19. ASHER

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Nachdem der Coach aus der Halle verschwunden war, hatte ich mich ebenfalls verzogen und war ohne dort zu duschen auf mein Motorrad gestiegen und nachhause gefahren.
Ich hatte echt keinen Bock gehabt, Grayson beim Duschen zuzusehen, wie er sich einseifte, seine Haare, seine Muskeln, seinen...
Okay, stopp! Das musste aufhören!
Ich versuchte doch schon ihm aus dem Weg zu gehen. Sollte ich ihn töten und im Wald verscharren, damit er nicht immer in meinem Hirn herumspuckte oder was?

Und jetzt durfte ich auch noch meine Freizeit mit diesem Idioten verbringen! Womit hatte ich mir dieses Karma aufgeladen?
Okay, alleine die gebrochenen Frauenherzen reichten schon.

Ich stieg gerade aus der Dusche, als es an der Tür klingelte. Isaac war mit meiner Schwester und einer Freundin von ihr im Kino, also konnte es keiner von ihnen sein. Allerdings, hatten sie auch Schlüssel und würden deshalb nicht klingeln.

Ich band mir schnell ein Handtuch um die Hüften und ging zur Tür, öffnete sie. Davor stand kein anderer als... Mein Vater.

Er hielt eine halb volle Wodka Flasche in der Hand und mustere mich mit hochgezogenen Augenbrauen. „Den Körper hast du von deiner Mutter“, nuschelte er.

Ich verdrehte nur genervt die Augen, zog ihn ins Haus und schloss die Tür. Was mir nicht entging, war allerdings der schwarze Camaro, der auf der anderen Straßenseite parkte. Ich wusste, dass das Graysons Auto war, doch ich hatte keine Ahnung, was es dort zu suchen hatte. Sein Haus stand immerhin auf der anderen Seite.
Naja, vielleicht vögelte er gerade die Nachbarin, wer wusste das schon.

Ich schloss also die Tür wieder und sah zu meinem Vater, der auf dem Boden saß und an der Flache nuckelte.
Ich nahm ihm die Fasche weg, zog ihn auf die Beine und verfrachtete ihn auf das Sofa. „Dad, du musst aufhören zu trinken“, sagte ich, während ich in die Küche ging und drei Flaschen Wasser holte.
Ich hielt sie ihm hin, doch er sagte. „Ich muss aufhören zu trinken“
Ich öffnete kopfschüttelnd die Flasche, setzte sie an seine Lippen an und ließ ihn nicht protestieren, ehe ich den Inhalt hineinkippe. Er verschluckte sich zwar und die Hälfte lief wieder raus, aber das war nicht weiter tragisch, immerhin hatte er sich eh schon vollgekotzt. 
„Du sollst keinen Alkohol trinken, Dad. Wasser ist aber gut für dich.“

Er nickte verstehend, als sei er ein kleines Kind und ich seufzte. Man konnte sich denken, wenn man uns so sah, dass es nicht das erste Mal war, das sowas vorkam und es würde auch nicht das letzte Mal sein. Ich kümmerte ich weiter um meinen Vater, bis er eingeschlafen war, legte ihn seitlich hin, damit er nicht an seiner Kotze ersticken konnte und stellte einen Eimer neben das Sofa. Und verzog mich in mein Zimmer, zog mir Boxer, eine lange Hose und ein Shirt an, weil mir ziemlich kalt war. Kein Wunder, wenn man bedachte, dass ich nachts und noch nass vom Duschen im Haus herumgelaufen war. Eigentlich fror ich nicht schnell, aber ich befürchtete, ich hatte mir durch die Aktion eine leichte Erkältung einfangen.

Ich nehme alles zurück. Ich hatte mir eine starke Erklärung eingefangen.

Eine Woche später lag ich noch immer sterbenskrank in meinem Bett und hoffte auf einen baldigen Tod.
Okay, ich hatte nur eine Mandelentzündung, wie der Arzt, zu dem Isaak mich geschleppt hatte, festgestellt hatte, aber trotzdem ging es mir nicht gut. Ich wurde nicht oft krank, aber wenn dann so richtig.
Tja und jetzt lag ich hier und musste mich von meiner Schwester überreden lassen, eine Suppe zu schlurfen, die ich gar nicht wollte. „Clade hat heute wieder nach dir gefragt“, meinte sie irgendwann, nachdem sie die Schüssel seufzend abgestellt hatte, weil ihr bewusst geworden war, dass ich das nicht zu mir nehmen würde.

Jeden Tag kümmerten sie und Isaac sich um mich, was ich ziemlich süß fand, aber meistens verschlief ich die ganze Zeit.

Naja, zurück zum Thema. Grayson. Er war Dauerbesetzer meiner  Gedanken geworden und dass Ashley und Isaac mir jeden Tag sagten, er hätte nach mir gefragt, machte es auch nicht gerade besser. Eher schlimmer. Vor zwei Tagen hatte ich sogar geheult. Ich wusste, dass es am Fieber gelegen hatte, denn wenn ich krank war, begann ich immer ein komplett anderer Mensch zu werden. Ein richtiges Weichei. Dann schaute ich sogar freiwillig mit meiner Schwester Disneyfilme und weinte mit ihr zusammen. Ja, sie war 17 und liebte Disneyfilme. Krank sowas!

Auf jeden Fall machte sich Ashley Sorgen, weil ich eigentlich ziemlich selten weinte, doch dann letztens vor ihr in Tränen ausgebrochen war. Ich hatte einfach solche Hals- und Kopfschmerzen gehabt und mir ging es nicht gut. Und ich musste leiden und dann hatte ich eben geweint.
Okay, ich weiß, das war nicht gerade männlich, aber es hatte ja nur meine Schwester mitbekommen.

Was meinen Dad anging... Der war am nächsten Morgen wieder verschwunden gewesen, aber nicht, ohne meinen Geldbeutel auszuräumen. Da ich das bereits gewohnt war, hatte ich mein Geld woanders versteckt, sodass er nicht alles mitnehmen konnte.
Ich ging wenigstens arbeiten. Ich tat etwas für unsere Familie. Er betrank sich nur und beklaute dann seinen einzigen Sohn. Vielleicht war das auch ein Grund für meine Tränen.

Außerdem war da noch Grayson, der... „Oh Gott siehst du scheiße aus“ ...plötzlich in meinem Zimmer stand.
Ich sah zu ihm, zu Ashley, zu ihm, zu Ashley wieder zu ihm und schließlich an die Decke.

„Was macht der hier?“, versuchte ich zu fragen, doch es kam nur ein Krächzen heraus.
„Er meinte, dass der Coach ihn erpresst, wenn du kein echter Basketballer wirst, darf er kein Teamkapitän sein und so langsam scheint der Coach Stress zu schieben, weil er nicht glaubt, dass du wirklich krank bist. Und weil Clade nicht geglaubt hat, dass du dich von einer Mandelentzündung umhauen lässt, wollte er es sich mit eigenen Augen ansehen.“

Ich wollte Dinge sagen wie:
Und das lässt du zu?
Macht es dir nichts aus, dass es hier ist?
Er soll weiter gehen.
Er soll herkommen, mich in dem Arm nehmen und wieder loslassen.

Doch ich konnte nicht sprechen und das war auch gut so. War ich krank, benahm ich mich wie ein weinerliches Kind und das bekamen Isaac und Ashley seit einer Woche zu spüren.

„Ich lass euch dann mal alleine. Ich gehe mit Isaac einkaufen, brauchst du was?“ Ashley sprach mich zwar an, doch die wartete nicht auf eine Antwort, sondern stand einfach auf. Ich hielt sie am Handgelenk zurück und sah panisch von ihr zu Grayson. „Lass mich nicht allein“, krächzte ich. Sie seufzte, setzte sich wieder auf meiner Bettkante und strich mir die Haare aus dem Gesicht. „Clade passt auf dich auf, bis ich wieder komme. Ich muss jetzt mit Isaac einkaufen gehen, du weißt doch, dass er sowas nicht kann.“ Sie drückte mir einen Kuss auf die Stirn und lächelte aufmunternd. „Ich bringe dir Schokoladenpudding mit, okay?“ Ich nickte und lies sie dann gehen. Wenigstens etwas.

Erst als die Tür zuging und Grayson neben mir zu lachen anfing, realisierte ich, dass er auch noch da war. Ich hatte keine Lust auf ihn, also drehte ich ihm den Rücken zu.
Irgendwann würde er schon wieder gehen. Aber nein, das tat er nicht. Stattdessen legte er sich auf die andere Bettseite und schloss entspannt die Augen.

„Was soll das werden?“ Wieder nur der Hauch einer Stimme und wieder Schmerzen beim Sprechen. Ich hasste meine Mandeln!
„Ich passe auf dich auf. Nach was sieht es denn aus?“ Er lächelte mich an, ich drehte ihm wieder den Rücken zu. „Der Coach will bald Ergebnisse sehen, was dein Training angeht. Er glaubt du spielst nur krank, damit zu keine Zeit mit mir verbringen musst“

Ich drehte mich wieder zu ihm, damit er mich hören konnte, da meine Stimme nicht mehr als ein Flüstern war. „Ich bin aber krank“ Jetzt war ich beleidigt. Mir ging es wirklich schlecht.
„Ja, das sehe ich“ Gray legte sich anders hin, sodass er nun ebenfalls auf der Seite lag und mich ansehen konnte.

„Du findest mich hässlich“, stieß ich dann aus und begann fast wieder zu heulen. Er lächelte kurz unsicher, als könnte er nicht glauben, dass das gerade wirklich passierte, doch als er die Tränen in meinen Augen bemerkte, wurde sein Blick weich und er zog mich in seine Arme. „Nein, ich finde, du bist der schönste Mann auf der Welt. Nach mir natürlich“
Ich musste leicht lachen, was meinem Hals aber nicht gut tat, weswegen ich es sein lies. Gray ließ mich noch immer nicht los und ich wollte das auch gar nicht. Ich lehnte mich an ihn und genoss seine Wärme.

Wäre ich nicht krank, würde ich mich vermutlich wehren, da das alles andere als vernünftig war und die Schmetterlinge in meinem Bauch zum Flattern brachte, doch es war mit egal.

Ich bemerkte, wie schläfrig ich wurde, bis ich schließlich endgültig einschlief und das in den Armen eines Kerls.

Niemand kennt uns wirklich (BoyxBoy)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt