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„Das ist doch logisch. Euer Sohn heiratet und er ist nicht da." Gretel nickte und wusste im Grunde nicht, was sie noch weiter dazu sagen sollte. Sie kam sich dumm dabei vor, dass sie heute immer wieder abdriftete mit ihren Gedanken. Trotzdem füllte sie Einsamkeit. Der Platz neben ihr war leer, schon so lange. Plötzlich bemerkte sie, dass die Hand von Emmys Mann auf deren Oberschenkel ruhte und erneut krampfte sich ihre Brust ein bisschen zusammen. Es war ein Fehler, hierher zu gehen.
„Willst du rausgehen und darüber reden?", bot Emelie in diesem Moment an und Gretel schüttelte rasch mit dem Kopf.
„Nein, schon ok. Ich bin ok." Hastig erhob sie sich erneut von ihrem Stuhl und wollte aus dem Raum flüchten, als plötzlich Musik ertönte. Sie schnellte zur Tanzfläche herum und sah, dass der DJ seine Arbeit aufgenommen hatte. Offenbar wollte er die Feier so langsam in Schwung bringen. Mit „True Colours" von Phil Collins. Obwohl sie die Liedwahl abgesegnet hatte, lief ihr ein Schauer über den Rücken und sie kämpfte erneut gegen ihre Erinnerungen an.

Ihre Glieder waren so schwer, dass sie diese nicht bewegen konnte, während sie Phil Collins Stimme lauschte, die davon sang, dass er die Farben eines Menschen erkennen könne und sie leuchten würden wie ein Regenbogen. Mit jeder Silbe krampfte sich ihr Herz mehr zusammen und sie gab sich Mühe, die Erinnerung daran abzuschütteln, wie Hendrik vor ihr auf die Knie gesunken war und sie gebeten hatte, ihn zu heiraten.

Doch es gelang ihr nicht. Ihr Mann war nun schon seit über einem Jahr verstorben und noch immer schmerzte diese Wunde, als wäre es erst gestern passiert. Nein, das stimmt nicht. Es ist besser geworden. Du lebst mit Florian euer Leben, aber dieses Lied...

„Ma?" Ihr Gesicht ruckte zur Küchentür und sie hörte, wie Flo in den Wohnraum trat. Schnell versuchte sie, ihre Traurigkeit abzuschütteln und eine neutrale Mimik zur Schau zu tragen. Doch auch als ihr Sohn den Kopf zur Küche hereinstreckte, pochte der Schmerz noch durch sie.

„Hey."

„Hey." Erst jetzt fiel ihr auf, dass er schlechte Laune hatte und sein Kinn vorgeschoben war. Sein halblanges blondes Haar wirkte, als wäre er sich mehrmals durchgefahren und er hatte seine Schultern hochgezogen, als müsse er sich trotz des frühlingshaften Wetters wärmen. „Ist alles ok?"

„Frauen sind scheiße." Ihre Augenbrauen lüpften sich fast von allein und sie merkte, wie Florian sich hastig auf die Unterlippe biss. „Also ... äh ... ich meine nicht dich. Du bist ja auch keine richtige Frau..." Jetzt entglitt ihr der Unterkiefer, was ihren Sohn stocken ließ. „Na ja, doch. Natürlich bist du das. Aber du bist meine Ma. Du weißt schon."

„Hm, ja. Demnach gehe ich davon aus, dass du von Saskia sprichst. Habt ihr Ärger?" Sie gab sich wirklich Mühe, nicht an sich heranzulassen, dass ihr Sohn behauptete, sie wäre keine richtige Frau und längst vergesse Gefühle wallten in ihr auf. Sie schluckte sie hinunter und bemerkte, wie Florian nickte, ehe er mit den Schultern zuckte.

„Sie hat mich beschissen. Ich hab Schluss gemacht." Die Runzeln auf ihrer Stirn vertieften sich noch, ehe sie nach Worten suchte, wie sie ihren Sohn trösten sollte. Aber dafür gibt es keinen Trost.

„Oh."

„Ja, oh. Ich meine, wie kann sie das tun? Sie sagt mir, dass sie Gefühle für mich hat und vö... betrügt mich! Und dann kommt sie an damit, es wäre nur ein Ausrutscher, als ich sie drauf anspreche, dass ich da was gehört hätte! So was wie Ausrutscher gibt es nicht, wenn ich jemanden mag!" Gretel legte den Kopf schief und konnte nicht verhindern, dass sie im Stillen widersprach.

Florian schien jedoch ohnehin keine Antwort zu erwarten, denn jetzt stapfte er in dem kleinen Raum hin und her und beschwerte sich darüber, wie mies er diesen Vertrauensbruch fand. Bevor er noch dazu übergehen konnte, seine Ex zu beschimpfen, räusperte sie sich und ihr Sohn erstarrte. Er drehte sich zu ihr um und schaute sie an. „Ärgerst du dich darüber, weil du sie geliebt hast, oder stinkt es dir, weil dein Ego gekränkt ist?"

Gretel - Das bin ichWhere stories live. Discover now