaac nach Schulschluss wo er war.
„Keine Ahnung, vermutlich zuhause. Er hält Kunstunterricht eh für unnötig.“ Ich nickte verstehend, da er das ja auch war. „War gestern noch etwas? Also wegen Ashley“
Isaac seufzte. „Sie hat gesagt, dass sie Asher hasst und er nicht mehr ihr Bruder ist. Jetzt ist sie so quasi bei mir eingezogen, was ich für unnötig halte, aber ich werde sie einfach ein paar Wochen spinnen lassen und dann beruhigt sie sich schon wieder. An deiner Stelle würde ich nachher mal bei Ash vorbei schauen. Auch wenn er so tut, als hätte er gerade keine Lust auf dich, will er, dass du bei ihm bist. Er hat sein Kissen mit deinem Hoodie bezogen und sich dann daran gekuschelt. Wenn du mich fragst: Krank“ Er tippte sich an die Stirn, woraufhin ich lachen musste.
Außerdem war Ash schon ziemlich süß, vorallem wegen der Aktion mit dem Kissen.

Ich nahm mir fest vor, in ein paar Stunden zu Ash zu gehen, allerdings musste ich zuerst noch zuhause vorbeischauen.
Dass sich deshalb alles ändern würde, hätte ich nicht für möglich gehalten.

Niemand kennt uns wirklich (BoyxBoy)Where stories live. Discover now