2.18. ASHER

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Nach meinem Frühstück wollte ich mich noch umziehen. Ich wollte meine Sachen anziehen, die in denen ich mich wohlfühlte, und nicht die, die in meinem Kleiderschrank hingen.
Also ging ich in die Abstellkammer.

Die Tür dazu war angelehnt, ich hörte Pianoklänge von drinnen. Das verwunderte mich, weil außer mir niemand Piano spielen konnte.
Ich öffnete die Tür also  und sah Grayson vor dem Flügel sitzen. Um ihn herum stapelten sich Kisten und Gegenstände, aber er saß seelenruhig da und spielte eine wundervolle Melodie.
Warum auch immer musste ich lächeln, als ich das sah.
Ich lehnte mich gegen den Türrahmen und sah Grayson beim Spielen zu. Er bemerkte mich gar nicht.

Irgendwann aber klang etwas falsch, er hatte sich wohl verspielt, denn er ließ von den Tasten ab und fuhr sich erschöpft durch die Haare.
„Woher kannst du das?“ Er sah erschrocken zu mir, nachdem ich diese Frage stellte. Ich schlenderte zu ihm und setzte mich neben ihn.
„Du hast es mir beigebracht“, meinte er dann und wirkte dabei irgendwie traurig. Vielleicht, weil er sich verspielt hatte.
Ich legte meine Finger auf die Tasten und spielte das Lied, das ich eben von ihm gehört hatte. Als ich bei der Stelle ankam, die er falsch gemacht hatte, stupste ich ihn mit dem Fuß an, damit er hinsah. Er tat es, dann spielte ich das Lied zu Ende und sah wieder zu ihm. „Der Griff ist schwer, also mach dir nichts draus“
Er nickte nur und sah auf die Tasten.

„Bist du traurig?“, fragte ich nach einer Weile, weil er so aussah.

Er sah zu mir und schüttelte den Kopf. „Ich bin einfach... Keine Ahnung... Ich bin erschöpft und enttäuscht.“
„Wegen dem Lied?“, fragte ich verwirrt.
Er lächelte leicht. „Nein, nicht wegen dem Lied, Dummi. Ich weiß auch nicht. Ich habe eigentlich gedacht, dass ich mein Höchstmaß an Schmerz schon überschritten hätte, aber dich so zu sehen... Wie du dich benimmst, wie du die Leute um dich herum verletzt und es dir einfach scheiß egal ist. Das macht mich fertig“
Ich legte den Kopf leicht schief und sah ihn an.
Er sah mich ebenfalls an.

„Also bist du von mir enttäuscht?“, fragte ich nach einer Weile.
Er schüttle den Kopf. „Nein. Von mir selbst. Weil ich darüber nachgedacht habe, ob es nicht besser wäre, dich gehen zu lassen. Du erinnerst dich nicht an mich, du liebst mich nicht, ich bin dir schlichtweg egal. Du hast mit mir geschlafen, obwohl du wusstest, was es mir bedeutet, aber du tust so als sei es nie passiert. Du machst es mir so verdammt schwer, dich weiterhin so sehr zu lieben wie vor dem Unfall und weil du mich sowieso nicht hier haben willst, habe ich darüber nachgedacht zu gehen...“ Er lachte kurz ironisch, seine Augen wurden feucht. „...Und deshalb bin ich enttäuscht von mir, weil es egoistisch wäre. Wenn ich gehen würde, würde ich den einfachen Weg gehen. Aber nachdem meine Mum gestorben ist, hast du dich auch um mich gekümmert, obwohl du es nicht hättest tun müssen. Du warst in meiner schwersten Zeit für mich da, also will ich dich nicht alleine lassen. Egal, was du anstellst“

Ich sah ihn reaktionslos an, bis sich mir eine Frage stellte. „Wieso liebst du mich so sehr? Du könntest doch jeden haben oder jede. Wieso also mich?“
Er lächelte, hob die Hand, fuhr damit durch mein Haar. „Wenn ich das bloß wüsste“
Ich musste ebenfalls lächeln. Und es war diese Antwort, die bewies, dass Graysons Liebe echt war. Denn er versuchte keine Worte zu finden, um etwas zu beschreiben, das man nicht beschreiben konnte. Er wusste, dass es nichts gab, das das erklären könnte, was er fühlte und dies zeigte, dass seine Gefühle rein waren. Denn Gefühle waren da, es gab keinen Grund dafür. Doch so sicher wie ich mir dessen war, so sicher war ich mir auch, dass ich ihm das nicht antun wollte. Ich konnte seine Gefühle nie erwidern, ihn nie so lieben, wie er es verdient hatte. Ich kannte ihn ja nicht einmal richtig. Das einzige, was ich wusste, war, dass er der einzige war, bei dem ich mich noch wohl fühlte, das einzige, das mir irgendwie bekannt vorkam.
Aber das reichte nicht aus.
Weil es nichts war, im Gegensatz zu Graysons Gefühlen.

„Wie wär’s, wenn wir Freunde werden?“, hörte ich ihn dann sagen.
Ich sah ihn überrascht an. „Ich dachte wir sind verlobt, wieso willst du mit mir befreundet sein?“
Er lächelte, doch es war ein trauriges Lächeln. „Meinetwegen können wir auch gleich heiraten, aber wenn eine Freundschaft alles ist, was du mir geben kannst, gebe ich mich auch damit zufrieden.“
Ich nickte also zur Bestätigung des Vorschlages, doch ich ahnte schon, dass das nicht gut gehen würde.

Niemand kennt uns wirklich (BoyxBoy)Where stories live. Discover now