Kapitel 99

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Ich trainierte und trainierte, während die Zeit verstrich.
MJ kam mich besuchen und wir führten lange Gespräche bis tief in die Nacht, bis wir irgendwann während des Lachens einschliefen. Auch Ned kam ein paar mal vorbei, erzählte mir von der Schule oder machte mit mir einfach seine Hausaufgaben.
Doch mit Abstand am meisten Zeit verbrachte ich mit Peter: Er trainierte mit mir, lag Abends einfach schweigend neben mir, oder redete stundenlang über alles mögliche. Es war einfach eine wunderbare Zeit, auch wenn sie von ständigen Alpträume und auch so manchen Nervenzusammenbrüchen begleitet wurde.
Ich konnte immer noch keine einzige Nacht durchschlafen, ohne schreiend oder weinend auf zu wachen, verfolgt von Austin, Fite oder der ganzen Organisation. Mein Vater bekam das mit, das war mir durchaus bewusst, doch ich weigerte mich schlicht und einfach, darüber zu sprechen. Mir war bewusst, dass er sich große Sorgen machte, nur war ich nicht bereit dazu ihm alles zu erzählen, wo er für mich immer noch eine fast komplett fremde Person war.
Am Tag, nachdem wir so lange gesprochen hatten, hatte ich ihm meinen Plan offenbart: Üben und dann los ziehen, um Hydra zu vernichten. Er war ausgerastet, hatte mich angeschrien, dass ich mich nie wieder diesen Leuten nähern sollte und er das regeln würde. Und er wollte sogar, dass ich nie wieder aus seiner Nähe verschwand. Tja, da war ich dann auch ausgerastet.
Wir hatten uns angeschrien, kaum einen Tag hatten wir gemeinsam verbracht, ohne das wir uns gegenseitig schon wieder zerfleischen wollten. Es war Peppa, die den Streit schließlich mit einem ziemlich lauten Machtwort beenden musste.
Seitdem blockte ich sofort ab, wenn Tony da auch nur drüber sprechen wollte, also blieb ihm nichts anderes übrig, als zu zu sehen, wie ich früh morgens aufstand, um zu trainieren, während alle anderen in der Schule waren oder noch schliefen.
Auch wenn die Temperatur manchmal wirklich runter sank, wenn mein Vater irgendwelche Andeutungen machte, verstanden wir uns sonst. Manchmal, wenn weder MJ, Peter oder Ned da war, verbrachte ich meine Zeit nach dem Training in seiner Werkstatt, wo wir einträchtig an allem möglichen Sachen rumschgraubten und zusammen Musik hörten.
Aber auch wenn ich das meiste mittlerweile perfektioniert hatte, gab es ein grundsätzliches Problem.
Während dem vergangenen Monat hatte ich kein einziges mal einen Fuß nach draußen bewegt, schon allein der Gedanke daran ließ alles in mir verkrampfen.
Auch jetzt stand ich komplett steif vor dem Fenster, schaffte es nicht, es auch nur zu öffnen. Es gab gute und schlechte Tage, heute war eindeutig ein schlechter.
Peter trat hinter mich, weshalb mir ein angenehmer Schauer den Rücken herunter.
,,Ich will mal was ausprobieren. Vertraust du mir?", meinte er jetzt.
Normalerweise hätte ich was lustiges dazu gesagt, doch jetzt klang deine Stimme komplett ernst, weshalb ich bloß ein Ja hauchte.
,,Dann fang mich", rief Peter, während er schon aus dem Zimmer rannte. Ich drängte meine Angst erstmal zurück und rannte ihm schreiend hinterher. Es war aber auch unfair. Normalerweise hätte ich ihn sofort eingeholt, doch erstens hatte er einen Vorsprung und schwang auch noch Stücke, indem er Spinnenweben  an ein paar Lampen schoss, die sein Gewicht nur kurz aushielten.
Ich sparte mir irgendwann meine Luft und konzentrierte mich ganz darauf, ihn ein zu holen. Die Gegend neben mir verschwamm, ich nahm die Räume und Personen an denen wir vorbei kamen nicht mehr wahr, sondern steckte alle Kraft in meine Beine, meinte kurz, die silbrige Flüssigkeit zu spüren, wie sie mich verschnellerte.
Sicher eine halbe Stunde folgte ich Peter, er war jetzt nur noch einen halben Meter von mir entfernt, doch jetzt waren die Decken höher, weshalb er besser schwingen konnte. Ich rannte, spürte wie die Luft mir entwich, mit jedem keuchenden Atemzug,  während ich gerade noch sah, dass da ein Stück frei war, worüber ich springen musste.
Moment, seit wann gab es Sptünge im Avengers-Gebäude?
Abrupt hielt ich inne, nachdem ich darüber gesprungen war, natürlich. Durch den plötzlichen Stopp begann sich alles um mich zu drehen, und als ich den Kopf vom schwarzen Punkt auf dem Boden, worauf ich mich fixiert hatte, heben konnte, raubte es mir gleich wieder den Atem.
Denn ich war nicht mehr im Gebäude  sondern stand auf einem Hausdach, neben dem Avengersgelände. Peter hatte mich nach draußen gelockt, ohne dass ich was mit bekommen hatte.
Kurz kroch die Angst in mir hoch, aber als Peter von vorne in meinem Sichtfeld trat, sackten meine Schultern nach unten. Ich hatte es geschafft! Ich stand draußen!
Der Drang, Peter zu küssen wurde plötzlich übermächtig.
Es herrschte Stille, während wir beide immer noch keuchend Luft holten, auch wenn ein breites Grinsen unser Gesicht zierte.
Das wurde gleich noch größer, als Peter wortlos hinter mich zeigte, woraufhin ich mich umdrehte und einen Picknickkorb sah.
Er hatte das alles geplant!Wie süß.
,,Bin ich gut oder gut?", fragte Peter ich grinsend und reichte mir wortlos einen Cookie. ,,Perfekt", antworte ich aus tiefstem Herzen, wobei ich es wagte, ihm tief in die Augen zu schauen.
Doch er erwiderte meinen Blick, kam langsam auf mich zu, während seine Augen kurz zu meinen Lippen huschten. Mein Atem stockte, wir standen keine zehn Zentimeter auseinander.
Ich schloss meine Augen, näherte sich seinem Gesicht. Tausend und gleichzeitig kein einziger Gedanke huschte durch meinen Kopf.
Als unsere Lippen sich trafen war der Cookie in Peters Hand komplett egal, stattdessen explodierte ein Feuerwerk des Glücks in mir.
Es war nur ein kurzer Kuss, doch trotzdem war ich mir ziemlich sicher, dass ich ihn nie im Leben vergessen würde.

Stark ist nicht starkWo Geschichten leben. Entdecke jetzt