III - 7

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Endlich wurde Gretels Kopf leerer und sie konnte die Blicke ignorieren, die Emmy ihr vom anderen Ende des Raumes, nahe dem Eingang, zuwarf. Diese Mischung aus Bedauern und Missbilligung. Sofort entwich Gretel wieder ein Seufzen.

Sie war doch nicht mehr auf die Tanzfläche gegangen, sondern hatte sich neben der Bar verkrochen. Mit jedem Shot hatte sich ihre Laune nicht gebessert, obwohl sie es sich gewünscht hätte. Stattdessen rollte ihre Wut weiterhin ungehindert durch ihre Blutbahnen. Erneut angelte sie beiläufig nach ihrem Glas und unterdrückte den Impuls, Emmy die Zunge herauszustrecken.

Schon von der Ferne sah sie, dass Emelie ihr Kinn unwillig vorschob und die Augen zusammenkniff. Doch plötzlich schob sich eine Silhouette vor sie und sie fitzte die Augen zusammen in der Hoffnung, das würde die Verdopplung ihrer Sicht aufheben. „Hey."

„Hallo, Sebi." So allmählich stabilisierte sich ihr Blick und blieb an seinem lächelnden Mund hängen. Dann wanderte er hoch zu seinen dunklen Augen, die belustigt funkelten. „Verfolgst du mich?"

Gretel bemerkte, wie sich die Fältchen um seine Augen vertieften und er ihr eine Strähne ihres Haares aus dem Gesicht schob, ehe er den Kopf schüttelte. „Nein, ich hab dich nicht verfolgt. Ich hab dich nur zufällig hier stehen sehen. Dachte, du kommst wieder auf die Tanzfläche."

Automatisch schaute sie an ihm vorbei und sah, dass Emelie jetzt zusätzlich die Arme vor der Brust verschränkte. Sebi war ihrem Blick offenbar gefolgt, denn als sie ihn wieder anblickte, fragte er: „Ärger?"

„Nur'n bischm. Ein wenig. Sie findet es uncool, wenn ich mit dir tanse." Jetzt zog er die Augenbrauen fragend hoch und runzelte die Stirn. Gretel wich seinem Blick peinlich berührt aus und griff wieder nach ihrem Glas.

„Wieso?"

Sie zuckte mit den Schultern und ließ sich Zeit dabei, einen Schluck zu nehmen. Erst danach erwiderte sie seinen Blick wieder. „Offenbar ficke ich mit jedem dahergelaufenen Typen, nur weil ich länger keinen Ses hatte."

Jetzt kehrte die Belustigung zurück in sein Gesicht und er nickte. „Ist das so?"

„Was? Dass ich mit jedem ficke? Oder dass ich schon lang nicht mehr gevögelt hab?" Da Sebi mit seinem Bier an ihr fast leeres Glas tippte, hob sie es und folgte seinem Beispiel, als er einen tiefen Schluck nahm. Dann lehnte er sich gegen den Tresen und schaute sie nur an.

Sofort breitete sich Wärme in ihrem Bauch aus, die nichts mit dem Alkohol zu tun hatte, der noch leicht in ihrer Kehle brannte. Wann war sie zum letzten Mal so angesehen worden? Sie konnte es nicht mehr sagen. „Beides."

Er sagte es wie nebenbei und Gretel blieb ihm die Antwort schuldig, als Bilder ihre Gedanken fluteten, die sie längst als vergessen geglaubt hatte. Augenblicklich schob sich ihr Kinn vor und sie beugte sich zu Sebi, der sie wieder unergründlich anschaute. „Weiß nich. Bin siemlich langweilig."

„Das kann ich mir wirklich nicht vorstellen. Wer so tanzt, kann unmöglich dröge sein." Seine Zunge erregte ihre Aufmerksamkeit, als er sich damit die Lippen befeuchtete und sie stierte auf seinen Mund, der sich jetzt wieder zu einem Lächeln verzog. Mühsam riss sie ihren Blick von ihm los und zuckte unbeteiligt mit den Schultern, obwohl ihr Kopf nun die köstlichsten Dinge hervorzauberte, die man mit einer Zunge machen konnte. Was tu ich hier?

Kaum hatte sie den Gedanken gefasst, verschwand er bereits wieder im Nebel und sie nahm das leichte Kribbeln in der Magengegend wahr, das sie längst vergessen zu haben schien. Doch da war es. Nur war der Mann, der es auslöste, eben nicht ihr Hendrik. Ich sollte schnellstens einen klaren Kopf bekommen.

„Ich sollte jetzt gehen." Ihr Flüstern wurde von der sexy Stimme von Rihanna verschluckt, deren Text mit den heißen R&B-Beats die Tanzfläche zum Kochen brachte. Gretel wollte sich an Sebi vorbeidrücken, doch er legte sacht seine Hand auf ihren Arm. Augenblicklich verstärkte sich das Summen in ihrem Bauch und sie schluckte hektisch.

Gretel - Das bin ichWhere stories live. Discover now