Tag 1.0

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In einer Grube abseits jeglicher Zivilisation parkten eine Reihe alter Geländewagen mit Anhängern.

Die Jungen kletterten rasch und ohne zu murren in die Anhänger, während die Männer in den Autos Platz nahmen. Robin wurde ebenfalls in den Anhänger gestoßen und zwischen zwei Jungen eingequetscht.

»Er sieht so lächerlich aus. Seht mal, wie viel Angst er hat.« sagte ein Junge abwertend und warf Robin ein paar böse Blicke zu. Die anderen Jungen schwiegen und starrten stumm in der Gegend herum.

Der Konvoi rumpelte durch das unwegsame Gelände immer weiter ins Nichts hinein. Die Bäume wurden weniger, das Gras höher und die flüchtenden Tiere mehr.

Ein Wüstenhund sprang dem einen Wagen vor die Reifen, aber dieser ignorierte das Tier und hätte es sicherlich überfahren, wenn er nicht im letzten Moment geflohen wäre.

Die Männer im Wagen und die Jungen im Anhänger wurden jeweils ziemlich durchgeschüttelt und Robin überkam die Übelkeit, aber versuchte sich zusammen zu reißen und sich nicht auf die Hose seines Gegenübers zu übergeben.

Ein paar anderen Jungen schien es auch nicht so gut zu gehen. Sie hielten sich an den Stangen an der Wand fest oder starrten geistesabwesend auf einen Punkt.

Robins Sitznachbarn waren völlig entspannt und drehten ein wenig an ihren Waffen herum.

Zu gerne wüsste Robin was hier vor sich ging. Er hatte keine Ahnung, wer diese Leute waren und was sie vorhatten oder was alles in der Lodge geschehen war. Er wusste nicht mal, ob seine Eltern noch lebten oder ob sie die schreienden Personen gewesen waren. Er fühlte sich fremd und hilflos und die ganzen Sturmgewehre und die anderen Waffen halfen ihm nicht gerade mit der Situation gut umzugehen.

Er hatte immer noch Angst und je länger die Jungen still waren, niemand sprach und das Auto weiter fuhr, breitete sich mehr und mehr davon in jeder einzelnen Zelle seines ganzen Körpers aus.

Bitte, bitte, sagt mir was, flehte er innerlich und wünschte sich weit weg von den ganzen Waffen.

Schließlich hielt der Wagen. Erleichtert atmeten einige Jungen aus und einer öffnete die Ladeklappe.

Sie sprangen rasch heraus und verstreuten sich in jede erdenkliche Richtung.

Robin sah sich vorsichtig um. Er befand sich in einem Zeltlager an einem Fluss in einem kleinen Tal. Überall liefen Bewaffnete herum. Männer und Jungen. Sie hielten Ausschau nach irgendetwas oder hatten etwas anderes zu tun. Vor einem Zelt saßen einige Männer und würfelten. Sie lachten und wirkten ausgelassen. Robin starrte sie an.
Da schlug ihm jemand auf die Schulter.

»Weißer Tiger. Da bist du ja. Komm mit.« sagte der große Mann fast fröhlich zu ihm. Robin sah ihn nur verängstigt an und verstand nicht. Der Mann wedelte mit dem Arm und schob Robin schließlich vor sich her.
Alle starrten sie an, als sie durch das Lager gingen. Jeder hob den Kopf und verstummte. Vor einem etwas größeren Zelt, als die anderen, blieb der Mann stehen und wurde von einem eindrucksvollen Kerl mit einer großen Brandnarbe auf der Schulter und dem Arm begrüßt.

»Ihr seid zurück. War die Jagd erfolgreich?« »Natürlich. Schau. Das ist der weiße Tiger. Unser neuer Rekrut. Ein bisschen schüchtern noch, aber ich denke das wird sich legen. Er spricht allerdings nicht unsere Sprache. Das könnte zu Problemen führen.« »Ich werde ihn mir annehmen. Mich wird er schon verstehen.« sagte der Mann mit der Narbe und grinste hämisch. Der Große lachte. »So kenn ich dich, mein Freund. Also auf geht's. Der Tag ist lang und wir müssen noch die ganzen Säcke auswerten.«

Ihre Wege trennten sich und Robin blieb bei dem Narbenmann zurück. Dieser packte ihn am Arm und zerrte ihn zum Fluss. Dort prügelten sich ein paar Jungen im matschigen Ufer. Viele standen um sie herum und feuerten sie lautstark an.

Die Rufe erinnerten Robin an die Sporthallen bei Kickboxwettbewerben. Es war immer ein ohrenbetäubender Krach gewesen und man fühlte sich immer, wie in Trance, wenn man im Ring stand.

Die Art, wie sich die Jungen prügelten erinnerte Robin mehr an das Spiel von Hundewelpen, auch wenn sie sich sehr hart anpackten und dem Einen sogar schon das Blut aus der Nase schoss.

Der Narbenmann beobachtete den Kampf gelassen, ließ Robin dabei aber nicht los. Er wurde fast von seinem T-Shirt erwürgt und griff sich an den Hals.
Der eine Junge war besiegt und der Gewinner wurde um jubelt.

»Gut gemacht, rotes Blut. Jetzt kannst du dich um den Neuen kümmern. Prügel ihm die Seele aus dem Leib, dass er nach seiner Mutter schreit.« rief der Narbenmann und schubste Robin in den Matsch.

Dieser stolperte unbeholfen und landete mit dem Gesicht voran im Dreck. Alle umstehenden lachten. Am lautesten der Junge, der gerade eben noch gewonnen hatte.

»Los, du Trottel. Auf geht's.« sagte er und Robin stand wieder auf. Einen Augenblick später lag er wieder im Matsch. Der Junge hatte ihn einfach umgestoßen. Würgend spuckte Robin den geschluckten Dreck aus und stand wieder auf. Diesmal war er besser vorbereitet und packte den Jungen, als dieser ihn Angriff, um die Schultern und stemmte sich mit aller Kraft gegen ihn. Die Männer um sie herum schrien begeistert.

Der Junge warf sich zur Seite und riss Robin mit zu Boden, aber er zögerte nicht lang und schlug dem Jungen gegen den Bauch. Dieser schrie auf und krümmte sich kurz. Robin kroch außer Reichweite und rappelte sich auf. Doch der Junge kam schon wieder von hinten und brachte Robin zu Fall. Blitzschnell war er über ihm und verpasste ihm einen harten Schlag ins Gesicht. Robin hatte das Gefühl, als würde ihm der Schädel brechen und für einen Moment sah er schwarz, dann hörte er die Schreie der Umstehenden und von neuem Schoss mehr Adrenalin als je zuvor durch seinen Körper.

Er bäumte sich auf und warf den Jungen von ihm. Dieser rollte sich geschickt im Schlamm ab und stürmte auf Robin zu. Dieser rannte ihm ebenfalls entgegen, sprang aber im letzten Moment zu Seite und stellte dem Jungen ein Bein. Der landete der Länge nach im Matsch und hustete den Dreck aus.

Sofort war Robin über ihm und prügelte auf dessen Kopf ein. Immer wieder tauchte das Gesicht des Jungen in den Schlamm und tauchte wieder auf, bis Robin wieder zu schlug, dann auf einmal geschah nichts mehr.
Robin sprang von dem Jungen runter. Alles war still. Der Junge rührte sich nicht. Robin drehte ihn vorsichtig auf den Rücken. Er hatte die Augen geschlossen und sein Mund stand einen Spalt breit offen. Matsch befand sich darin. Angewidert wandte Robin sich ab.

Da bewegte er sich wieder und packte Robin am Kragen und wollte ihn im Schlamm ersticken, aber Robin machte sich rund und klammerte sich so an dem Jungen fest, dass dieser unweigerlich mit umgerissen wurde. Die beide rollten und schlugen eine Weile auf einander ein, bis der Narbenmann dazwischen ging.

»Schluss! Das reicht.« rief er und funkelte die beiden Jungen wütend an. »Wir töten nicht unsere Freunde.« sagte er böse. Der Junge sah beschämt zu Boden. Robin ließ sich erschöpft in den Dreck fallen.

»Werft die zwei in den Fluss. Sie können doch hoffentlich schwimmen.« sagte Narbenmann und ging. Jemand packte Robin an den Armen und zerrte ihn zum Fluss. Er war nur ein kleines Stück weiter aufgestaut und so war die Strömung an dieser Stelle nicht so stark. Zusammen mit einem anderen Mann wurde er in hohem Bogen in den Fluss geworfen.

Er tauchte in das Wasser ein und traf leicht auf den Grund. Er stieß sich ab und tauchte auf. Der andere Junge landete gerade wenige Meter neben ihm im Wasser. Als er auftauchte funkelte er Robin wütend an.
Dieser schwamm nur zum Ufer und kletterte wieder hinaus. Er war tropfnass, aber wenigstens wieder sauber.

Die Männer standen immer noch da und sahen ihn abschätzend an.
Was sie wohl dachten?

Der weiße TigerWhere stories live. Discover now