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«Jungkook«

Schüchtern blickte ich zu dem Silberhaarigen, nachdem die Musik langsam ausgeklungen war, dieser sah mich ebenfalls an. Seine Miene konnte ich nicht wirklich interpretieren, generell wusste ich bei ihm einfach nie, was er sich dachte, was vielleicht hätte helfen können, meine Zurückhaltung aufzulösen. Das Gefühl, dass etwas unbeschreiblich Bedrückendes zwischen uns herrschte, ließ mich einfach nicht los. Selbst jetzt, wo ich Spaß am Singen fand, war ich nicht in der Lage mich vollkommen zu entspannen.

Vielleicht lag es aber auch nur an mir und Namjoon dachte sich nur, warum dieser Junge so angespannt war.

Dieser drückte auf die Lautsprechertaste und redete wieder zu mir: „Fürs erste Mal klang das ganz okay. Achte bitte auf dein Timing und den Text. Falls du mehr Zeit brauchst, nimm sie dir. Es macht nämlich wenig Sinn an etwas zu arbeiten, was nicht genügend eingeprägt wurde."

Ich nahm mir seine Ratschläge zu Herzen und bat ihn um fünf Minuten, um mir die Strophen erneut durchzulesen und vor mich her zu summen. Nachdem ich mir zutraute, es beim zweiten Anlauf fehlerfrei hinzubekommen, gab ich Namjoon ein Zeichen. Die Musik hallte durch meine Ohren, ich schloss die Augen und bereitete mich mental vor. Kaum hatte ich die erste Strophe gesungen, stoppte der Sound plötzlich.

Irritiert schaute ich zu dem Älteren, der sich nachdenklich die Schläfen massierte. „Tut mir leid, mein Fehler. Mich stört an dieser Stelle etwas, was ich ändern möchte. Könntest du nur diesen Teil nochmal singen?"

Ich nickte, die Musik begann wieder von vorne. Abermals kamen die Worte über meine Lippen, jedoch wurde ich wieder unterbrochen. Verunsichert guckte ich zu Namjoon, der aus irgendeinem Grund überfordert und gestresst wirkte. Panik breitete sich allmählich in mir aus.

War er nicht zufrieden mit meinem Gesang? Machte ich etwas falsch?

„Namjoon Hyung... Wenn ich etwas anders machen soll, dann sag es mir bitte. Ich...ich möchte es gut machen...!", murmelte ich enttäuscht.

„Nein, du machst alles- Ich meine, ich höre, dass es etwas gibt, was nicht gut klingt, aber genau identifizieren kann ich es noch nicht. Sing es einfach ein paar Mal weiter, dann sehen wir weiter."

Nicht besonders zufrieden mit seiner Antwort tat ich also das, was er von mir verlangt. Das mulmige Gefühl blieb, aber dies änderte nichts an der Tatsache, dass ich Freude beim Singen empfand und ich persönlich mit meiner heutigen Leistung glücklich war. Ich freute mich bereits, wenn Taehyung den Song hören konnte.

• ❥ •

Am Ende nahmen wir noch Adlibs auf, die die Grundmelodie, die im Vordergrund spielte, im Hintergrund unterstützte. Ein paar Highnotes später und ich saß mit Namjoon wieder im Regieraum auf dem kleinen Sofa in der Ecke. Er fügte die von ihm ausgewählten Gesangsstücke aus und fügte diese in eine komplette Tonspur, sodass ich fasziniert dabei zu gucken konnte, wie aus einzelnen Schnipseln nach und nach ein ganzes Lied entstand.

Der Silberhaarige lehnte sich irgendwann zurück und drehte sich zu mir um. „Bereit dir das Ergebnis anzuhören?"

„Ja, bitte."

Daraufhin schallte meine eigene Stimme durch die Boxen. Ich staunte mit strahlenden Augen über das, was ich vollbracht hatte, und konnte überhaupt nicht anders, als einen Andrang an Stolz zu verspüren. Es gab jedoch einen kleinen Haken.

Umso fröhlicher ich wurde, desto grimmiger und nachdenklicher wurde Namjoon, der seine Hand unter seinem Kinn abgestützt hatte und meine Reaktion durchdringend beobachtete. Die Musik verstummte nach einer Weile, aber sein Blick wendete sich nicht von mir ab, was mir äußerst großes Unbehagen bereitete,

Peinlich gerührt kratzte ich mich am Hinterkopf und sah ihn fragend an. „Stimmt etwas nicht...?"

„Was hältst du von dem Song?"

„Na ja... Also ich finde ihn eigentlich sehr gut. Die Musik und der Text sind seh-"

„Nein, ich rede von deinem Part. Wie findest du, wie du dich angestellt hast?", unterbrach er mich.

„Ich bin zufrieden?" Am Ende meines Satzes fügte ich mit einem höheren Ton ein Fragezeichen hinzu, da seine Augen mich wie ein Raubtier fixierten. Ich glaubte unter seinem Blick immer mehr und mehr zu schrumpfen.

Was wollte er von mir hören?

Er verschränkte die Arme vor der Brust, eine Augenbraue hob er abwartend an, und seine Lippen waren zu einem geraden Strich zusammengedrückt. Ich schluckte schwer und spielte unruhig mit meinen Fingern, die ein wenig feucht wurden.

„Du weißt es wirklich nicht, oder?", fragte Namjoon seufzend.

Mein erster Instinkt war es den Kopf zu schütteln, seinen Vorwurf zu verneinen, aber dann nickte ich doch zögerlich, denn ich hatte keinen Schimmer, was ihn an meiner Leistung gestört haben könnte. Ich wollte nicht überheblich klingen, aber ich war gerade heute besonders befriedigt, was möglicherweise daran lag, dass der Song mir unheimlich gefiel.

„Also wenn du wirklich nicht merkst, was das Lied schlecht macht, dann bist du ein hoffnungsloser Fall. Aber gut, das Ost ist so weit fertig. Ich werde noch an ein paar Stellen Sachen ausbessern und es wird dann die nächsten Tage mit der nächsten Folge von ‚Feelings For You' erscheinen."

„Ahh...verstehe...", erwiderte ich geknickt, meinen Kopf ließ ich enttäuscht hängen.

Seine strengen Worte trafen mich, sehr sogar. Immerhin war er der Profi und dies sein Spezialgebiet. Seine Kritik war viel schwerer gewichtet als die Meinung aller anderen. Ich wünschte, er hätte mir zumindest verraten, woran ich gescheitert war, damit ich es in der Zukunft besser machen konnte.

Sein Gesichtsausdruck sagte mir jedoch, dass ich ihn nicht weiter auf den Song und dessen Qualität ansprechen sollte.

„Namjoon Hyung, hättest du vielleicht Ratschläge für mich? Du bist ein Vorbild, zu dem jeder Artist aufsieht. Tipps von dir würden mir sehr viel bedeuten...!", bat ich und sah ihn mit hoffnungsvollen Augen an.

Für den Bruchteil einer Sekunde wurde seine Miene weicher, ein Funken Wärme lag in seinen Augen. Als er dies selbst erkannte, wandte er sich ab und atmete schwer aus. „Es gibt nichts Persönliches, was ich dir ans Herz legen könnte. Dafür kenne ich dich nicht gut genug. Arbeite einfach weiter hart. Aber sei am Ende nicht allzu enttäuscht, wenn du die große Karriere doch nicht schaffen solltest. In dieser Welt überleben die wenigstens, und schon gar keiner, der denkt, er würde bloß mit Ehrgeiz und Träumereien allein groß herauskommen."

Ich wusste es. Ich hätte ihn nicht fragen sollen. Nun war es zu spät. Die Frage wurde gestellt und die Antwort gegeben. Eine, die mir weh tat. Eine, die ich nicht verkraften konnte.

„I-Ich... Danke für den Tag heute, Hyung...", sagte ich kleinlaut, verbeugte mich tief vor ihm und blieb so lange in der Position, bis der Ältere etwas erwiderte und mich entließ.

Ohne mein Gesicht ein letztes Mal zu ihm zu wenden, verabschiedete ich mich, und beeilte mich so schnell wie möglich aus dem Tonstudio herauszukommen.

Den Weg über rannte ich, das Gesicht blieb stets auf den Boden gerichtet, bis ich wenig später fast den Ausgang erreicht. Ich schaute nach vorne und ließ meinen bis gerade eben zurückgehaltenen Tränen freien Lauf. 

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Ich hoffe, es ist angekommen, dass Namjoon sich hier etwas anders verhält. Jungkook ist zwar wieder "fertig gemacht" worden, aber zumindest nicht ganz soooo krass :')

Mei~

Love Affair ᵛᵏᵒᵒᵏ [✔]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt