Bleib bei mir

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„Sag bitte auch Chris Bescheid. Die Anderen sind bei ihm... Ich mach mich sofort auf dem Weg... Alles klar... bis gleich...!"
Paul warf sein Handy zurück in ein Fach, wendete seinen Van und gab Gas. Scarlett hielt sich fest und sah zu ihm.
„Wo!" fragte sie dann und starrte ihn an.
„In einer Seitengasse des Künstlerviertels am Stadtrand."
„Da?"
„Ja... da wäre ich nie drauf gekommen."
„Was wahrscheinlich sein Plan war. ... Aber woher weiß Robert das?"
„Ich hab keine Ahnung, aber das ist mir ehrlich gesagt, ziemlich egal... Die Hauptsache ist, wir kommen noch rechtzeitig."
Scarlett nickte und schickte ein Stoßgebet Richtung Himmel. Hoffentlich waren sie nicht zu spät.

Paul fuhr so schnell er konnte durch die Stadt. Sie hatten an der völlig falschen Stelle mit dem Suchen angefangen. Jede rote Ampel verfluchte er und er versuchte die typischen Traffic-Staus in der Innenstadt zu umfahren.
Langsam wurden die Häuser schäbiger und die Straßen räudiger. Sie bogen in eine weitere Straße ein. Schon von weiten sah man die unzähligen Bars, Restaurants und Clubs. Die blinkenden Lichter waren jetzt, wo die Sonne bereits untergegangen war, fast schon störend. Überall blinkte und flimmerte es. Die Partynacht startete in dieser Stadt in jeder Nacht.
Solche Orte gab es zwar überall in LA aber hier war sie anders. Lauter, greller, hektischer. Gangs hatten hier die Macht über die Straßen genommen und das merkte man.
Doch für all das hatte weder Paul noch Scarlett ein Auge. Sie kannten die Ecke zwar, haben sie aber immer gemieden. Menschen wie sie gehört einfach nicht in diese Teil der Stadt.
„Da vorne muss es sein!" sagte Scarlett und deutete auf eine Bar. Wenigstens hatte die Robert vorhin am Telefon genannt.
Mit quietschenden Reifen blieb Pauls Van vor der Bar stehen. Er sprang mit Scarlett aus dem Auto und sah sich um.
„Und wohin jetzt?" fragte Scarlett unruhig.
„Robert sagte, in der Straße neben der Bar! Nur welche...!"
„Davorne ist eine Seitenstraße..." rief Scarlett und lief los.
Paul folgte ihr sofort und nur einige Sekunden später blieben sie in der Seitenstraße stehen. Sie war dunkle und schmutzig. Lediglich eine flackernde Straßenlaterne war zu seinen. Ein Ratte huschte wenige Meter vor ihnen von eine auf die andere Seite und im Schatten der Häuserwand konnte man schemenhaft etwas am Boden erkennen.
„Hallo?" rief Paul und kniff die Augen etwas zusammen.
„Hilfe! Schnell helft mir!" erklang die Stimme von einer Frau.
Paul schaute auf Scarlett, dann liefen sie los.
Bald erkannten sie eine Frau am Boden hocken. Sie hielt einen Mann im Arm, den Paul bald erkannte.
„Jeremy!" rief er aus und wurde schneller.
Bald schon kniete er neben Jacky und Jeremy und fühlte sofort am Hals des Freundes nach einem Puls.
„Was ist passiert?!" fragte Scarlett dann an Jacky gewandt.
„Ich.. ich weiß es nicht... er war nebenan in der Bar. Er hat viel getrunken... auf einmal hatte er eine Waffe und ... bedrohte mich kurz damit... Dann wurde er rausgeschmissen... Ich wollte ihm helfen, aber er lief einfach weiter in diese Gasse... und dann... hat... hat er sich die Waffe an den Kopf gehalten... ich... hab dann wie in Trance gehandelt und ihm ... die Holzlatte vor dem Hinterkopf geschlagen.... Dann ist er zusammengebrochen. ... Ich wollte das nicht... wirklich...!" Ihr liefen Tränen der Verzweiflung über die Wangen.
„Schon gut... du hast ihm wahrscheinlich das Leben damit gerettet" sagte Scarlett ruhig.
„Aber... er wird nicht wach...!" Sie sah wieder zu Jeremy.
„Sein Puls ist unregelmäßig... Weißt du ob er irgendwelche Drogen genommen hat!" ernst schaute Paul auf Scarlett.
„Nein... ich hab nur Alkohol gesehen. ... Aber er war schon da, als ich kam."
Paul nickte und griff in Jeremys Hosentaschen. Dann zog er mehrere kleine Tüten raus, voll mit kleinen Tabletten und Pulver.
„Verdammter Scheiß." Fluchte Paul und auch Scarlett erschrak. Wirklich Kontakt hatte sie nie mit Drogen gehabt. Jetzt soviel bei einen ihrer bestens Freunde zu sehen, versetzte ihr nicht nur einen Stich ins Herz sondern sie fühlte sich auch völlig geschockt.
„Kannst du ihm helfen, Paul... Bitte...!" flehte Jacky ihn an.
„Niemand kann ihm mehr helfen...!" fluchte Paul, griff nach seinem Handy und rief die Notrufnummer an. Er berichtete kurz wo sie waren und was passiert war, dann legte er wieder auf.
Alle schwiegen kurz und schauten auf Jeremy. Scarlett hatte ebenfalls Tränen in den Augen und starrte Jeremy ist das schmutzig verschmierte Gesicht. Das hier war kein Film... das hier war die bittere Realität.

Sie hörten Stimmen und Paul schaute auf.
Chris, Bina und Poldi kamen in die Gasse gelaufen und kurz dahinter tauchten auch Robert und Kiwi auf. Alle stürmten zu den Anderen.
„JEREMY!" rief Poldi und rannte zu ihm.
Jacky verzog kurz das Gesicht, stand dann aber auf und überließ Jeremy den Freunden. Poldi zog Jeremy sofort in ihre Arme und strich ihm sanft durchs schmutzige Haar.
„Sweetheart... ich bin da... jetzt wird alles gut...!" sagte sie und küsste immer und immer wieder seine Stirn. „Halt aus... bleib bei mir... bitte...!" flüsterte sie unter Tränen.
Robert hob in diesem Moment die Waffe auf und sah zu der Gruppe.
„Das hätte auch... einen bitteren Nachgeschmack haben können!" stellte er fest und reichte die Waffe an Chris weiter. Dieser entfernte das Magazin.
„In der Tat... Gott sei Dank haben wir ihn rechtzeitig gefunden!" sagte Chris dann. „Nicht auszumalen wenn wir zu spät gekommen wären."
„Noch ist er nicht übern Berg. Anscheinend hat er einiges an Alkohol und Drogen in sich!" sagte Paul und öffnete seine Hand, in der er noch immer die Tüten mit den Drogen hielt.
Robert pfiff durch die Zähne.
„Das ist ordentlich viel!" sagte Chris dann.
„Hoffen wird jetzt mal, dass er das gerade erst gekauft hat." Sagte Robert dann und schaute auf Jeremy.
„Gibt es in dieser Gegend denn Drogen?" fragte Bina und schaute auf Robert.
„Liebchen... Drogen bekommst du in der ganzen Stadt, an jeder Ecke. Du musst nur die Leute kennen, die das Zeug verticken und dann bekommst du es auch." Antwortete Robert.
„Das heißt, es könnte überall her sein." Sagte Bina dann.
„Nicht unbedingt... wahrscheinlich hat er einen festen Dealer. ... Das ist in der Szene so. ... Wenn man der Meinung ist, den richtigen gefunden zu haben, geht man immer wieder zu diesem Jemanden hin." Erklärte Robert.
„Habt du einen Arzt angerufen?" fragte Chris jetzt und schaute auf Paul, dieser nickte.
„Ja... der Notarzt müsste gleich hier sein. ... Wir können ihm nicht mehr helfen." Antwortete diese.
„Ich hoffe er lässt sich helfen!" sagte Kiwi jetzt besorgt.
„Er muss .... Er muss einfach!" sagte Paul und schaute auf seinen Freund, der noch immer bewusstlos in Poldis Arme lag.
Poldi hatte die Arme fest um ihn geschlungen und sprach leise auf ihn ein. Sie hoffte, dass er es irgendwie hörte. Er musste einfach.

Jacky stand abseits der Gruppe und beobachtete die Szene.
Das man sie völlig ausgeblendet hatte, tat er irgendwie weh. Immerhin war sie es gewesen, die Jeremy am Selbstmord gehindert hatte. ... Allerdings war sie auch Schuld daran, dass Jeremy überhaupt so weit gegangen gehen wollte. Oder?
Sie kaute auf ihrer Unterlippe.
Sollte sie ehrlich zu den Freunden sein und sagen, dass sie an allem Schuld war? Sie würde niemals ein Teil von ihnen sein. Sie hielten zusammen, so wie es ihr immer wieder erzählt wurde. Dabei wollte sie doch nur irgendwie dazu gehören.

Blaulicht erhellte rhythmisch die dunkle Gasse und kurz darauf kamen zwei Ärzte auf die Gruppe zuglaufen. Poldi übergab ihnen nur wiederwillig Jeremy und beobachtete alles mit Adleraugen.
Paul war dabei geblieben, während die Anderen etwas Abstand hielten.
„Wissen Sie wie viel Alkohol er getrunken hat?" fragte einer der Ärzte und legte Jeremy eine Blutdruckmanschette an den Oberarm.
„Viel... Aber vermutlich auch eine Menge Drogen!" sagte Paul.
„Welche Drogen?"
„Keine Ahnung... aber vermutlich einen Teil von denen hier. ... Die haben wir in seiner Hosentasche gefunden." Paul reichte einem der Ärzte die Tütchen.
„Die nehmen wir zur Analyse mit."
Paul nickte.
Zwei Sanitäter kamen gerade dazu. Dabei hatten sie eine Liege auf die Jeremy vorsichtig gelegt wurde.
„Wo bringen Sie ihn hin?" fragte Poldi besorgt. Paul stellte sich neben sie und legte einen Arm um sie.
„Ins Cedars-Sinai Medical Center." antwortete einer der Ärzte knapp und legte bei Jeremy eine Infusion an.
„Darf ich bitte mitfahren. Ich will ihn nicht allein lassen. Bitte!" sagte Poldi sofort.
Der Arzt sah sie an
„Wer sind Sie?" fragte er dann.
„Seine Verlobte!" sagte Paul direkt und Poldi nickt.
„Gut... kommen sie!" Der Arzt nickte den Sanitätern zu und diese schoben die Liege mit Jeremy so schnell es ging Richtung Krankenwagen, der an der Straße stand. Poldi lief ihnen hinter
„Wir fahren hinterher...!" sagte Paul entschlossen und schaute zu seinen Freunden.
„Auf jeden Fall!" sagte Chris sofort und auch die anderen nickte.
Schnell liefen sie zu ihren Autos zurück, warteten darauf, dass sich der Krankenwagen in Bewegung setzte und fuhren dann nacheinander dem Krankenwagen hinterher.

Jacky war langsam hinterher gekommen und schaute den blinkenden blauen Lichtern hinterher, bis sie hinter einer Straßenkreuzung verschwanden. Das Martinshorn war allerdings noch eine Zeit lang zu hören, wurde am bald auch von den Geräuschen der Straße verschluckt.
„Hey Jacky! Wo bleibst du denn?" rief eine Stimme von der Tür.
Jacky drehte sich zu ihr und schaute auf die Freundin. In diesem Moment fiel ihr ein, dass sie ja nicht allein hier war.
„Ich komme!" sagte sie und atmete tief durch. Sie wischte sich kurz über das Gesicht, das auch die letzten Tränen weggewischt waren und ging zurück in die Bar zu ihren Freundinnen.
Doch so wirklich konnte sie sich nicht mehr auf die Feier konzentrieren.
Ihre Gedanken waren bei Jeremy und sie hoffte, dass er es wirklich schaffen würde.

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