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«Jungkook«

Ich sah zu Taehyung herüber, der am Steuer saß und auf die Straße fokussiert war. Er hatte darauf bestanden mich zu dem Restaurant zu fahren, wo ich mit Kim Seokjin dessen Kochshow aufnehmen würde. Taehyung hatte mir sogar passende Kleidung besorgt, ohne die ich aufgeschmissen wäre. Denn, wenn ich nämlich an meinen Kleiderschrank dachte, war ich mir ziemlich sicher, dass es darin nichts zu finden gab, was ich hätte anziehen können zu so einem schicken und eleganten Restaurant.

Der Wagen kam zum Stehen und ich schnallte mich mit zitternden Händen ab. Meine Nervosität blieb dem Älteren natürlich nicht unbemerkt.

„Alles wird gut, Jungkook", versicherte er mir lächelnd.

„M-Meinst du? Was, wenn ich es wieder verhaue?" Ich guckte ihn verunsichert an. Es war nur menschlich, dass mein Selbstvertrauen nach der Sache von gestern mit dem Werbespot so gut wie nicht vorhanden war. Und heute filmte ich sogar noch mit einem unglaublich bekannten Schauspieler!

„Ich glaube an dich, also glaube auch du an dein Können. Mach dir kein Druck, sondern hab einfach Spaß. Seokjin Hyung soll freundlich und hilfsbereit sein, er greift dir bestimmt ein bisschen unter die Arme, wenn du Hilfe brauchst." Taehyung grinste mich zuversichtlich an, was mir Mut gab, dass ich es schaffen konnte.

Ich schloss meine Augen und atmete tief ein. „Na gut, ich werde mein Bestes geben, Hyung. Wann...wann sehen wir uns wieder?"

„Ich melde mich bei dir."

Noch ein kurzes Lächeln, und dann stieg ich aus und bewegte mich auf das Restaurant zu. Im Inneren empfangen mich einige Angestellte, die mich hinaufschicken. Im Gegensatz zum Erdgeschoss, wo wie an jedem anderen Tag gespeist wurde, standen keine Tische und Stühle, stattdessen wurde Platz gemacht, damit wir mittendrin kochen und servieren konnten. Zudem befand sich ein ganzes Kamerateam vor Ort. Déjà-vu.

In einer Ecke entdeckte ich den blondhaarigen Kim Seokjin sitzen, der von mehreren Stylisten umgeben war. Er saß in einem schwarzen Regiestuhl und war in sein Handy vertieft, während man sich um seine Haare und sein Makeup kümmerte. Allein seine Anwesenheit auf dieser Bildfläche hatte etwas Aufregendes in der Luft, als würde er mit seiner Ausstrahlung schon ein Statement machen. Die Frauen, die sich am Set befanden, ob Stylisten oder Assistenten verfielen ihm auf Anhieb, und Männer, von Bodyguards zu Kameramännern, beäugen ihn mit respektvollen Blicken.

Kim Seokjin stellte wirklich ein Vorbild dar, jemand, zu dem man aufsah. Jemand, zu dem ich ebenfalls werden wollte. Eine Persönlichkeit, die jeden so fesseln konnte.

„Jeon Jungkook?", fragte eine Stimme hinter mir, zu der ich mich umdrehte.

Eine junge Frau mit kurzen Haaren und einem freundlichen Lächeln hatte sich vor mich gestellt. Ich bejahte ihre Frage, woraufhin sie mich zu meinem Platz brachte, wo ich kurz warten sollte, bevor ich genauso wie Kim Seokjin in die Maske gehen durfte.

Ich saß ein paar Minuten auf dem Stuhl herum und beobachtete das Herumtreiben auf dem Set, als ich Manager Kang in der Menge entdeckte, der sich durch das Personal zu mir hervorkämpfte. Er kam außer Puste bei mir an.

„Jungkook, wo warst du? Ich habe dich überall gesucht, nachdem PD-nim mich angerufen hat, dass du einen weiteren Auftrag erhalten hast", fragte er irritiert.

„Taehyung Hyung hat mich hergefahren."

Seine Augen wurden bei meiner Antwort groß, als könnte er nicht fassen, was er da hörte. „Taehyung Hyung? Kim Taehyung?"

„Ja...?"

Manager Kang beäugte mich skeptisch, ehe er abschätzend lachte. „Du hast ihn also wirklich um den Finger gewickelt", murmelte er gehässig.

„Ich verstehe nicht, Hyung-"

„Ich weiß nicht, wie du es geschafft hast, dass Kim Taehyung dich, einen nicht nennenswerten Rookie, als Investor fördert, aber sei dir bei einem sicher. Niemand glaubt wirklich daran, dass du es schaffen wirst." Damit entfernte er sich ohne Weiteres von mir, um sich zu irgendwelchen anderen Leuten zu gesellen, während ich sprachlos zurückblieb, nicht in der Lage mit der Situation umzugehen.

Ich ließ meinen Kopf hängen, meine Finger verfingen sich unruhig ineinander in meinem Schoß. Niemand...? Aber Taehyung hatte gesagt, dass... Plötzlich war ich mir überhaupt nicht mehr sicher, wie die Worte aus seinem Mund geklungen hatten. Wie war nochmal seine Wortwahl gewesen? Seine Betonung und sein Tonfall?

Ich begann am ganzen Körper zu zittern, eine unerklärliche Kälte legte sich über mich, die einfach nicht vergehen wollte. Beschäftigt mit meinen dunklen Gedanken und dem Schüttelfrost bemerkte ich die nette Frau von vorhin nicht, die mich nun zum zweiten Mal erfolglos angesprochen hatte.

„Jungkook? Ist alles in Ordnung mit dir? Bist du bereit für die Maske?", versuchte sie es erneut, und dieses Mal hörte ich sie sogar.

„Ich...Ich..." Ich schaute ihr panisch ins Gesicht, meine Hände hatten sich unbewusst in die Armlehnen des Stuhls gekrallt und meine Beine waren so positioniert, als würde ich jeden Moment davonrennen.

„Du siehst nicht gut aus, vielleicht sollten wir-"

„E-Es tut mir leid, aber ich muss kurz weg!", unterbrach ich sie, sprang auf und drückte mich keuchend an ihr vorbei.

Hinter mir nahm ich noch ihre Rufe wahr, aber wie in einem Blackout konnte ich mich an nichts mehr erinnern, was dazwischen passierte, als ich scheinbar im nächsten Augenblick mich in einem Spiegel selbst anblickte. Ich stützte mich an beiden Seiten des Waschbeckens ab, das Wasser floss mir an meinen Haarspitzen hinunter, auch meine Hände waren nass. In meinen Ohren rauschte es unerträglich, wie der gesamte Ozean, und ich verzerrte mein Gesicht zu einer leidenden Grimasse. Mein Herz schlug schmerzlich gegen meine Brust, dass ich es kaum schaffte mich aufrecht zu erhalten.

Eine Panikattacke?

Letztendlich verlor ich den Kampf mit mir selbst. Meine Beine sackten unter mir zusammen und ich sank auf den kalten Fliesenboden zusammen. Tränen fielen aus meinen Augen, während ich mich in eine Ecke kauerte. Ich schaffte es nicht. Ich schaffte es nicht. Ich schaffte es einfach nicht.

Weinend legte ich meinen Kopf zwischen meine Knie und schluchzte ununterbrochen. Manager Kang hatte Recht. Niemand glaubte an mich. Ich war nicht gut genug. Kein Talent. Ein Niemand, der blind seinem Traum folgte, aber dabei nicht einsehen wollte, dass es aussichtslos war. Ich sollte aufgeben...

„Ich glaube an dich, also glaube auch du an dein Können."

„Aber ich mag dich irgendwie. Und ich sehe in dir wirkliches Potential, deswegen möchte ich dich in deiner Karriere unterstützen."

„Ich werde dafür sorgen, dass du dein Können beweisen kannst."

Nach und nach versiegten meine Tränen.

Taehyung glaubte an mich. Er hatte dafür gesorgt, dass ich eine zweite, eine dritte oder vielleicht sogar eine vierte Chance bekam. Warum sollte er das alles für mich tun, wenn er nicht tatsächlich in mir etwas sah? Wieso sollte er seine Zeit mit mir verschwenden, wenn wirklich gar nichts an dem dran war, was er mich glauben lassen wollte?

Ich presste meine Lippen aneinander und rieb mir über meine verweinten Augen. Wie konnte ich es wagen wegzurennen und mich dermaßen erbärmlich darzustellen, wenn er so viel für mich tat, damit mein Lebenswunsch, ja nicht einmal sein eigener, in Erfüllung gehen konnte? Ja, wie selbstsüchtig bist du eigentlich, Jungkook?

Ein Lachen entwich mir. Kein Wunder, dass ich noch nie über meine Grenzen hinausgekommen war.

Ich stützte mich vom Boden ab und stellte mich auf.

Zum ersten Mal in meinem Leben würde ich nicht nur für mich und meine Zukunft mein Bestes geben, sondern auch für jemanden, der mir viel bedeutete, um diesem Menschen zu zeigen, dass er sich nicht in mir getäuscht hatte.

Taehyung Hyung, ich schaffe das.

Love Affair ᵛᵏᵒᵒᵏ [✔]Where stories live. Discover now