12. GRAYSON

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Als ich nachhause kam, schlief Spasti (Ich hatte die Bezeichnung von Ash übernommen, da sie besser passte als Stiefvater) bereits.

Nur meine Mutter war noch wach und machte den Abwasch, was eher ziemlich selten vorkam. Ich dachte, sie sei nüchtern und wollte mit ihr reden, aber den Vorsatz verwarf ich schnell, als ich ihre geweiteten Pupillen sah.

Ich konnte mich dann unbemerkt nach oben in mein Zimmer schleichen. Wie immer zog mich bis auf die Boxer aus, zog meinen Vorhang zur Seite und sah wieder zu Ashs Zimmer, wo das Licht noch aus war. Ich wartete, da er um einige Häuser herum gehen musste, wenn er nicht durch unseren Garten lief. Das Licht ging endlich an, ich erkannte Bewegungen eines Schattens, der immer kleiner wurde.

Dann riss ein oberkörperfreier Ash seine Vorhänge zur Seite und sah mich an. Unsere Häuser standen etwa in 100 Meter Entfernung, aber ich konnte ihn ganz gut erkennen. Seine Muskeln, sein strahlender Teint, das Lächeln auf seinen Lippen. Er musterte mich ebenfalls, was ich gern sah.

Irgendetwas hatte sich zwischen uns verändert, dadurch, dass wir nicht mehr gegenseitig aufeinander einschlugen und Gespräche geführt hatten, die länger gingen als „Halts Maul, Hurensohn“ oder „Ich steck dir deinen Kopf in den Arsch“

Ich lächelte ihn an, versuchte meine Dankbarkeit auszudrücken. Er verstand, nickte, zog seine Vorhänge dann wieder zu  und schaltete das Licht aus.

Ich seufzte und tat es ihm dann gleich.

Am nächsten Morgen ging ich extra früh aus dem Haus, damit ich nicht auf Spasti treffen musste. Ich fuhr in meinem Camaro auf den Schulparkplatz, schaltete die Massagefunktion des Sitzes ein und ließ es mir gut gehen.
Nicht mal die Lehrer waren schon da, was mich aber ehrlichgesagt auch nicht wunderte.

Ich drehte den Rückspiegel, sodass ich mich ansehen konnte, und schlucke. Ich sah so verdammt scheiße aus. Die Platzwunde an meiner Stirn blutete noch immer leicht, erst jetzt akzeptierte ich, dass sie tatsächlich ziemlich tief war. Mein Auge hatte nicht nur ein kleines Veilchen, sondern war komplett blau und angeschwollen, genau wie meine Unterlippe. Ich zog mir die Kapuze meines Hoodies über den Kopf, tief in das Gesicht und hoffte, mein Coach würde mich so nicht sehen. Er wollte anständige Männer in seinem Team, sagte er immer. Wer sich prügelte oder schlechte Noten schrieb, wurde aus der Mannschaft geworfen.
Natürlich würde ich, falls mich jemand fragen sollte, eine coole Geschichte erzählen, warum ich so aussah wie ich es tat. Die Wahrheit würde ich auf keinen Fall aussprechen und ich hoffte, Ash tat es auch nicht. Ich wollte nicht der kleine misshandelte Junge sein. Ich wollte es genießen, wenigstens hier bewundert und respektiert zu werden.

Ich bemerkte gar nicht, dass ich eingeschlafen war, bis jemand an meine Autoscheibe klopfte. Candy winkte stürmisch und lächelte mich an. Ich verdrehte gespielt genervt die Augen, war aber froh, dass sie da war und mich geweckt hatte. Ich deutete ihr wegzugehen, damit ich die Tür öffnen konnte und sie umarmte mich.

„Hei, neuer bester Freund“, meinte sie zwinkernd und ich zog die Augenbrauen hoch. „Neuer bester Freund?“, fragte ich.
Der Titel gefiel mir. Warum? Weil ein bester Freund in die Friendzone gehörte und genau das wollte ich bei Candy. Nicht mehr und nicht weniger. Wir waren ja auch schon befreundet gewesen, bevor ich mich durch die ganze Schule gevögelt hatte, also wieso jetzt nicht? Mein drei-Mal-ist-kein-Mal hatte ich ja bereits mit ihr.Ich

„Hast du dich schon wieder geprügelt?“, fragte sie, während sie unter meine Kapuze blickte und dann missbilligend den Kopf schüttelte. „Ich dachte, du würdest Asher endlich in Ruhe lassen“ Sie verschränkte die Arme vor ihrem sportlichen Yogakörper und sah mich an wie eine Mutter. Ich mochte das. Sie machte sich sorgen um mich. Das tat meine Mum nicht.

Niemand kennt uns wirklich (BoyxBoy)Where stories live. Discover now