Kapitel 68

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Um fünf Uhr hatten MJ und ich genug Spanngurte aus diversen Abstellkammer, Kunst- und Physikräumen gestohlen, sodass ich sie an meinem Oberkörper befestigen konnte, denn wie meine Freundin mir beichtete, kam sie nicht sonderlich gut mit Höhen und herumfliegen klar. Achterbahnen und jegliche andere Karussele waren für sie schon eine ziemliche Nervenprobe.
Nachdem ich ihr eingeschärft hatte, nicht zu schreien verließen wir die Schule wieder durch das Fenster am Musikraum, was ich sogar noch auf kipp stellte, damit keiner bemerkte, dass es aufgebrochen worden war.
Draußen begann es Gott sei Dank noch nicht zu dämmern, weshalb wir, MJ an meinem Rücken festgebunden, unbemerkt über die Stadt hinweg flogen. Tatsächlich schaffte sie es, keinen Laut von sich zu geben, auch wenn ich spürte, dass jegliche Muskeln in ihren Körper angespannt waren.
Ich genoss den Flug, es war zwar sehr anstrengend, ein Gewicht über sich zu haben, was einen permanent runterzog, allerdings fühlte es sich auch schön an, zu spüren, dass man nicht alleine durch die eiskalte Nachtluft flog. Das Gepäck zählte dabei eindeutig nicht als Begleitung.
Nachdem MJ sich etwas erholt hatte, fragte ich sie danach, mich zu navigieren. Ich hatte zwar einen Ohrstöpsel drinnen, der mir die Google Maps Navigation durchsagte, doch es ging nichts über das eigene Wissen. Außerdem wollte ich sie ein wenig ablenken, denn sonst würde sie eindeutig so ekelhafte Verspannungen bekommen, wie ich von der Nacht die ich im Wald geschlafen hatte.
Es dauerte nicht lange dort hin zu gelangen, allerdings wunderte ich mich, wie MJ alleine nach Haus gekommen wäre. Mit Bus? Oder zu Fuß? Mir wäre das alles viel zu gruselig, wenn ich nicht die grundlegenden Kampftechniken beherrschte. Obwohl, wer wusste schon, vielleicht konnte sie es ja. Zuzutrauen wäre es MJ auf alle Fälle.
Wir landeten direkt vor dem Haus, da ich ziemlich sicher wusste, dass es hier keine Kameras gab. Mit den Netzwerk von Queens kannte  ich mich wirklich viel, viel besser aus. Naja, machte auch Sinn.
Nachdem ich sie los gebunden hatte, was sich als schwerer erwies, als die Bänder fest zu knoten, streckte MJ sich erstmal und holte dann wortlos einen Schlüssel aus ihrer Jackentasche:,, Es ist gerade keiner zu Hause. Komm rein in die gute Stube"
Etwas schüchtern packte ich meinen einen Rucksack fester und folgte dem erstaunlichen Mädchen, was das Licht anmachte, um einen bilderlosen, sehr modern und schlicht gehaltenden Flur zu beleuchten. Ohne etwas zu sagen streifte MJ sich ihre Schuhe ab und lies diese achtlos stehen im Weg stehen.
Ich tat es ihr nach, auch wenn ich meine mitnahm, weil es vielleicht Fragen hinter sich her ziehen könnte, wenn ein Elternteil, sollte noch jemand zurückkommen, fremde Schuhe dort stehen sah.
MJ führte mich als erstes in die Küche, ein großer Raum der fast schon gruselig sauber war. So hätte ich ihre Wohnung gar nicht erwartet. Als könne sie wirklich Gedanken lesen meinte MJ:,,Unsere Haushäterin hat einen kompletten Ordnungstick, aber mach dir keine Sorgen, mein Zimmer sieht nicht ansatzweise so aus. "
,,Ihr habt eine Haushälterin?", es war fast schon peinlich, wie wenig ich über meine Mitschülerin und damt über die Person, die mich ohne irgendwelche Fragen beherbergte, wusste. Doch sie machte bloß eine wegwerfende Handbewegung:,, Joa. Also, was willst du essen? Ich wollte mir eigentlich einen Sandwich oder Crepe machen.."
Überfordet zuckte ich mit den Schultern. Essen generell hörte sich schon ziemlich gut an. Denn mal ehrlich, Haferflocken mit kalter Dosensuppe schmeckten nicht  gut, egal wie viel Hunger ich hatte. Schon wenn ich die Brühe sah war der weg.
Also antworte ich inbrüstig:,, Mir ist es egal."
Letztendlich machten wir uns Käsesandwiches zusammen mit Waffeln, da der Crepe- Maker schlapp machte. Eine Stunde später saßen wir schweigend in der, nun nicht mehr so sauberen, Küche, beide ziemlich müde.
,,Gehst du heute zur Schule?", erkundigte ich mich, mit den Gedanken schon bei einer Planumstellung. Bevor ich irgendelche Überfälle durchführen konnte musste ich auf jeden Fall ein paar Stunden schlafen.
MJ zog ich eine Augenbraue hoch:,, Sehe ich so aus? Ich ruf gleich im Sekretariat an, sag unserer Haushälterin danach, dass sie nicht kommen brauch und dann holen wir uns erstmal ein paar Stunden Schlaf zurück. Geh du schon mal in mein Zimmer, zweite Tür rechts, wenn du im Flur stehst. Das Chaos räumen wir später auf."
Mich überraschte es, mit was für einer Leichtigkeit MJ handelte. Sie schwänzte einfach mal so Schule, nur weil sie mich mitten in der Nacht dort getroffen hatte. Sie war ein sehr merkwürdiger, aber auch ohne Frage, toller Mensch.
Ich stellte noch unsere Teller zusammen und nahm dann meine beiden Rucksäcke, um sie in MJs Zimmer zu bringen. Tatsächlich hatte sie Recht behalten, denn als ich die Tür öffnete schlug mir das Chaos förmlich entgegen. Der Schreibtisch war voll mit Stiften und Papieren jeglicher Art, auf dem Boden lagen verstreute Klamotten und weitere Zeichensachen. Außerdem hatte sie jeden Zentimeter der Wand mit irgendwelchen selbstgemalten Bildern oder Fotos vollgehangen. Hier kam die Künstlerseele zum vorscheinen.
Auch das Bett war mit jede Mene Zeugs voll gelegt, doch gerade als ich meinen Rucksack an die Wand stellen wollte, fauchte mich ein oranges Kleidungstück an. Moment. Ich war wirklich total übernächtigt. Es war natürlich ihr Kater-Konrad, der wirklich nicht besonders erfreut über meine Anwesenheit  schien. Zumindest zog ich das mal aus der Tatsache, dass er einen Katzenbuckel machte und mich weiterhin an fauchte.
Naja, übel nehmen konnte ich es ihm auch nicht. Ich wäre ja genauso angepisst, wenn mich jemand mit einem Pelzmantel verwechseln würde. Tja, mit dem hatte ich es mir schon mal gründlich verscherzt.

Wir sind da, und ich habe so einige Kapitel vorgeschrieben...

Stark ist nicht starkWo Geschichten leben. Entdecke jetzt