2.20. ASHER

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Seit ich Grayson freigegeben hatte, waren nun zwei Wochen vergangen. Mir war die ganze Zeit nach heulen zu mute. Ich wusste nicht, wieso, immerhin liebte ich ihn nicht und er war mir egal, aber seit er vor einer Woche ausgezogen war, lag ich nur noch in meinem Bett und roch an den Kissen. Aber der Geruch war weg. Und ich war hier mit diesem seltsamen Gefühl im Bauch.
Es war nicht wirklich ein körperliches Gefühl, eher so als würde meine Seele wehtun.

Es war ein dumpfer Schmerz, aber er war vorhanden und das Schlimme dabei waren meine Gedanken, die sagten, Gray könnte diesen Schmerz lindern.
Aber ich verstand einfach nicht wieso.

Er wusste mehr über mich als ich selbst und das machte mir unglaublich Angst. Dann war da noch die Ehrlichkeit, mit denen er mir seine Gefühle darlegte.

Ich war überfordert und verwirrt.
Ich wollte heulen und sterben.
Aber dabei dachte ich nur an Grayson und das machte mich verrückt.

Irgendwie hatte ich es ja doch genossen, wie er mich umworben hatte, mir gesagt hatte, wie sehr er mich liebte. Und jetzt war all das nicht mehr da und ich fühlte mich schlimmer denn je.

Ich war ganz allein, denn Isaak hatte ich durch meine Aktion mit Jules vergrault und Ashley hatte sich bei mir nicht mehr blicken lassen, seitdem ich sie als Schlampe bezeichnet hatte.
Keine Ahnung, wieso, ich hatte es einfach getan.
Ich wusste, dass ich Aggressionsprobleme hatte, doch bisher hatte ich nie die Menschen verletzt, die ich liebte.
Naja, jetzt schon nur eben durch Worte und Taten.

Irgendwie war es so, dass ich mich plötzlich selbst hasste.
Mich, mein Verhalten, mein Leben.

Ich lag also mal wieder einfach so in meinem Bett herum und hing meinen Gedanken nach, die einfach kein Ende finden wollten, doch irgendwann hatte ich das Gefühl, die Antwort auf meine Hilflosigkeit war ganz nahe.

Ich sah auf meine Hände und erblickte den Ring an meinem Finger. Ein Bild flackerte vor meinem inneren Auge auf. Ich hörte Graysons Stimme, die irgendetwas sagte, doch so schnell wie das passiert war, war es auch schon wieder weg.

Ich drehte gelangweilt an dem Ring an meinem Finger herum und hoffte auf Erleuchtung, aber ich fand sie nicht.
Wie die letzten Tage auch griff ich wieder zu der Schublade von dem Schrank neben meinem Bett und zog den Stapel an Bildern heraus, die ich vor meinem Zimmer gefunden hatte.
Ich blätterte sie durch, wobei meine Brust jedes Mal schmerzte, weil ich sah, wie glücklich ich gewesen war. Mit Grayson.

Ich verweilte länger an einem Bild, das mich kuschelnd mit Gray auf dem Sofa zeigte. Es lief gerade der Vorspann von einem Liebesfilm, auf dem Tisch stand Schokoladenpudding, das Licht war gedimmt, nur Kerzen erhellten den Raum. Und ich lag lächelnd auf Grays Brust, der mir tief in die Augen sah, während seine Hand an meiner Wange war.
Ich fühlte daraufhin etwas Komisches in mir. Eine aufkeime Wut. Doch es war nicht die übliche Wut. Es war etwas Ähnliches.
Es war Eifersucht.
Ich war eifersüchtig auf mich selbst, so weit war es schon gekommen.
Und ich verstand es nicht mal.
Immerhin empfand ich ja nichts für ihn. Er war einfach nur ein Junge, mit dem ich geschlafen hatte.

Diesmal war es richtige Wut, die ich spürte, als ich alle Bilder unbeherrscht auf den Boden warf und sie sich in meinem Zimmer teilten.

Wieso ich wütend war? Weil ich begriff, dass ich mir selbst etwas vorlog.

Ich stieß einen zornigen Laut aus, doch ebenfalls verließ meine Kehle ein Schluchzen. Ich konnte mich nicht daran erinnern, jemals so viel geweint zu haben wie in letzter Zeit. Vermutlich war ich eben doch einen richtige Schwuchtel.

Ich verlagerte meine Heulerei vor das Fenster, von wo aus ich auf Graysons Haus sehen konnte.
Ich wusste nicht, wieso, es passierte einfach.
Und als ich ihn dann am Fenster stehen sah, wusste ich, er war es, worauf ich gewartet hatte.

Er sah ebenfalls zu mir und musterte mich genau. Ich versuchte mir unauffällig die Tränen weg zu streichen, doch es flossen immer neue nach. Ich schämte mich dafür, doch ich konnte meinen Blick nicht von Gray nicht losreisen.

Nicht, bis er vom Fenster wegging. Ich sah enttäuscht weiterhin darauf, bis plötzlich Musik anging.

Danach sah ich, wie er wieder am Fenster stand, die Vorhänge ganz aufzog, mich anlächelte und dann begann zu tanzen.
Ich war verwirrt, sah ihm aber dabei zu.

Irgendwann zog er dann während dem Tanz sein Shirt aus und tat so, als sei es ein Lasso, was mich herzlich lachen ließ.
Als er dann auch noch seinen Gürtel weg machte und ihn schnalzen ließ wie eine Peitsche, konnte ich mich fast nicht mehr halten. Er hatte seinen Spaß, ich bemerkte gar nicht, wie ich aufgehört hatte zu weinen, doch als das Lied zu Ende war und Gray mit der Show aufhörte, realisierte ich, dass er der einzige war, der mich in solch einem verzweifelten Moment noch zum Lachen bringen konnte.
Und das verwirrte mich noch mehr, doch gleichzeitig gab es mir auch die Sicherheit, dass er meine Zuflucht war, egal, was passierte.

Gray verschwand wieder vom Fenster, ich sah enttäuscht zu ihm, doch er kam relativ schnell wieder mit einem großen Block. Dann schrieb etwas darauf und drehte ihn dann, sodass ich es lesen konnte.
„Du bist viel zu schön, um zu weinen“
Er lächelte mich an, ich lächelte zurück. Dann riss er das Blatt weg und legte es beiseite, schrieb erneut etwas.
Soll ich rüber kommen?“ Er legte den Kopf schief und sah mich fragend an.

Ich wusste, auf welche Antwort er hoffte und ebenfalls wusste ich, dass  ich die Chance hatte durch ein Nicken mein gesamtes Leben zu verändern.
Aber das machte mir keine Panik. Es gab mir ein gutes Gefühl, denn endlich hatte ich wieder etwas Macht über mein eigenes Leben.
Jetzt galt es herauszufinden, was ich damit anstellen wollte.

Niemand kennt uns wirklich (BoyxBoy)Where stories live. Discover now