Epilog

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Mit diesen Worten wollte sie eigentlich wieder im Inneren des Landgasthauses verschwinden, doch aus einem Impuls heraus, zog sie ihr Handy hervor. Alles in ihr schrie danach, jetzt seine Stimme zu hören. Sie drückte in ihrer Kurzwahl auf die Eins und lauschte auf jedes Tuten, während sie merkte, wie ihre Hände feucht wurden. „Ja?"
„Hey. Ich ... Bist du im Auto unterwegs?" Sie runzelte die Stirn, sagte sich aber, dass sie kein Recht dazu hatte, sein Handeln zu hinterfragen. Trotzdem schluckte sie, als er bejahte. „Oh, dann ... ich kann irgendwann wieder anrufen."
„Gretel, was ist los? Ich telefoniere über Bluetooth." Seine Stimme klang nicht so, als wäre er noch sonderlich wütend. Was sie wirklich erleichterte. Vor allem, weil sie ihm jetzt offenbaren wollte, was sie fühlte.
„Ich ... scheiße. Das ist mir noch nie leichtgefallen. Nicht mal am Telefon. Stattdessen hab ich mich auf obskure Vereinbarungen eingelassen, nur um mir keine Blöße geben zu müssen und ..."
„Gretel, sag es einfach, ja?" Ihr Handy schien in ihrer Hand zu vibrieren, so sehr zitterte sie, während sie die Augen schloss und einen tiefen Atemzug nahm.
Kurz ploppte die Frage in ihrem Kopf auf, ob sie sich verhört und er nicht leicht amüsiert geklungen hatte. „Ich ... Nick, würdest du bitte zur Hochzeit kommen? Ich weiß, ich hab gesagt, dass ich dich da unter keinen Umständen haben möchte, weil ... Ich hab dich damit verletzt und ich glaube, das wollte ich. Irgendwie. Weil ich mich dann nicht mehr mit den Gefühlen auseinandersetzen musste, die du in mir weckst und die mir solche Angst einjagen. Eingejagt haben. Jetzt nicht mehr. Plötzlich nicht mehr. Ok, doch ein bisschen noch..."
Sie hörte, wie das Motorengeräusch erstarb, und ihre Hoffnung zerstob schlagartig. Das bedeutete, dass er nicht zu ihr kommen würde. Trotzdem klang er, als würde er laufen, zumindest war er leicht außer Atem, als er ihr antwortete. „Welche Gefühle, Gretel?"
Sie schloss die Augen und versuchte, ihren Herzschlag zu beruhigen. Sie war ohnehin zu weit gegangen, um jetzt einen Rückzieher zu machen. Und vielleicht hatte Anna Recht und es war Zeit, sich auf ein Abenteuer einzulassen? „Dass ich dich liebe, Nick. Schon so lang."
„Das trifft sich gut." Sie wirbelte herum und starrte in die Silberaugen, die sie bereits seit einer Weile bis in ihre Träume verfolgten und stillschweigend die dunkelblauen abgelöst hatten, die es zuvor gewesen waren. Schweratmend stand Nick vor ihr und sie glaubte fast, sie müsse halluzinieren. „Denn ich liebe dich auch. Schon so lange."
Automatisch brach sie in Tränen aus und spürte, wie er sie in seine Arme zog. Sie schmiegte sich an seine Brust und schluchzte, während unter ihrer Wange sein Puls raste. Jetzt merkte sie erst, dass nicht nur ihre Finger gezittert hatten. Ihr ganzer Körper bebte und ihr Herz klopfte hart und schnell gegen ihre Rippen, als sie begriff, dass sie gerade dabei war, einen neuen Neuanfang zu machen.
Nochmal schniefte sie und wischte sich dann die Tränen vom Gesicht, ehe sie den Kopf hob. Sie schaute den Mann an, der sich mit seiner Geduld in ihr Herz gestohlen und ihr mehr Hoffnung wiedergegeben hatte, als sie zuvor begriff. „Was machst du denn hier?"
„Ich hole mir die Frau, die ich liebe. Das war zumindest der Plan, bevor du angerufen hast. Ich hab beschlossen, dass ich mich immer noch nicht vertreiben lasse." Sein Lächeln erwärmte das Silber seiner Iriden und sie umfasste sein Gesicht. Sie dachte, sie müsse träumen. Er war hier. Tatsächlich. Ungläubig schüttelte sie den Kopf und merkte, wie ein Kichern in ihr aufstieg.
Während sie immer wieder ihre Lippen auf seine presste, polterte das Lachen aus ihrer Kehle hervor und mischte sich mit den Tränen, die weiterhin aus ihren Augen strömten. Sie spürte, wie er sie mit seinen Daumen wegwischte, ehe er ihren Kopf zurück an seiner Brust bettete. Seine Wärme vertrieb die kühle Nachtluft und sie atmete tief durch, bis sie sich beruhigt hatte. „Scheiße, jetzt muss ich mich schon wieder neu schminken."
„Nein, Gretel. Du bist perfekt, wie du bist. Mit all deinen Geheimnissen und unrealistischen Vorstellungen, wie die Liebe funktionieren sollte, bist du perfekt. Perfekt für mich. Du warst das letzte Körnchen, das ich gebraucht habe, um wieder in Farbe zu sehen. Das wollte ich dir sagen. Doch dann bist du mir mit deiner Liebeserklärung zuvorgekommen."
Sofort krampfte sich ihre Brust erneut zusammen und sie legte die Lippen auf seine. Ein Seufzen drang aus ihrem Mund, als er den Kuss behutsam vertiefte. Ihr Herz pochte immer wilder gegen ihren Brustkorb. Als müsse es noch die letzten Ketten sprengen, in die sie es gelegt hatte.
Als er sich von ihr löste, lehnte sie die Stirn an seine und schaute in seine unglaublichen Augen. Sie wusste, sie konnte darin mühelos versinken. Aus den Fenstern des Saales drang Lois Stimme, die versprach, sie würde ihrer Liebe bis ans Ende der Welt folgen und erneut stolperte ihr Puls. Sie würde es wieder tun. Wie sie es bei Hendrik gemacht hatte. „Tanz mit mir."
„Hier?" Sie nickte und lächelte, als seine Hände zu ihrer Taille wanderten und sein Körper sich mit ihrem zum Takt des Songs bewegte. Sie schloss die Augen und genoss es, dass er sie durch die Tanzschritte führte. Ein Kichern stieg in ihr auf, als er sie unvermittelt unter seinem Arm hindurch drehte und sie dann auffing, als sie sich zur Seite fallenließ.
„Generalprobe bestanden", hauchte sie und schlang ihre Arme um seinen Nacken, um ihn zu küssen, während er lächelte. „Bedeutet das, ich darf mit rein?"
Sie bemerkte, dass er die Stirn runzelte, als sie verneinte. Mit einem Schulterzucken und einem Lächeln flüsterte sie: „Nein, Superman. Das heißt, du musst mit rein."
Sie grinste noch breiter, als er loslachte. Nochmal schloss sie die Augen und ließ ihre Gedanken fliegen. Diesmal verirrten sie sich in Träumen. Sie schwor sich, jeden Einzelnen wahr zu machen.

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Gretel - Das bin ichМесто, где живут истории. Откройте их для себя