Sillvenger-Power

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Gegen 16 Uhr machte Poldi dann Feierabend.
Sie war nach de Gespräch in der Maske noch etwas bei ihren Freunden geblieben und dann wieder zurück in ihr Büro gegangen. Da sie sich mit dem Programm mittlerweile gut auskannte, ging die Arbeit langsam aber sicher gut von der Hand. Sie fühlte sich wohl und es war genau ihr Ding.
Sie hatte sich vorgenommen nach der Arbeit direkt zum Krankenhaus zu fahren um Jeremy zu besuchen. Sie hatten viel nach zu holen und wahrscheinlich auch noch viel zu besprechen. Jeremy war durch die Hölle gegangen, das alles musste er jetzt verarbeiten und ihr war es ohne ihn auch nicht gut gegangen. Sie brauchten sich jetzt gegenseitig und nur das Schreiben via WhatsApp war einfach nicht das gleiche.

Als sie das Büro verlassen hatte, wurde ihr im Flur kurz schwindelig und sie musste sich für einen Moment an die Wand lehnen. Langsam nervte dieser Schwindel und die immer wiederkehrende Übelkeit schon. Sollte sie doch zum Arzt gehen? Aber wahrscheinlich lag es an der Hitze, die vor allem hier im Gebäude stand wie nirgendwo anders. Sie freute sich nachher auf eine kalte Dusche oder einem kurzen Bad im Pool. Danach würde es ihr besser gehen.
Als der Schwindel nachließ, ging sie weiter, kam aber nicht weit.
„Poldi?" rief eine Stimme hinter ihr.
Verwundert drehte sie sich um und sah, wie Kevin auf sie zu kam. Für einen Moment flammte etwas Angst in ihr auf. Würde sie jetzt doch Ärger bekommen, weil sie fast eine ganze Woche nicht hier war? Oder wollte Kevin noch etwas sagen, bezüglich dem Streit mit Jacky?
Was auch immer es war, sie würde es wohl gleich erfahren, denn Kevin kam ziemlich zielstrebig zu ihr.
„Hi, ... hast du einen Moment?" fragte er mit einem Lächeln auf den Lippen.
„Ja klar, immer..." sagte sie und lächelte.
„Ich wollte nur mal hören, wie es Jeremy geht... Wir machen uns alle große Sorgen um ihn."
Die Frage überraschte sie nun doch, da es bis dato immer hieß, Kevin wäre sauer auf das was passiert war.
„Sagen wir so... den Umständen entsprechend. ... Er hat viel durchgemacht, aber er ist im Krankenhaus in guten Händen."
Kevin nickte. „Fährst du heute noch hin?"
„Ja... jetzt direkt. ... Ich darf nur nicht lange zu ihm. Die Ärzte meinen, er braucht noch viel Ruhe. ... Sein Herz hat wohl etwas abbekommen und das muss noch genauer untersucht werden."
„Verstehe... Grüß ihn lieb von uns. Er packt das schon!"
Poldi lächelte. „Das werde ich. ... Auch wenn er etwas Angst hat."
„Angst? Wovor?"
„Na ja... vor dir.. und der Tatsache, wie du auf alles reagierst."
„Prinzipiell hätte ich ihm wirklich am Liebsten direkt den Hals umgedreht. ... Er hat mir vor Monaten versprochen, nie wieder Drogen anzupacken... und das eskaliert er damit so sehr, dass er es nicht mal mehr zum Set schafft. Als die Presse mich anschrieb und mir knallhart die Bilder aus Jeremys Haus sendeten, wäre ich am liebsten ausgeratet und hätte ihm die Meinung dazu gesagt. ... Aber irgendetwas sagte mir, dass da was nicht stimmte. Für so einen Absturz war er zuvor zu glücklich. ... Und mein Bauchgefühl hatte anscheinend recht."
Poldi nickte. „Es war eine sehr harte Woche... von Anfang an."
„Erstaunlich, dass du das mitgemacht hast. ... Andere wären weggelaufen."
„Dafür liebe ich ihn zu sehr und ich wußte ja von Anfang an, dass ich unschuldig war. ... Nur das ganze Jeremy klarzumachen, war schwierig, vor allem weil Paul auf seiner Seite war und ich somit gar nicht zu ihm kam."
„Weiß er denn schon, dass ihr den Fall aufgeklärt habt?"
„Nein... ich wollte es ihm persönlich sagen."
„Verständlich! ... Jacky ist übrigens gekündigt. ... Ich dulde solche Machenschaften einfach nicht in dieser Firma. ... Eifersucht ist eine Sache... Das gibt es immer wieder, vor allem wenn die Schauspieler mit involviert sind. ... Aber das was sie getan hat, geht zu weit. Deine Worte waren vorhin mehr als Richtig. ... Sie hätte Jeremy was umgebracht."
Poldi nickte nachdenklich. „Wahrscheinlich fast unbeabsichtigt, aber sie hätte es sofort aufklären müssen, als sie merkte, dass alles für Jeremy aus den Rudern lief."
„Jeremy möchte sich bitte überlegen, ob er das alles zur Anzeige bringen möchte. ... Das ganze grenzt an fahrlässiger Körperverletzung. ... Es ist ja nicht nur der Suizidversuch... sondern auch der Alkohol und die Drogen, die ja anscheinend ziemlich auf sein Herz geschlagen haben."
Poldi nickte. „Leider ja... Aber der Arzt ist zuversichtlich, dass er das wieder in den Griff bekommt."
„Dennoch war es Körperverletzung. ... Er soll bitte darüber nachdenken."
„Ich werde es ihm ausrichten."
Kevin nickte. „Gut... dann wünsch ich dir jetzt einen schönen Feierabend und liebe Grüße an Jeremy. Er soll sich ausruhen, und erst wieder herkommen, wenn er wirklich wieder fit ist und der Arzt ihm zutraut, dass er wieder drehen kann."
„Danke... Ruhe wird er brauchen."
„Dann bis Freitag.... Ach und Poldi?" Er wolllte schon weiter gehen.
Poldi sah ihn fragend an. „Ja?"
„Ich nehme eure Einladung gerne an und werde sehr gerne mit meiner Frau zu eurer Hochzeit kommen."
Poldi lächelte. „Dann setzten wir euch definitiv auf die Gästeliste!" antwortete sie und Kevin nickte.
„Also dann... schönen Abend noch!"
„Dir auch!"
Dann ging Poldi weiter und verließ wenig später das Büro. An die Einladungen hatte sie gar nicht mehr gedacht. Sie hatte sie am Tag des großen Streites abgeschickt und anscheinend kamen die ersten langsam an. Das erinnerte sie wieder daran, dass sie wirklich in gut 2 Wochen heiraten würde. Ihren Jeremy. Und jetzt würde auch nichts und niemand mehr zwischen ihnen stehen.
...

Nach ca. 30 Minuten Fahrt kam sie im Krankenhaus an.
Auf dem Weg dorthin hatte sie zwei Päckchen Lakritze geholt, da sie wußte, wie gerne Jeremy die aß. Außerdem hatte sie noch 2 Päckchen Zigaretten geholt, denn auch wenn er auf Entzug war, das Rauchen würde er sich wohl niemals abgewöhnen.
Kurz darauf war sie auf der Station angekommen, wo Jeremy lag. Sie meldete sich kurz an und stand wenig später vor der Zimmertür. Leise klopfte sie an und trat dann ein.
Anders als am Tag zuvor sass Jeremy in seinem Bett und schaute eher gelangweilt auf die Nachrichten im TV. Anscheinend hatte er jetzt schon keine Lust mehr hier zu sein und Poldi wußte, dass er früh oder später auch verlangen würde, frühzeitig entlassen zu werden. Das war auch damals der Fall, als er vor seinem Haus überfallen wurde.
„Hej Sweetheart." Sagte Poldi und er sah lächelnd zu ihr.
„Honey... endlich geht die Sonne auf." Antwortete er.
„Übertreib nicht." Schmunzelte sie, beugte sich zu ihm und gab ihm einen sanften Kuss.
„Das hab ich gebraucht." Mumelte er an ihren Lippen und forderte einen weiteren Kuss ein.
Dann setzte sich Poldi zu ihm ans Bett und griff nach seiner Hand.
„Wir geht's dir?" fragte sie dann und klang etwas besorgt. Er war noch immer blass und die dunklen Augenringe zeugten davon, dass der Entzug bereits Spuren hinterließ.
„Es geht..." sagte er ehrlich. „Die Medikamente helfen... aber nicht lange...."
„Hast du das dem Arzt gesagt?"
Jeremy nickte. „Ja... er hat die Dosis nur minimal erhöht.... Aber Schlafen kann ich dadurch trotzdem nicht..." Er seufzte leise.
Sanft strich Poldi über seine Hand. „Du schaffst das, Jer. ... Ich glaub fest an dich... und dann wird dein Leben besser... das verspreche ich dir..."
Er sah sie an. „Eigentlich müsstest du mich hassen..."
„Wieso? ... Du wusstest es damals auch nicht besser..."
„Ich hätte dich nicht rauswerfen sollen. ... Also du herkamst und deine Zweifel wegen der Auswanderung sagtest, hab ich dir gesagt, ... nein... ich hab dir versprochen, das ich dich immer unterstützen würde. ... Und was tu ich? ... Ich setz dich auf die Straße, wie einen räudigen Hund. ... Ich bin Scarlett so dankbar, dass sie dich aufgenommen hat."
„Es ist alles gut, Jeremy. ... Ich wußte von Anfang an, dass ich das aufklären musste. Das ich noch mal mit dir reden musste, um dir alles zu erklären. ... Um einfach wirklich zu gehen, hätte es mehr gebraucht. ... Dafür liebe ich dich einfach zu sehr."
„Und ich liebe dich... deswegen ist mein Fehler umso größer. ... Ich hätte dir mehr vertrauen sollen."
„Das Video war einfach zu echt... und zu gut gemacht, ... jeder ist darauf reingefallen."
„Verzeihst du mir denn?" Er sah sie mit großen Augen an.
„Jeremy... ich war nie böse auf dich. ... Ja, ich war am Anfang am Boden zerstört und hab viel geweint. Aber je länger ich überalles nachgedacht habe, umso logischer wurde es und ich wußte, ich wollte dich zurück. Doch dafür mussten wir die Wahrheit rausfinden."
„Eigentlich hätte ich das machen müssen... Anstelle dessen hat Scarlett mir die Freundschaft gekündigt, Robert hat mir einen Kinnhaken gegeben, der heute noch weh tut und mein Haus sieht aus wie ein Schlachtfeld."
„Scarlett ist immer noch deine Freundin, ...das weiß ich. Und Robert... ja ich hörte davon und er war wirklich sauer. Aber er hat sich nur plötzlich selber wiedergesehen und deswegen ist er ausgerastet. ... Und dein Haus... Das haben wir schon aufgeräumt."
„Ihr habt was?" überrascht sah er auf Poldi.
„Sillvenger-Power!" antwortete sie und zwinkerte ihm zu. „Lediglich die Terrassentür und diese Spiegelwand hinter der Bar konnten wir nicht regeln. Da musst du jemand kommen lassen. Aber ansonsten sieht es wieder so aus wie vorher."
„Ich hab die besten Freunde der Welt. ... Anstatt mich zu hassen, beseitigt ihr mein Chaos."
„Freunde stehen zusammen, auch in schlechten Zeiten. ... Alle waren wahrscheinlich eher enttäuscht..aber aufgegeben hat dich niemand. Weder ich noch die Sillvengers. .... Und auch nicht Kevin!"
„Kevin? ... Der wird mich zerlegen, wenn er mich in die Finger bekommt. ... Der Online-Bericht war eindeutig."
„Kevin wünscht dir gute Besserung und du sollst dich ordentlich ausruhen."
Jetzt war Jeremy sichtlich verwirrt. „Bitte?"
Poldi musste schmunzeln. „Er ist dir nicht sauer, Sweetheart. Im Gegenteil. Alle am Set machen sich Sorgen um dich und wollen dich gesund wiedersehen."
„Und ich bin nicht fristlos gekündigt?"
„Nein... Das ist Jacky."
„Moment... jetzt kann ich dir nicht mehr folgen."
„Okay pass auf... Robert, Paul, Kiwi und ich haben uns heute verabredet um Jacky, mehr oder weniger, aus der Reserve zu locken. Wir sind also in der Maske aufgetaucht. Paul hatte sowieso einen Termin und Rob und ich haben so getan, als wären wir eher durch Zufall da. Rob hat Jacky dann gefragt, woher sie das Video hat. Da hat sie sich schon in Wiedersprüche geredet. Er ist dann immer deutlicher geworden, doch sie behaarte darauf, dass wir ihr eher dankbar sei sollten, immerhin hätte sie dir ja das Leben gerettet. ...Ach und dann meinte sie, dass die Sillvengers besser gesagt du eher ein schlechtes Gewissen haben sollten. ... Da konnte ich mich dann nicht mehr zurück halten und bin völlig ausgerastet. Ich hab ihr so richtig die Meinung gesagt, und hab versucht ihr klar zu machen, dass sie dich mit der Aktion fast in den Tod getrieben hätte. ... Und dann hat sie endlich ausgepackt. ... Sie hat zugegeben, das Video manipuliert zu haben um einen Keil zwischen dir und mir zu treiben. ... Sie ist nämlich total in dich verknallt und hat sich schon, bevor wir uns kannten, ausgemalt, dich mal zu heiraten. ... Leider kam ich dann ins Spiel und mich musste sie wieder loswerden. ... Also auf die ganz üble Art."
„Sie hat es also wirklich zugegeben?"
„Ganz genau. ... Leider hatten wir bei diesem sehr hitzigen und wahrscheinlich lauten Gespräch einen Zuhörer... Kevin."
„Oh..."
„Ja.... Das haben wir auch alle gedacht. ... Er wollte das Jacky sofort zu ihm in Büro kommt."
„Und?"
„Was da besprochen wurde, weiß ich nicht. Aber Kevin hat mir vorhin gesagt, dass sie gekündigt wurde und du dir überlegen sollst, ob du noch eine Anzeige auf fahrlässige Körperverletzung schalten möchtest."
„Ganz ehrlich... ich glaube das ich das will. ... Wegen ihr ist das doch alles erst passiert. ... Ich war glücklich! So glücklich wie nie zuvor in meinem Leben... und dann macht sie alles kaputt und bringt mich soweit, dass ich mich erschießen will."
„Denk in Ruhe darüber nach."
„Das werde ich."
„Aber du siehst... niemand ist dir böse. ... Niemand hasst Jeremy Renner...!"
Jeremy lächelte und drückte ihre Hand. „Obwohl ihr alle ein Recht dazu gehabt hättet."
„Vielleicht... aber du hast ja das ein oder andere Echo abbekommen." Lächelte sie und deutete auf die Platzwunde an Jeremys Lippe, die eindeutig durch Roberts Schlag kam.
„Oh ja, allerdings."
„Siehst du... ihr seit also quitt. ... Und jetzt musst du mir versprechen, gesund zu werden."
Jeremy sah sie sanft an. Dann nickte er. „Das werde ich... Versprochen."
„Wunderbar... immerhin haben wir noch eine Hochzeit zu planen." Sie zwinkerte ihm zu.
„Die beste Hochzeit, die Hollywood jemals gesehen hat."
„Das will ich hoffen!" Sie zwinkerte ihm zu.
Jeremy sah sie eine Zeit lang schweigend an. Dann hob er die Hand und strich ihr sanft über die Wange. „Du bist einfach etwas Besonderes."
„Nein... ich bin nur ein einfaches Mädchen, was sich in einen Prinzen verliebt hat und einfach alles für ihn tun würde."
Jeremy schmunzelte. Dann beugte er sich vor und küsste sie zärtlich.
„Magst du dich zu mir legen?" fragte er dann.
„Ich glaub nicht, dass ich das darf."
Jeremy zuckte mit den Schultern. „Ist mir egal."
Poldi schmunzelte. Aber eigentlich hatte er Recht. Es war egal und es würde Jeremy gut tun. Er rutschte also etwas zur Seite und sie legte sich zu ihm. Sanft legte er seinen Arm um sie und zog sie dann dich an sich. Beide seufzten leise. Sie spürten, dass sie die Näh des jeweils Anderen wirklich vermisst hatten und versprachen sich jetzt eins. Sich niemals mehr zu trennen.

Spirit of the Hawk - The main attractionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt