Kapitel 39

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Der Regen hielt den gesamten Tag über an. Da ich in jedem Fach am Fenster saß, wo ich gelangweilt raus schaute, bemerkte ich das auch. Höchstens fünf Minuten wurde es mal etwas weniger, sonst schüttete es durchgehend.
Da bekam ich ja so richtig Lust drauf, heute einen Testflug mit den Flügeln zu machen. Ich hatte jetzt neue Repulsoren fertig gemacht und dabei gleich die Stärke erhöht. Wenigstens hatte ich das alles von Hydra bekommen, da Austin davon aus ging, ich würde eine spezielle Drohne entwerfen, um in die Villa rein zu kommen.
Tatsächlich würde ich wahrscheinlich einen anderen Weg finden müssen, um die Drogenplantage abfackeln zu können, denn Flash hielt jetzt sicher erstmal ein bisschen Abstand von mir, wenn er schlau war. Wenn ich Glück hatte, entwickelte er Gefühle für mich und versuchte mich zu beeindrucken, aber so ein arrogantes Miststück kannte sicherlich  das Wort nicht mal. Dieser Glückliche. Es musste echt einfach sein, so ein Leben wie Flash zu führen: In der Schule einen auf großen Macker zu machen und zu Hause vom Vater alles in den Arsch geschoben bekommen. Denn die Markenklamotten hatte er sich wahrscheinlich nicht von selbst verdientem Geld gekauft.
Gut, ich bekam meine Austrüstung auch von Hydra gestellt, aber im Prinzip war es eine Art Deal: Sie gaben mir ein zu Hause und ich erfüllte brav alle Aufträge. Eine ganz spezielle Mafia, nur halt, dass sie für das Gute arbeitete.
Peter stupste mich an, wobei er nach vorne deutete. Die Lehrerin starrte mich auffordernd an. Ups, da waren meine Gedanken wohl etwas zu weit vom Unterricht weg geschweift. Was hatten wir gerade eigentlich? Scheinbar Mathe, denn es standen mehrere Gleichungen an der Tafel.
,,Laila, würdest du bitte auf hören zu träumen und mir den Rechenweg zur Lösung der Gleichung nennen?", bat die Frau mich, wobei sie sich in Gedanken scheinbar schon eine Strafe ausmalte.
Doch da sie mir noch mal die Aufgabe wiederholt hatte, beschrieb ich schnell den Weg und nannte das richtige Ergebnis. Potenzen hatte ich sowieso schon immer gemocht, schlecht sah es  höchstens bei Wahrscheinlichkeitsrechnungen aus, aber das auch nur, weil ich sie nicht mochte. Rechnen konnte ich das auch.
Etwas fassungslos starrte  mich die Lehrerin an:,, Nun, das Ergebnis ist komlett richtig,doch der Lösungsweg ist... viel fortgeschrittener. Aber trotzdem, würde ich dich bitten, besser auf zu passen."
Nicken, lächeln und in Gedanken schon wieder bei der Leiche von Fite sein, so sah das bei mir aus. Vielleicht sollte ich versuchen, nicht aus dem Fenster zu schauen. Das deprimierte mich sowieso nur.
,,May hat dich zum essen eingeladen. Also kommst du gleich mit?", flüsterte mir Peter zu, während er pflichtbewusst irgendwas in sein Heft krizelte. Ich schüttelte bedauernd den Kopf:,, Ich habe gleich noch einen Termin bei meiner Erdkundelehrerin, sie will mich kurz darüber informieren, welche Projekte es alle gibt. Die Sekretärin hat nicht so tolle Arbeit geleistet und jetzt hat sie es sich zur Aufgabe gemacht, mir zu helfen"
Peter zuckte enttäuscht mit den Schultern, wobei er eine leidende Grimasse zog und sarkastisch flüsterte:,, Ich Armer, dann muss ich wohl den gesamten Auflauf alleine essen. Das wird wirklich ganz schrecklich."
Ernst stieg ich ein:,, Das tut mir echt leid für dich. So was schlimmes! Vielleicht sollte ich nachher bei dir vorbeischauen" Grinsend nickte mein Sitznachbar:,, Bevor ich den Kuchen auch noch alleine essen muss.." Ein strenger Blick unserer Matherlehrerin brachte uns zum verstummen, doch das lächeln konnte sie nicht von meinen Lippen wischen.
Fite war tot. Das war absolut schrecklich und die Wunde würde nie so ganz verheilen, aber in Peter, Ned und MJ hatte ich gute Freude gefunden. So gut, dass ich so egoistisch war und keinen Abstand von ihnen nehmen wollte, auch wenn ich sie in Gefahr bringen könnte. Doch wer würde schon Unschuldige einfach so niedermetzeln? Außerdem kannte mich ja gar keiner.

Nach einer dreiviertel Stunde und nun zwei Stunden mehr auf dem Stundenplan verabschiedete ich mich von der, tatsächlich sehr freundlichen, Erdkundelehrerin. Eigentlich wollte ich nicht noch mehr Freizeit vergeuden, aber da Flash, den ich  seit heute morgen nicht mehr gesehen hatte, beim zehn Kampf mit machte, wollte ich mir die Chance, ein bisschen Kontakt zu ihm auf zu bauen, nicht entgehen lassen.
Nun freute ich mich darauf, durch den strömenden Regen nach Hause zu laufen. Nein, natürlich freute ich mich nicht. Gab es eigentlich Leute, die so ein Wetter mochten? Dann sollten sie mir bitte ein paar Argumente liefern, wieso, weil mir fiel spontan absolut gar nichts ein.
Nach genau dreizehn Metern war meine Hose komplett durchnässt, fünfhundert Meter später drang das erste Wasser durch meine Regenjacke. Davon, dass meine Socken mittlerweile komplett vollgesogen waren, wollten wir gar nicht erst reden.
Da mein Rucksack heute morgen schon ziemlich durchnässt gewesen war und ich die Bücher schützen wollte, beschloss ich, mich für ein paar Minuten unter zu stellen, um dann die, auch nicht mehr so dichte, Regenjacke darüber zu legen. Vielleicht half es ja. Der gute Wille zählte.
Dafür, dass es New York war, war erstaunlich wenig los, aber wahrscheinlich trauten die meisten sich gar nicht aus dem Haus. Also die Touruisten zumindest nicht. Und die Einheimischen mussten ja größtenteils arbeiten.
Also stande ich ganz alleine unter einer gestreiften Markise, als auf dem gegenüberliegenden Dach, Spiderman erschien. Och Gott, der hatte mir gerade noch gefehlt. Aber diesmal sollte er keinen Grund haben, mich an zu quatschen. Was tat der eigentlich bei diesem Wetter draußen? War der nicht so ein Weichei, wie mein Vater?
Naja, vielleicht wollte er auch nur ein bisschen angeben. Was sollte es mich interessieren? Allerdings schien Spiderman doch mit mir reden zu wollen. Zumindest schwang er auf den Boden und rannte dann unter die Markise. Hoffentlich wollte er sich einfach nur unterstellen, denn ich spürte schon wieder eine Wut in mir hochkochen.
Die Wut darüber, dass mein Vater ihn mir vorgezogen hatte.

Stark ist nicht starkWhere stories live. Discover now