kapitel 65

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POV Yumeku
Die letzten 5 Tage habe ich die meiste Zeit gemeinsam mit Milo verbracht. Wir spielen hauptsächlich Schach und die Liste zwischen Gewinnen und Niederlagen gleicht sich zunehmend aus und jede Nacht schleichen wir aus unseren Zimmern um in Milos 'persönlichem Bereich' zu reden. Zwar redet hauptsächlich Milo und ic höre zu, aber wenn mal keiner redet, ist es nicht ein Unangenehmes Schweigen sondern eine natürliche angenehme Stille. Auch Major Akira hat mich in den letzten Tagen zweimal besucht. Jedes mal wird sein Besuch unterbrochen indem er von einem seiner Vorgesetzten verlangt wird und jedesmal regt er sich wie ein beleidigter Teddybär auf.
"Ist dir eigentlich aufgefallen, wie dich die Krankenschwestern dort drüben anstarren?" reißt mich Milo aus meinen Gedanken und ich blicke in die Richtung in die er gerade gezeigt hat. "Naja schon irgendwie, hab ich etwas im Gesicht?" frage ich überfordert nach und lege den Kopf schief. "Nein nein.." murmelt Milo und setzt meinen König mit seiner Dame Schachmatt. Mit einem frustrierten seufzen stütze ich meinen Kopf auf meiner Hand ab. "Das macht dann 24 Niederlagen und 25 Siege für mich" triumphiert er und streckt sich. "Jedenfalls scheinen die Schwestern gefallen an deinem Puppengesicht gefunden zu haben" grinst Milo und kneift mir in die Wangen. Augenblicklich spüre ich die Hasserfüllten Blicke der Krankenschwestern im Nacken, die Milo entgegenfliegen. "Ohh und ich hab die Schwestern heute tuscheln hören, dass heute Abend beim Duschen du direkt nach mir im Plan stehst und sie sich schon darum reißen, wer uns beide beaufsichtigt." überfordert sehe ich ihn an "aber wir werden doch immer von männlichen Pflegern  beaufsichtigt" "Ja aber das ändert sich Wochenweise, in der einen Woche sind die Schwestern Aufsicht und in der anderen die Pfleger." erklärt Milo und ich lasse meinen Kopf auf die Tischplatte fallen. "Na toll" knurre ich und Milo hebt mit beiden Händen meinen Kopf hoch, so dass ich ihn ansehen muss. "Was ist daran so schlimm, so könntest du etwas Spaß haben" grinst er und wackelt mit den Augenbrauen. Engeekelt schüttle ich den Kopf. "Ne danke, wer will das schon?" Lachend lässt Milo mich los und legt den Kopf schief.  "Was denkst du, wie ich meine V-card abgelegt habe?" grinst er und als ich auf sein dummes Grinsen hin die nächststehende Schachfigur werfe, geht er schnell in Deckung. "Was ist dann der Grund dafür, dass es dich so davor sträubt die Schwestern als Aufsicht zu haben?" Milos Blick meidend sehe ich zur Seite, was ihn nur noch neugieriger macht. "Hmm hast du etwa irgendeine Hautkrankheit die dich fürchterlich enstellt?" beginnt Milo Vermutungen aufzustellen "Oder hast du eine süße Freundin daheim auf dich warten?" mit leicht geröteten Wangen halte ich Milo den Mund zu und funkle ihn böse an "Das ist es nicht! Sei endlich still" knurre ich und ich spüre nur etwas nasses an meiner Hand, ehe ich angeekelt meine Hand zurück ziehe. "Bahh, du kannst doch nicht einfach so meine Hand ablecken" sehe ich Milo entgeistert an und blicke auf meine Hand herab, als hätte er mir gerade die Pest übertragen. "Nun hab dich nicht so, ich bin nicht giftig" lacht er. "Wie soll ich bitte das erklären?" sage ich nun etwas leiser zu ihm und hebe so, dass es keiner außer ihm sehen kann meinen Pullover etwas an um das Tattoo an meinen Rippen freizulegen. "Wooow wie coool" staunt Milo "Aber bist du nicht erst 15?" "Sagt der, der mit 7 seine Schwester ertränkt hat" kontere ich, mit dem Wissen, dass es zu einem Runningjoke zwischen uns geworden ist. "Na toll und ich hab nichts womit ich dich aufziehen kann, du erzählst mir ja nichts" schmollt er, jedoch hält das nicht lange an.
"Aber woher hast du die ganzen Narben? allein an deinem Bauch waren ja schon unzähliche.." stumm sehe ich ihn an und er nickt kurz "Okay notiert. Weiterer Punkt über den du nicht reden willst" mit seinem Finger fährt er in der Luft einen Haken nach um anzudeuten, dass er es sich gemerkt hat.

Später dann am Abend als ich von einer Schwester zum Duschen abgeholt werde, höre ich schon von weitem innerhalb des Duschraumes dumpfe Geräusche und ich bilde mir ein, ein schmerzerfülltes stöhnen zu hören. Ein paar Sekunden später ertönt ein gedämpftes Kichern und ein Alarm beginnt zu klingeln. Schnell eilen zwei Pfleger in den Duschraum und nach einigen Minuten kommt einer von ihnen mit einer stark Blutenden bewusstlosen Schwester wieder heraus, welche wohl ziemlich übel zugerichtet wurde. Nach weiteren fünf Minuten kommt der letzte Pfleger mit einem zappelnden Milo in den Armen, welcher nur ein Handtuch um die Hüften trägt heraus und der Pfleger scheint sichtlich Probleme damit zu haben ihn festzuhalten. Offenbar habe ich ihn missverstanden und aus seinem sogenannten 'Spaß' wurde etwas anderes als ich erwartet habe. Scheinbar hat er mal wieder etwas randaliert. Wie ich gehört habe, soll das öfters der Fall sein, weil Milos Temperament viel zu hitzig ist.
Nach Milos Verhalten gerade, wird mir ein anderer Pfleger als Aufsicht zugeteilt und da ich als letztes auf der 'Duschliste' für heute stehe, lasse ich mir etwas mehr Zeit. Auch als mir mein Abendessen aufs Zimmer gebracht wird, lasse ich zwar das Essen stehen, aber löffle genüsslich den Vanille Pudding, der als Desert beisteht. Heute Abend setze ich mich mit einem Buch als Alibi in dem Toten Winkel der Überwachungskamera und als die Lichter ausgehen, schleiche ich mich wieder mal mit Milo hoch ins oberste Stockwerk. Gemeinsam auf der heruntergekommenen Couch liegend, beginne ich kleine Zöpfe in Milos Haar zu flechten, welche bei seinem Schulterlangem Haar ziemlich lustig aussehen. "Wie hast du diesen Ort hier oben eigentlich gefunden?" frage ich neugierig nach und er legt seinen Kopf auf meinen Schoß, dass ich besser an seine Haare komme. "Hmm ich bin vor einem halben Jahr oder so mal auf Entdeckungstour der Gänge erwischt worden und dann bin ich einfach bis ganz nach oben gerannt, in der Hoffnung, der moppeliche Wachmann würde mir nicht nachkommen. Und siehe da: Es hat funktioniert!" grinst Milo "Ach und seitdem wurde übrigens das Sicherheitssystem verschärft weil ich so einfach ausbrechen konnte" "Aber wie man erkennen kann, bringt dass weder gegen dich, noch gegen mich etwas" füge ich zu seinem Satz hinzu. "Aber hinter diesem Bereich hier oben steckt eine interessante Story" fährt Milo fort und ich höre gespannt zu: "Dieses Stockwerk hier wurde vor ca. 13 oder 14 Jahren mal als Versuchslabor für Menschenexperimente benutzt, das ging so lange, bis es rausgekommen ist und von der Regierung verboten wurde. Also eigentlich hätte die Regierung davon keinen Wind bekommen, weil die Experimente inofiziell und geheim von einem der Ärzte hier durchgeführt wurden. Aber als er dann eine der Pazientinnen mit Drogen vollgepumpt und geschwängert hat, um ein Kind zu kreieren welches perfekt als emotionslose menschliche Kriegswaffe eingesetzt werden kann, hat man versucht das alles zu vertuschen. Naja im Endeffekt ist die Mutter des Kindes bei der Geburt an einer Überdosis gestorben und der Vater des Kindes ist erst nach 2 Jahren mit diesen Experimenten aufgeflogen. Es heißt der Arzt soll sich mit seinem Kind aus dem Staub gemacht haben. Es gibt Gerüchte, dass er in einem Waisenhaus die Menschenexperimente auf grausame Weise  fortgeführt hat, aber keiner Weis genau ob wirklich ER hinter den Experimenten in diesem Waisenhaus steckt. Jedenfalls weiß keiner so genau ob das Kind überhaupt überlebt hat, aber hier oben gibt es irgendwo noch alte Aufzeichnungen und Versuchsunterlagen die wohl nicht sehr effizient waren-" "w-wo sind die Bilder?" murmle ich und spüre wie meine Hände wieder einmal zu zittern beginnen. "Uhm ich weiß nicht, in einem der Archieve nebenan.." sagt Milo und setzt sich auf "..aber sag mir erstmal warum du auf einmal zu zittern beginnst. Hab ich etwas falsches gesagt?" Seinen Blick meidend schüttle ich meinen Kopf  "m-mir ist nur etwas kalt" versuche ich mich heraus zu reden. "Nope du lügst" springt Milo auf und nimmt mich an der Hand. "Komm wir sehen uns in den Archieven um, vielleicht kannst du dich dann etwas ablenken" lächelt Milo und zieht mich in den Raum nebenan. Dort sieht er sich etwas um und hält nach ein paar Minuten eine Kerze und eine Packung Streichhölzer hoch. "Der Strom hier oben wurde schon lange abgeschalten, also ganz altmodisch" kichert er und mit einem zischenden Geräusch entzündet sich das Streichholz. Er führt die lodernde Flamme an den Docht der Kerze, welche nach ein paar Sekunden zu brennen beginnt. "Hier sind nochmal welche" murmle ich und gebe Milo die drei kleinen Teelichter, die schon halb abgebrannt in einem Regal stehen. Mit den tanzenden Lichtern der Kerzen machen wir uns daran, die Akten und Fotoalben zu durchblättern. Ich finde nichts wirklich interessantes doch als Milo einen erstaunten Ton von sich gibt, setze ich mich neben ihn auf den Staubigen Boden. "Was ist das?" frage ich verwundert nach. "Das scheint eine Art Foto-Tagebuch des Arztes zu sein, der hier die Experimente geführt hat. Hier sind total viele Fotos und Notizen dokumentiert" stellt Milo fest und wir beginnen durch die Seiten zu Blättern. Auf den ersten Seiten ist eine junge, bildhübsche Frau zu sehen, welche mit einem warmen Lächeln ein Ultraschallbild hochhält. Darunter steht mit verblasster Tinte geschrieben: 'Yukio Schwangerschaftswoche 12'
Auf der nächsten Seite ist die gleiche Frau an eine Metallliege gefesselt und unzählige Injektionsnarben an ihren Armen zu sehen. 'Medikationserhöhung um 70mg' ist die Bilduntrrschrift zu diesem Foto.
Die weiteren Bilder zeigen abwechselnd das warme Lächeln der Frau, wie sie ihren wachsenden Babybauch hält und unter den Qualen der Drogen leidet. Von Bild zu Bild wird ihr lachen müder und trauriger und der Bauch größer und größer. "Wie grausam" murmelt Milo immer wieder und ich starre nur stumm auf die Seiten.
Auf dem letzten Foto auf dem die Frau zu sehen ist, hält sie mit Tränen in den Augen und dem glücklichsten Lächeln das ich je gesehen habe, ein kleines in Decken gewickeltes Baby in den Armen. Unter dem Bild steht verschwommen 'Ruhe in Frieden Yukio'  Man kann erkennen, dass die Tinte durch einzelne Tränen verlaufen ist und erst jetzt fällt mir das Datum am unteren Seitenrand auf: 22.01... Diese Zahl..
Mit zitternden Händen blättere ich weiter und kann aus dem Augenwinkel Milos besorgten Blick erkennen. "Yumi bist du sicher, dass alles in Ordnung ist?" ihn ignorierend blättere ich auf die vorletzte Seite des Tagebuchs.
Ein Foto des Neugeborenen klebt in der oberen Ecke der Seite und darunter steht: 'Yukios letzte Worte waren der Name dieses Babys. Er ist ein gesunder Junge, doch ich sehe in ihm immer wieder seine Mutter und bringe es nicht übers Herz dieses Monster das seine Mutter tötete bei dem Namen zu nennen den sie mit ihren letzten Atemzügen über die Lippen brachte..'
"Dieser Arzt war schon ein narzisstisches Arschloch!" knurrt Milo angepisst, dich ich bin von dem Tagebuch in einen Bann gezogen. Nach Luft ringend blättere ich auf die letzte Seite, auf welcher nur ein einziges Wort steht: 'Yumeku'...

Floating boyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt