Kapitel 24

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Stöhnend wechselte ich den Verband und betrachtete leicht angeekelt meine Wunde. Gestern Nacht, oder eher heute am frühen Morgen, ganz wie man es sehen wollte, hatte ich sie sofort gesäubert und desinfiziert. Das schlimmste wäre, wenn ich eine Infektion bekam. Sowas passte mir gerade nämlich gar nicht in den Kram. Jetzt sah es gar nicht mehr sooo schlimm aus.
Tony musste irgendeine Waffe entwickelt haben, die keine große Wunde hinterließ, aber trotzdem behinderte. Denn genau so was hatte mich getroffen. Ungefähr einen Zentimeter tief, einen Radius von höchstens drei Zentimeter. Ohne das Blut war es gar nicht so schlimm. Das doofe war nur, dass ich jetzt, bei über 25°C, keine kurze Hose anziehen konnte, wenn nicht jeder die Wunde, oder eher den Verband darüber sehen sollte. Vielleicht konnte ich es auf unsere Aufbau- Aktion in der Wohnung schieben? Das nahm man mir sicherlich ab. Auf dem Bau passierten solche Sachen. Allerdings nicht so was großes, dass man gleich einen Verband tragen musste. Super, dann müsste ich wohl zu einem Pflaster wechseln.
Mit brummenden Kopf trampelte ich in Fites Zimmer. Da könnten irgendwo Pflaster rum liegen. Obwohl, eher nicht. Wer dachte auch daran Pflaster zu kaufen, wenn man doch Verband da hatte.
Bevor ich weiter darüber nach grübeln konnte, was ich jetzt machen sollte piepte mein Handy- Timer. In fünf Minuten musste ich unten sein. So ein Mist. Ich hätte gestern echt besser auf passen müssen.
Obwohl ich Iron Man in die Pfanne gehauen hatte, bereute ich die Aktion ein wenig, denn in der Nacht hatte ich auf alle Fälle viel zu wenig Schlaf bekommen, was sich eventuell in meinem Gemütszustand wiederspiegelte.
Auf Grund mangelnder Alternativen ließ ich den Verband dann doch dran und schrieb, wie jeden Morgen, noch eine kurze Nachricht an Fite, der sie, nur mal kurz angemerkt, seit gestern oder so noch nicht gelesen hatte. Wie unnötig, dass er bei mir gleich so einen Aufstand machte.
Okay, ich war heute wirklich extrem kratzbürstig drauf. Mir taten jetzt schon alle leid, die in mein Umfeld kamen.
Unmotiviert packte ich meinen Rucksack, steckte das Handy noch eben ein und machte mich auf den langen, teilweise echt schmerzhaften Weg, nach unten. Unten angekommen gönnte ich mir im Vorhaus noch eine kurze Pause. Zum Glück hatte ich heute wenigstens kein Sport.
Draußen stand Ned bereits direkt neben der Tür und begrüßte mich mit seinem typischen lächeln, was ich nicht richtig erwiedern konnte.
,,Alles gut bei dir? Ist heute jemand gestorben?", fragte er und versuchte mit seiner letzten Frage die Stimmung etwas auf zu heitern. Düster schaute mich um:,, Das weiß man noch nicht"
Lachend schüttelte Ned den Kopf:,, Schon nach einem Tag Schule hast du keine Lust mehr? Respekt!"
Ich schüttelte erschöpft den Kopf und wies mit der Hand auf meinen Verband. Besser ich zeigte es selber. ,,Mein Vater und ich haben gestern noch ein wenig in der Wohnung gewerkelt und dabei habe ich eine kleine Wunde an der Wade bekommen. Wirklich nichts großes, aber mein Vater hat darauf bestanden, einen ganzen Verband darum zu binden"
Anstatt mir sein Beileid zu geben lachte Ned bloß, wie immer. Das war ein Grund, weshalb ich ihn mochte. Das und dass er nicht viele Fragen stellte. Er stellte nicht  mal in Frage, warum ich ihm online nie geschrieben hatte, dass ich privaten Unterricht bekam.
Heute war wohl wirklich nicht mein bester Tag, denn gerade als ich das dachte begann Ned in einem leisem, behutsamen Ton nach zu haken:,, Du musst nicht antworten, aber man hört nie was von deiner Mutter... Ist bei ihr alles in Ordnung"
Ich nahm mir eine Weile um darübe nach zu denken. Also nicht über meine Antwort. Die Antwort stand bereits fest. Es gab sogar einen gefälschten Todestag für Natascha Hausmer. Ob bei Gena alles in Ordnung war? Lebte sie im Himmel? Wachte sie über mich?
Ich war nie besonders religiös erzogen worden, war aber trotzdem der Überzeugung, irgendwo müsste ein mächtiger Vater leben, der Nachsicht mit allen zeigte. Es war eine schöne, doch gleichzeitig auch eine absurte Vorstellung, dass meine Mutter im Himmel lebte.
Ich schenkte Ned ein etwas gequältes Lächeln:,, Ich hoffe doch, dass bei ihr alles im Ordnung ist. Sie ist jetzt seit mehreren Jahren tot" Dieser verzog den Mund zu einem mitleidigen Blick. Offensichtlich wusste er nicht, was man in so einer Situation sagen sollte.
Es gab seltene Fälle in denen ich diese Geschichte aus packen musste, aber wenn ich es dann tat, reagierten alle so wie mein Freund hier. Deswegen stieß ich ihn leicht in die Seite:,, Du musst nicht so schauen. Ich komme damit klar. Mein Vater und ich sind ein eingespieltes Team. Er hat sich die nächsten Wochen sogar noch frei genommen, damit wir gemeinsam alles wohnlich machen können"
Ned schaute belustigt mein Bein hinunter:,, Na eben hörte sich das aber noch ganz anders an. Meine Mum kaut mir immer vor, wie wankelmütig wir Teenager doch sind" Entsetzt riss ich meine Hände hoch:,, Also wie kommt die denn da rauf? Ich hatte doch schon den ganzen morgen so strahlende Laune und habe meinen Vater vergöttert."
Lachend gingen wir um eine Kurve, wo Peter an die Hauswand gelehnt stand und gedankenverloren auf sein Handy starrte. ,,Das ist doch okay, wenn er auch mitkommt?", fragte Ned, während er schon auf seinen Freund zu steuerte.
Ich ließ mich ein wenig, damit die beiden sich mit ihrem üblichen Handschlag begrüßen konnten. Was hätte ich doch auch gerne eine Person, mirt der ich alleine so ein Ritual aus führen konnte. Aber was beschwerte ich mich hier? Ich hatte wirklich Glück, dass Ned UND Peter mich so selbstverständlich aufgenommen hatten!

Stark ist nicht starkOù les histoires vivent. Découvrez maintenant