kapitel 64

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POV Yumeku
Darum bemüht nicht in eine Panikattacke zu geraten, versuche ich mich aus dem Griff der Person hinter mir zu befreien. Hilflos zapple ich in der Hoffnung losgelassen zu werden, jedoch ohne Erfolg. Nach einigen Sekunden lockert sich der Griff und ich nutze die Chance augenblicklich und bringe Abstand zwischen mich und die Person. Ein leises Kichern ertönt und ein warmer Atem streift meinen Hals. "Hab ich dich erschreckt?" haucht mir Milos Stimme entgegen und ich reiße geschockt die Augen auf.
Ich konnte zuvor und auch jetzt weder seine Anwesenheit wahrnehmen, noch eine einzige seiner Bewegungen hören.
"Wie ich sehe, war das Sicherheitssystem kein Problem für dich" stellt Milo mit anerkennendem Ton fest. "...naja etwas anderes hatte ich auch nicht erwartet." fügt er fast lautlos hinzu und ich bin noch immer geschockt davon, wie lautlos und schnell er sich bewegt. Ich kann zwar seine Stimme hören, die um mich herum wirbelt, doch Schritte sind noch immer nicht zu hören und nicht ein einziger Lufthauch deutet auf Milos Anwesenheit hin... und doch ist er da.
"Na komm wir gehen an einen etwas ungestörteren Ort, gleich haben die Schwestern Schichtwechsel und wir wollen ja nicht entdeckt werden" huscht Milos Stimme erneut an mir vorbei und eine warme Hand greift nach der meinen. Bei der plötzlichen Berührung zucke ich kurz zusammen, doch Milos warme Hand fühlt sich so normal und beschützend an..
Gemeinsam setzen wir uns in Bewegung und gehen lautlos einen Flur der mir bisher unbekannt ist entlang. Langsam haben sich meine Augen fast vollständig an die Dunkelheit gewöhnt und ich kann nun immerhin Milos Silhouette erkennen. Erst jetzt fällt mir auf, dass Milo ein ganzes Stück größer ist als ich, er könnte sogar gut an Nagisas Größe hinkommen..
Ein grünlich flimmerndes Licht über dem Fluchtweg-Schild am Ende des Ganges macht eine eiserne Flügeltür mit hochkanten rechteckigen Fenstern darin erkennbar. Gerade als Milo gegen die Tür drückt um sie zu öffnen, sind hinter uns Schritte zu hören. Kurz darauf ertönen zwei näherkommende weibliche Stimmen und zwei Krankenschwestern kommen um die Ecke. Schnell zieht mich Milo hinter sich her durch die Tür und vor Schreck stolpere ich. Zwar fängt mich Milo auf, doch auch er verliert die Balance und wir fallen zusammen mit einem dumpfen Geräusch zu Boden. Wie in einer Klischeehaften Romanszene liege ich auf Milos Oberkörper und stütze mich so gut es geht ab "ah..t-tut mir leid" murmle ich verlegen und will mich gerade aufrichten, als er mich ruckartig nach unten eng an sich zieht und mit seiner Hand meinen Kopf auf seine Brust drückt. Erschrocken verspanne ich mich und höre wie er einen leisen "shh" Ton von sich gibt um mir zu deuten leise zu sein. In diesem Moment wird mit einer Taschenlampe durch das Fenster der Eisentür geleuchtet "Hast du das eben auch gehört?" ertönt die Stimme einer der Krankenschwestern und ich kann spüren wie mein Herz einen Schlag aussetzt. Verzweifelt blicke ich leicht zu Milo auf und kann erkennen, dass er ein amüsiertes Lächeln im Gesicht hat. "Das hast du dir bestimmt nur eingebildet" erwiedert die andere Schwester und die Schritte entfernen sich wieder. Nun löst sich auch Milos Hand von meinem Hinterkopf und ich setze mich schnell auf. "sie hätten uns fast entdeckt" seufze ich aufgebracht und fasse mir mit der Hand an die Brust und kann spüren wie schnell mein Herz pocht. "Wäre doch lustig gewesen, so eine nächtliche Verfolgungsjagd" grinst er und richtet sich auf. Entgeistert sehe ich zu ihm auf und nehme seine Hand die er mir entgegenstreckt um mir aufzuhelfen. "Weiter gehts!" kichert er und erst jetzt fällt mir auf dass wir uns in einem Treppenhaus befinden. Diesmal in einem etwas schnellerem Tempo als zuvor gehen wir einige Treppenabsätze nach oben und nachdem wir bereits 6 Stockwerke höher sind als vorher, komme ich langsam aus der Puste.
"Wir sind gleich da" wirft Milo einen Blick über seine Schulter, als wüsste er genau dass ich was Ausdauer betrifft ein sehr niedriges Limit habe. Einen letzten Treppenabsatz entfernt, scheint es so als hätten wir das oberste Stockwerk erreicht. Das Absperrband welches uns den Weg versperrt ignoriert Milo einfach und wir steigen darüber nach oben. Eine identische Flügeltür zu der, durch die wir das Treppenhaus betreten haben, befindet sich nun vor uns, doch etwas an ihr ist anders: Die beiden Flügel der Tür sind mit einer Metallkette verschlossen und die Fenster davon sind zerbrochen.
Ohne zu zögern klettert Milo durch eines der beiden Fenster und sieht mich dann auffordernd an. Zögernd betrachte ich das zerbrochene Fenster und mir fällt das getrocknete Blut und die ganzen Glassplitter am Boden auf. Scheinbar ist es nicht das erste mal, dass hier jemand durch geht. Vorsichtig gehe ich einen Schritt auf die Tür zu und als ich die Glasscherben unter meinen Fußsolen knirschen höre, beginnt mein Körper aufeinmal zu zittern.
Wie eine Reihe von Aufnahmen auf einem Fotoband schießen mir verschwommene Bilder durch den Kopf. Mit geballten Fäusten versuche ich das Zittern meines Körpers zu unterdrücken.
"-meku..." ein leises wimmern ertönt von der anderen Seite der Tür "..Yumeku" immer und immer wieder ruft eine schmerzerfüllte Stimme meinen Namen und ich starre geradeaus durch die zerbrochene Glasscheibe in den Gang. Eine seltsame Melodie schweift durch die Luft und obwohl ich sie nicht kenne, kommt sie mir doch so bekannt vor. Was ist das für eine Melodie? Und warum zieht sie mich so hypnotisierend an?
Ein stechender Schmerz an meiner Wange reißt mich in die Realität zurück. "Ouch" murmle ich verwirrt und lege meine Hand an meine schmerzende Wange. "Yumi? Bist du wieder da?" fuchtelt Milo vor meinen Augen mit beiden Händen herum. "Uhm.. j-ja" stammle ich hervor und er streckt mir seinen Arm direkt vor die Nase. "Da siehst du! Ich krieg schon Gänsehaut!" beschwert sich Milo lautstark und ich zucke zusammen. "Starr mich nie wieder so an und was war das für eine Melodie die du da gesummt hast? Das hat mir ja fast schon Angst gemacht!" motzt er weiter und dreht sich weg von mir. Kurz schüttelt er sich dramatisch und murrt: "Gruselig...einfach nur gruselig!" mit extra lauten Schritten auf dem Boden macht er mir deutlich, dass er ohne mich gehen wird wenn ich nun nicht hinne mache. Schnell klettere ich durch das zerbrochene Fenster und folge ihm. Darum bemüht mich nicht umzusehen und fixiert darauf nur auf seinen Rücken zu achten, gehe ich hinter Milo her.
Irgendwie finde ich Milo faszinierend. Von Anfang an hat er mich total normal behandelt und auch gerade eben bei diesem komischen Verhalten von mir, wo jeder andere selbst in Panik geraten wäre, hat er so getan als wäre es völlig normal und hat mich ohne Schwierigkeiten abgelenkt. "Komm, hier entlang!" sagt Milo und zieht mich wieder an meiner Hand in einen Raum am Ende des Ganges. Der Raum hat ein großes Fenster durch welches Mondlicht den ganzen Raum in einem dunklen blau durchflutet. An einigen Teilen des Fensters sind Risse oder aufgebrochene Stellen im Glas, durch welche leise der Wind heult. Alles hier kommt mir irgendwie vertraut vor, zwar nicht auf eine heimelige Weise, aber in einer Art die sich so anfühlt als wäre ich hier schonmal gewesen..
Mit ausgebreiteten Armen stellt sich Milo vor das Fenster und grinst "Willkommen in meinem persönlichen Bereich" kichert er und knipst sich ein paar zu kurze Haarsträhnen die aus seinem tiefgebundenen Pferdeschwanz heraus gefallen sind hinters linke Ohr.
Mit einer eleganten Drehung lässt er sich auf die Sitzfläche der Fensterbank fallen und klopft neben sich "Komm" fordert er mich auf und ich setze mich neben ihn. Neugierig blicke ich aus dem Fenster in die Ferne und lasse meinen Blick über die Militäranlagen schweifen.
"Also dann erzähl mal warum du hier bist" gibt Milo auf einmal von sich und sieht mich gespannt an. Ich spiele kurz mit dem Gedanken, ihm die gleiche Lüge aufzutischen wie ich es heute bei Major Akira gemacht habe, jedoch bezweifle ich, dass mir Milo das abkaufen würde. "Nun sag schoooon" quengelt er, doch ich lasse meinen Blick auf das was hinter dem Fenster liegt gerichtet. "Du willst wohl noch nicht darüber reden, huh?" hakt Milo nach und ich schüttle den Kopf "Naja ich krieg dich schon noch zum Reden" kichert er und ich kontere mit einer Gegenfrage "Wieso bist du hier?" Milo lehnt sich an den Rahmen des Fensters und blickt ebenfalls nach draußen. Ohne zu zögern findet er eine Antwort auf meine Frage und beginnt zu reden "Naja ich bin hier schon ziemlich lange weil ich durch meine hohe Intelligenz und meine Dissoziale Persönlichkeitsstörung als 'psychopathisch gefährliche Gefährdung des öffentlichen Lebens' eingestuft werde. Für andere ist es eben nicht normal mit 7 Jahren, seine kleine Schwester die nicht schwimmen kann in einen See zu werfen, dass sie es lernt. Für mich ist es eben logisch, dass man unter dem Einfluss von Angst zu ertrinken oder generell mit Angst um sein Leben menschliche Intstinkte und sein wahres Wesen weckt, welches einen von selbst über Wasser halten kann. Jedenfalls war das Wesen meiner Schwester offensichtlich zu schwach und ist sie irgendwann untergegangen und nicht mehr aufgetaucht. Nach einigen Vorfällen die nicht besser ausgegangen sind, wollten meine Eltern mich loswerden und ein Psychologe ist auf mich aufmerksam geworden. Irgendwie bin ich durch ihn dann hier gelandet um Verwahrt zu werden und die Ärzte hier sind der Hoffnung durch mich mehr über das menschliche Gehirn herauszufinden und versuchen eine Möglichlkeit zu finden, wie man Persönlichkeitsstörungen wie meine 'heilen' kann" das alles verarbeitend tippe ich mit meinem Finger gegen die Glasscheibe. "Siehst du? Ist gar nicht so schwer über sich selbst zu reden" kichert Milo und grinst mich an..

Floating boyWhere stories live. Discover now