6. GRAYSON

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Ich lag schwer atmend neben Candy, während sie sich gerade in meinen Arm schmiegte. Sie legte ihren Kopf auf meiner Brust ab und strich über meinen nackten Oberkörper.

„Seit wann drückst du mich nicht weg, wenn ich kuscheln will?“, fragte sie verwundert und hob ihren Kopf wieder, um mich anzusehen. Ich zuckte mit den Schultern und starrte weiterhin auf die Decke.
„Komm schon Clade, was ist los? Muss ich mir Sorgen machen?“
„Nein, musst du nicht, weil wir nicht zusammen sind. Außerdem ist bei mir alles bestens.“ Ich sah sie nicht an, konnte aber im Augenwinkel erkennen, wie verletzt sie war, also wandte ich ihr mein Gesicht doch zu.
„Du weißt doch von meiner dreimal-ist-kein-Mal-Regel.“ Sie nickte nur abweisend.

Eigentlich interessierte es mich nicht, wie es den Mädchen ging, nachdem ich sie abserviert hatte, doch bei Candy hatte ich ein schlechtes Gewissen. Ich bewunderte sie und ich mochte sie. Mehr aber auch nicht.

„Vielleicht können wir trotzdem Freunde bleiben und hin und wieder zeige ich dir, was ich im Yoga gelernt habe“, schlug sie dann vor und ich grinste. Oh ja, ihre Yoga Übungen waren die besten. Ich lächelte sie an, wodurch ich zustimmte, mit ihr befreundet zu bleiben. Eigentlich tat ich das nie, weil Frauen nur zum ficken gut waren, aber ich konnte es ja mal versuchen. Immerhin waren meine Freunde nicht gerade vertrauenswürdige Personen und Candy kannte mich schon länger, weil wir in der 6. Klasse eine kurze „Beziehung“ geführt hatten. Mit Beziehung meine ich, wir hatten uns wie die größten gefühlt, weil wir uns feuchte und eklige Küsse auf den Mund gegeben hatten und uns das vor allen anderen.

„Was findest du an Männern gut?“, fragte ich irgendwann in die Stille, nachdem sie sich wieder an mich gekuschelt hatte.
Sie sah mich verwundert an und kicherte. „Naja, meinst du in dem Sinne von Beziehungstauglichen Männern oder zum ficken?“ Ich zog die Augenbrauen hoch. „Erklär mir den Unterschied.“

Sie beugte sich über mich, hob meinen Hoodie vom Boden auf und zog ihn über, ehe sie sich hinsetzte und zu erzählen begann. „Also Beziehungstaugliche Männer müssen sensibel sein, empathisch, müssen immer wissen, wie es ihrer Partnerin geht, auch ohne, dass sie es sagt. Naja, sie müssen alles für die Person tun, die sie lieben. Aber wenn man die rosarote Brille weglässt und das ganze nüchtern betrachtet, wollen alle nur einen starken Mann, der sie auf Händen trägt. Nach außen Badboy und innen Softie. Sowie du einer bist“
Ich lachte und zog mir meine Boxer und meine Hose über, ehe mich wieder zu ihr ins Bett legte. „Ich? Ich bin bestimmt kein Softie“ Ein Weichei trifft es eher...

„Doch bist du, du willst es nur nicht zeigen seit der Sache mit Jules.“ Ich bemerkte, wie mein Blick ernst wurde und ich die Zähne zusammen biss. Und ja, sie hatte Recht.

Ihr entging nicht, dass mir dieses Thema nicht gefiel, also ging sie zu einem anderen über. „Naja, Asher ist auch so wie du. Er spielt sich als den größten auf, hat immer eine große Fresse und verprügelt gleich jeden, der ihm nicht gefällt, aber er hat einen weichen Kern.“
Ich zog die Augenbrauen zusammen, dachte an Asher, sein wutentbranntes Gesicht, wenn er auf mich einschlug, wenn wir uns prügelten, und schüttelte den Kopf.
Der Typ sollte einen weichen Kern haben? Wo denn? Falls ja, versteckte er ihn auf jeden Fall gut.
Nicht, dass es mich interessierte und ich darüber nachdenken wollte, aber irgendwie beschäftigte mich das mehr als ich zugeben wollte.
Ich wusste natürlich, dass Ash im Inneren ein riesen Softie war, aber nur wenn es um meine Schwester oder seine Mutter ging.

Ansonsten war er einfach nur ein Arschloch auf zwei Beinen, das seinen Schwanz in alle möglichen Öffnungen schob, wenn es die Gelegenheit hatte. Nicht viel anders als ich also.

„Denkst du an Ash?“, unterbrach Candys Stimme meine Gedanken und ich schüttelte den Kopf. „Wieso zum Teufel sollte ich an Asher denken?“ Candy zog die Augenbrauen hoch. „Clade, wir kennen und jetzt seit wie vielen Jahren? 7? Ich kenne deinen Blick, wenn du an Ash denkst“ Meine Augenbrauen wanderten noch weiter nach oben, falls das überhaupt möglich war.
Was wollte sie denn damit sagen?
Okay, es war schon oft vorgekommen, dass ich in Gedanken an ihn abdriftete, aber doch nur, weil ich ihn so hasste und mir überlegte, wie ich ihn am besten verprügeln konnte. Oder?

Fuck, egal wieso ich an ihn dachte, das musste aufhören. Und zwar schnell.

Ohne etwas zu erwidern ging ich zum Fenster, holte mein Shirt, das durch den Raum geflogen war und zog es über. „Den Hoodie kannst du behalten“, sagte ich nur noch, ehe ich aus der Tür ging und verschwand.

Auf dem Weg nachhause-es war bereits dunkel- dachte ich darüber nach, was Candy gesagt hatte.
Ich hatte einen speziellen Blick, wenn ich an Ash dachte?
Wie sollte der denn bitte aussehen? Wütend? Verärgert? Aggressiv?
Ich wusste es nicht und es war mir auch egal. Ich wollte einfach nur, dass es aufhörte.

Es konnte doch nicht sein, dass ich meine Gedanken jetzt, wo wir keine Feinde mehr waren-zumindest nicht direkt- immernoch nicht von ihm losreißen konnte.

Ich dachte an seinen Blick, nachdem uns die Lehrerin ihr Angebot unterbreitet hatte. Er war schockiert gewesen, genauso wie ich. Angewidert. Es ekelte ihn an, sich vorzustellen, wie er und ich... Ja, das verletzte mich, immerhin sah ich schon gut aus.

Aber naja, Ash war eben nicht schwul und ich war es auch nicht. Trotzdem hörte ich noch immer seine Stimme, wie er mir zugeflüstert hatte und spürte seine Lippen an meinem Ohr.

Oh Damn! Er hatte so weiche Lippen!

Seine Stimme jagte mir eine Gänsehaut durch den ganzen Körper, auch wenn sie nur in meinen Gedanken sprach.

Ich konnte nicht verleugnen, dass seine Hand auf meinem großen Grayson, gepaart mit seinen Worten einfach nur... Geil... gewesen waren.
Ja, es hatte mich angemacht und ich wusste, dass es ihm genauso gegangen war.

Trotzdem hatte er es nur getan, um mich zu provozieren und das wusste ich auch. Wer konnte sagen, was er noch getan hätte, hätte ich seine Schwester nicht erwähnt. Wer konnte sagen, wie viel ich noch zugelassen hätte.

Ich kam an der Haustür an und sperrte auf. Ich musste nur drei Schritte gehen und mein Stiefvater stand direkt vor mir. Ich schluckte.
„Wo warst du?“ Seine Stimme und sein ganzes Auftreten machten mir Angst, vertrieben die schmutzigen Gedanken an Ash und ließen mich zu dem kleinen Jungen werden, der ich im Inneren war.
„Ich war noch bei einer Freundin.“, gestand ich leise, sah hinter ihm ins Wohnzimmer und erblickte meine Mutter, die auf dem Sofa lag und sich nicht rührte.

Ich wollte an meinem Stiefvater vorbeigehen, aber George packte meinen Arm und stieß mich gegen eine Wand. „Habe ich das Gespräch beendet?“, fragte er wütend. Ich schüttelte den Kopf und murmelte eine Entschuldigung. Man war ich froh, dass die Leute aus der Schule, vorallem Asher, mich nicht so sehen konnten. Ich benahm mich wie ein Mädchen.

„Gut, dass du dich entschuldigst, Junge, aber Strafe muss sein“ Er holte einmal mit der Faust aus und schlug mir direkt in die Fresse, sodass ich Blut schmeckte.
Ich schluckte es herunter, statt es wie beim letzten Mal auf den Boden zu spucken, da mir das nur noch mehr Ärger einbringen würde.

Ich warf einen Blick auf Mum, sie lag noch immer auf dem Sofa. „Sie schläft nur. Geh in dein Zimmer und lerne, ich will keine schlechten Noten mehr von dir sehen“ Er ließ mich los, als sei nichts passiert und ich stürmte an meiner schlafenden Mutter vorbei auf die Treppe zu und hoch  in mein Zimmer, wo ich den Schlüssel drehte und einmal tief durchatmete.

Ich ging ins Bad und nahm erstmal Wasser in den Mund, um ihn von dem Blutgeschmack zu befreien. Ich erkannte, dass meine Unterlippe aufgeplatzt war und einfach nicht aufhören wollte zu bluten.Ich

Ich starrte mich im Spiegel an, erkannte mich nicht wieder. Naja, ich erkannte den Fuckboy nicht wieder, aber dafür aber mein wahres Ich.
Den Typen, der es bereut, Frauen zu verletzten, den, der lieber lernt, statt auf Partys zu gehen, den, der die Aufmerksamkeit hasst, die auf ihm liegt und den, der einfach nur Angst hat. Angst, verletzt zu werden, körperlich wie auch psychisch.

Ich seufzte. Nur noch ein Jahr und ich würde frei sein. Ich musste einfach durchhalten. Also nahm ich mir ein Tuch, presste es auf meine blutende Stelle, ging zurück in mein Zimmer, das sofort an mein eigenes Bad anschloss, öffnete das Fenster und sah über den Garten hinweg auf das Haus gegenüber.
Von hier aus hatte ich den perfekten Blick in Ashers Zimmer.
Ich beobachtete ihn jeden Abend, seit mein Vater mit seiner Mutter durchgebrannt war, doch diesmal fühlte ich keinen Hass dabei, sondern Sehnsucht.

Sein Licht war bereits erloschen, wodurch ich nichts erkennen konnte, also zog ich mich bis auf die Boxer aus und schmiss mich auf das Bett.
Ein Gedanke reichte und ich schlief sofort ein.

Niemand kennt uns wirklich (BoyxBoy)Dove le storie prendono vita. Scoprilo ora